Ich sehe überhaupt keinen Zusammenhang zwischen Universalauto und Rüstungsspirale. Wer sich ein eigenes Auto zulegt - egal, was für eins - hat dafür Geld auf den Tisch gelegt und hat auch ohne Nutzung laufende Betriebskosten und Wertverlust. Also will man die Vorteile des eigenen Autos natürlich auch so gut wie möglich ausnutzen.
Vor 20 Jahren hat dafür ein leichteres Auto mit weit weniger PS gereicht. Wenn die deutsche Autoflotte heute dieselben durchschnittlichen Motorstärken und Gewichte hätte wie 1990, oder wir sogar abrüsten würden, dann hätten wir auch deutlich weniger CO2-Emissionen durch den Individualverkehr. Und dies billiger und ohne Verlust der Lebensqualität.
Aber das Gegenteil ist geschehen: Eine permanente Aufrüstung. Für jeden Personenkilometer wird heute mehr Gewicht und PS – und damit auch mehr fossile Energie – eingesetzt, als je zuvor.
Diese unnötig schwere und unsinnig PS-starke Flotte an privaten Universalautos zu elektrifizieren, schreibt das Problem weiter fort, statt es zu lösen. Grade die BEV müssen für solche Gewichte und Leistungen exorbitant mehr Gewicht an Batterie mitschleppen. Und auch dafür noch einmal ein Mehr an Energie aufwenden. Das nenne ich Rüstungsspirale.
Einen rationalen Grund dafür – etwa komplexere Transportaufgaben als vor 30 Jahren – gibt es nicht. Es sind dieselben emotionalen Beweggründe dafür verantwortlich, die schon immer das Kaufverhalten der Auto-Konsumenten beeinflusst haben.
„Brauche ich das wirklich?“ ist ja nicht nur eine Bedürfnisfrage für jeden Einzelnen sondern zwangsläufig die zentrale Systemfrage in einer Wachstumswirtschaft. Das hängt nicht mal zwingend an einem politischen System, sondern kommt tief aus den Bedürfnissen der Menschen.
So ist es. Anders formuliert: Die Wachstumswirtschaft nutzt diese dem Menschen innewohnenden Emotionen, ohne sie dauerhaft befriedigen zu können. Denn es gibt immer noch ein leistungsstärkeres, neueres, tolleres Produkt, mit dem man das alte ersetzen möchte. Grade die Branchen Automobil und digitale Devices sind Paradebeispiele für diese Rüstungsspiralen.
Vo diesem Hintergrund halte ich es für naiv, darauf zu hoffen, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung freiwillig kleinere Autos kauft oder ihre Mobilität ganz mit Sharing/ÖPV/Rad organisiert. Selbst wenn sie es könnte: Die Mehrheit wird sich immer dagegen wehren. Und die Mehrheit der PolitikerInnen wird dem – auch wider besseres Wissen – immer folgen, denn sie wollen ja wiedergewählt werden. Natürlich wird auch die Industrie weiter das anbieten, "was die Kunden nun mal wollen". Und diese Bedürfnisse mit millionenteurer Werbung weiter befeuern.
Dass die deutsche Autoindustrie plötzlich fieberhaft an E-Mobilität arbeitet, ist vor allem staatlicher Lenkung zu verdanken: Den von der EU vorgegebenen Flottengrenzwerten und den damit verbundenen Strafzahlungen, wenn sie nicht eingehalten werden. Das ist derselbe Effekt wie bei den von den Gerichten erzwungenen Einfahrverboten für emissionsstarke Autos: Erst gesetzliche Regellungen, z.B. Grenzwerte, bewirken Veränderungen. Nicht die Einsicht, dass man etwas gegen den Klimanotstand tun müsse oder auf die Gesundheit der Stadtbewohner Rücksicht nehmen sollte.