Gesellschaft 20 Jahre sind genug - Gegen die Vertafelung der Gesellschaft

Was mich immer nervt, sind die Klagen von Leuten, die ihren Ars nicht hochkriegen, um eine Initiative für gutes Schulessen zu starten. Die geben ihren Kindern lieber Geld mit, damit sie sich im Supermarkt oder am Bäckerwagen (der natürlich in der Mittagspause vorfährt!) irgendeinen Fabrikfertigfrass-Snack, Chips oder Süssigkeiten kaufen können. Was wiederum dazu führt, dass die Schulküche nicht ausgelastet wird und nicht vernünftig kochen kann. Und dass die armen Kinder uncool sind, weil sie eben nicht Fabrikfertigfrass-Snacks, Chips oder Süssigkeiten kaufen können, sondern uncoole Schulspeisung essen müssen. Wenn sie sich die leisten können. Sonst eben nichts.

P.S.: Ich war viele Jahre Elternrat, auch im Vorstand des Kreiselternrates, und weiß, wovon ich rede.

Da haste ganz recht. Wir sind auch im Schulelternrat und versuchen durchzuboxen, dass beim sowieso fälligen Bau der Mensa die Küche dazugehören soll. Das ist leider tatsächlich sehr schwierig.
 
Ich bringe nochmal einen anderen Punkt ins Spiel. Gabelspaghetti für 2,85 sind in Ordnung.

Ich fürchte, du hast keine Vorstellung, wie viel Zeit zwischen Kochen und Essen liegt. Da hilft auch nicht das aufgepappte Bio-Siegel. Der Preis ist alles andere als in Ordnung.
 
Nun, ich hatte ja einiges aufgezählt. Eine Geburtstagstorte für drei Euro? Und wenn ich mir Gulasch halb und halb beim Metzger hole, dann kostet das wieviel? Und bitte: Nicht mit 100 Gramm kommen. Denn da bleibt durch den Gewichtsverlust bei der Zubereitung nicht viel übrig. Und auch beim Spinat mit Rührei dürfte man schon ziemlich ans Limit kommen. In der Kohlroulade ist ebenfalls eine Hackfleisch-Füllung, die man fast mit einer Boulette vergleichen kann. Wenn also die Boulette nicht (oder kaum) machbar ist, wie soll das dann bei einer Kohlroulade gehen? Die Preise bei Fisch müssen wir wohl gar nicht erst diskutieren, oder?

Ich finde diese Rechnereien mit "Gulasch halb und halb" oder die Frage, ob man eine Geburtstagstorte für 3 Euro machen kann (natürlich kann man das), gehen am Thema vorbei.

HartzIV-Empfänger haben in der Regel so viel Zeit, dass sie die in die Selbstversorgung stecken könnten – wenn sie das wirklich wollten. Die Möglichkeiten für Städter reichen vom gemeinsamen Einkauf größerer Mengen über selbst gemachte Marmelade bis zur Beteiligung an Garten- oder an Bauernhofprojekten. Und für Landbewohner ist es überhaupt keine Schwierigkeit, für einen großen Anteil des eigenen Lebensmittelbedarfs selbst zu sorgen.

Die entscheidende Frage ist, ob diese Eigeninitiative vorhanden ist. Ich denke, das ist sie meistens nicht. Die betreffenden Leute sind in die Arbeitslosigkeit gerutscht, weil sie generell nicht genug Eigeninitiative entwickeln können. Oder die Zeit in der Arbeitslosigkeit hat ihnen die Alltagsstruktur zerfressen.

Das Resultat ist eine Empfängermentalität: Was kriege ich beim Discounter für meinen HartzIV-Satz? Und was ich da nicht kriege, bekomme ich in der Tafel.

So unersetzlich die Tafeln inzwischen sind: Sie zementieren diese Almosenstruktur und die dazugehörige Empfängermentalität. Eigentlich wären Selbsthilfe-Initiativen sinnvoller.
 
Ich fürchte, du hast keine Vorstellung, wie viel Zeit zwischen Kochen und Essen liegt.
Das kann gut sein. Hier in der Mensa fangen sie gegen 8 an. Sind rund 4 Stunden.

Findest du 2,85 zu teuer oder zu günstig? Ich hab es selbst noch nicht probiert, aber wenn ich mal grob rechne, sollte in 3-4 Stunden was anständiges hinzubekommen sein, das dann auch einigermaßen auf den Punkt fertig ist. Nachspeise, Salat und die Zutaten werden zuerst vorbereitet, dann die Sauce so dass sie zeitnah vor dem Essen fertig ist und zum Schluss die Spaghetti, die im besten Fall direkt vom "Herd" auf den Teller wandern. Vorausgesetzt, die Schule hat eine eigene Kantine.

Und ja, ich weiß, dass das einfach dahergesagt ist. Eine Großküche hat andere Sorgen als die Frage, welcher Teller der richtige ist. :D

Ich weiß aber, dass gutes, frisches, günstiges Essen zeitnah fertig gestellt, möglich ist. Wir haben hier zwei Mensen und wenn man sich ansieht, was die kleine gemessen am Andrang für einen Durchsatz schafft, da staunt man. Die wird aber auch von zwei jungen, sehr engagierten Köchen organisiert, die auch schon für ihr Essen ausgezeichnet wurden.
 
Gabelspaghetti mit Petersiliensahnesoße: Fett und Kohlehydrate mit Petersilie als Alibifunktion. In der Menge hergestellt
ist das zu teuer, auch wenn der Preis sicher gerechtfertigt ist; die Angestellten bekommen sicher keine gute Entlohnung.
Dafür ist es wieder zu billig. Man kann es drehen wie man will, es bleibt ein Problem.
Mein Sohn hatte das Glück, dass die Schule eine Küche hatte, in der vollwertig gekocht wurde.
Es hat ihm nicht immer geschmeckt, aber gesund war es sicher. ;)
Bezahlt habe ich eine Pauschale, die nach Einkommen gegliedert war, das fand ich in Ordnung.
 
Rechnen wir doch mal.. Das kg frische Tomaten kostet 2 Euro im Einzelhandel. Daraus mache ich Sauce für 2 Personen. Dazu Zwiebel, Möhre, Lauch, Sellerie.. Alles Zutaten, die relativ günstig sind. In der Summe würde ich schätzen, dass wir auf rund 30-50 Cent kommen. Damit sind wir bei 1,50.

Das Kilo Gabelspaghetti liegt bei rund 1,50, in größeren Mengen auch günstiger. Bei 100g pro Person komme ich da auf 15 Cent pro Portion. Damit sind wir bei rund 1,65, von mir aus 1,75.

Ist nur überschlagen, die Rechnung kann mir ein Profi gerne um die Ohren schlagen, aber ich behaupte, dass mit 2,85 mehr als nur Fertigfraß aus dem Eimer drin ist. Und außerdem, dass man gerade so ein Essen auch zeitnah recht frisch auf den Teller bringen kann. Wenn die Sauce fertig ist und die Kapazität in der Küche stimmt, liegen zwischen Gabelspaghetti fertig und Ausgabe keine 10 Minuten.
 
Also nehmt es mir nicht übel, aber sooft, wie hier jetzt Spaghetti genannt wurden, ist alleine vom Lesen mein Appetit für die nächsten Wochen darauf vergangen. ;)
 
Kartoffel- und Reisgerichte sind auch nicht teurer, Eintöpfe auch nicht. Pizza kann man sehr gut und unter 2 Euro/Person selbst machen, von Brot /Aufstrichen gar nicht zu reden. Das Problem liegt, wie gesagt, eher in der Antriebsschwäche der Klientel als im HartzIV-Satz.

Und was die armen Kinder angeht: Das grösste Problem liegt in den Standards, die Kinder aus normalverdienenden Familien verinnerlicht haben. Bei denen gelten selbst gemachte und vollwertige Nahrungsmittel als uncool, Convinience- und Fertignahrung als cool. Mal eben einen Döner oder einen Burger reinziehen ist normal. Wer eine Frühstücksdose mit liebevoll gemachten Pausenbrot aufmacht, "wird zusammengeschlagen". (Sagt einer unserer Söhne, er meint damit "ausgelacht".)

Für die armen Kinder sind diese Standards bitter.
 
...Die entscheidende Frage ist, ob diese Eigeninitiative vorhanden ist. Ich denke, das ist sie meistens nicht. Die betreffenden Leute sind in die Arbeitslosigkeit gerutscht, weil sie generell nicht genug Eigeninitiative entwickeln können. Oder die Zeit in der Arbeitslosigkeit hat ihnen die Alltagsstruktur zerfressen...
Mit Verlaub solche Pauschalisierungen halte ich für groben Unfug. Was kann denn z. B. der 48 jährige Facharbeiter oder Meister dafür wenn seine Abteilung/sein Betrieb dicht gemacht wird? Da ja am Arbeitsmarkt der Jugendwahn exessiv gelebt wird (jung = billig) hat so einer nahezu keine Möglichkeit mehr in reguläre Arbeit zu kommen. "Zu teuer", "überqualifiziert" oder "zu alt" sind da meist die Antworten von potentiellen Arbeitgebern...
 
Mit Verlaub solche Pauschalisierungen halte ich für groben Unfug. Was kann denn z. B. der 48 jährige Facharbeiter oder Meister dafür wenn seine Abteilung/sein Betrieb dicht gemacht wird?
Wir reden ja hier von den Kunden der Tafeln – also Menschen, die es nicht schaffen, ohne Almosen ihren Bedarf an Lebensmitteln zu decken. Hauptkunden der Tafeln sind Alleinerziehende, Familien mit Kindern und zunehmend auch Rentner/innen. Denen ist nur mit mehr Geld geholfen. Es ist ein gesellschaftlicher Skandal, dass sie mit ihrem Satz schlicht nicht auskommen können.

Alleinstehende Arbeitslose dagegen sollten mit dem HartzIV-Satz auskommen können. Wenn die es nicht schaffen, dann m.E. aus den Gründen, die ich genannt habe: Sie sind in die Arbeitslosigkeit gerutscht, weil sie generell nicht genug Eigeninitiative entwickeln können. Oder die Zeit in der Arbeitslosigkeit hat ihnen die Alltagsstruktur zerfressen...
Da würde ein höherer Satz vermutlich nicht helfen. Wichtiger wäre m.E. Betreuung, Anleitung zur Selbsthilfe, wenn man so will, begleitende Pädagogik.
 
Viele Tafeln "leben" bekanntlich davon, unter anderem gespendete Lebensmittel einzusammeln und an "Bedürftige (ich hasse dieses Wort!)" abzugeben. Bei der Vielzahl von Tafeln in Deutschland kommen täglich einige Tonnen an Lebensmittel zusammen. Wenn man sämtliche Tafeln schliessen würde, würden alle diese Lebensmittel auf dem Müll landen. Das kann es doch auch nicht sein, oder?


Beachfreak
 
Viele Tafeln "leben" bekanntlich davon, unter anderem gespendete Lebensmittel einzusammeln und an "Bedürftige (ich hasse dieses Wort!)" abzugeben. Bei der Vielzahl von Tafeln in Deutschland kommen täglich einige Tonnen an Lebensmittel zusammen. Wenn man sämtliche Tafeln schliessen würde, würden alle diese Lebensmittel auf dem Müll landen. Das kann es doch auch nicht sein, oder?


Beachfreak

Das nicht, aber da es ja genug Hartz IV-Empfänger gibt, könnte man diese z.B. über sogenannte 1 Euro-Jobs als Kontrolleure einstellen, um z.B. Zustände, wie in dem von Marie Huana verlinkten Artikel:
https://www.macuser.de/threads/20-j...g-der-gesellschaft.674714/page-39#post7869697
zu überprüfen. Warum lässt man dieses Potential ungenutzt? Diese Kontrollen wären ja auch im Interesse der Kontrolleure.
 
Das nicht, aber da es ja genug Hartz IV-Empfänger gibt, könnte man diese z.B. über sogenannte 1 Euro-Jobs als Kontrolleure einstellen, um z.B. Zustände, wie in dem von Marie Huana verlinkten Artikel:
https://www.macuser.de/threads/20-j...g-der-gesellschaft.674714/page-39#post7869697
zu überprüfen. Warum lässt man dieses Potential ungenutzt? Diese Kontrollen wären ja auch im Interesse der Kontrolleure.

Wie wäre es denn stattdessen mit der Abschaffung von Spendenquittungen? Dann trennt sich schnell die Spreu vom Weizen. Soll heissen, die Blender verschwinden und die wirklichen Unterstützer bleiben.


Beachfreak
 
Viele Tafeln "leben" bekanntlich davon, unter anderem gespendete Lebensmittel einzusammeln und an "Bedürftige (ich hasse dieses Wort!)" abzugeben. Bei der Vielzahl von Tafeln in Deutschland kommen täglich einige Tonnen an Lebensmittel zusammen. Wenn man sämtliche Tafeln schliessen würde, würden alle diese Lebensmittel auf dem Müll landen. Das kann es doch auch nicht sein

Richtig, das Lebensmittel einfach weg geworfen werden ist ebenfalls eine große Sauerei.

Aber Du willst doch wohl damit nicht zum Ausdruck bringen, das die Tafeln doch gut sind diese Lebensmittel stattdessen an andere Leute zu geben (die dazu gezwungen sind).

Erinnert mich an die Pferde-Lasagne ... das können doch die Hartzer bekommen (ist doch gut genug für die)
 
Durchschnittsverdiener müssen nur noch 11% ihres Einkommens für ihre Nahrungsmittel ausgeben. Lebensmittel sind in Deutschland geringwertige Güter. Wir können es uns problemlos leisten, alles wegzuschmeissen, was nicht optimal aussieht.
 
Richtig, das Lebensmittel einfach weg geworfen werden ist ebenfalls eine große Sauerei.

Aber Du willst doch wohl damit nicht zum Ausdruck bringen, das die Tafeln doch gut sind diese Lebensmittel stattdessen an andere Leute zu geben (die dazu gezwungen sind).
Ist das aber nicht letztlich Sinn und Zweck der Tafeln? Irgendwie verstehe ich allerdings deinen Einwand auch nicht so wirklich. Kannst du das gegebenenfalls bitte etwas präzisieren?

Erinnert mich an die Pferde-Lasagne ... das können doch die Hartzer bekommen (ist doch gut genug für die)
Eine solche Einstellung geht natürlich zu weit. Selbstverständlich sollten an die Tafeln nur jene Lebensmittel abgegeben werden, die auch "Otto-Normalverbraucher" isst.


Beachfreak
 
Die Tafeln müssen die Bestimmungen des Lebensmittelrechts einhalten. Was in den Supermärkten nicht geht, geht auch bei den Tafeln nicht.
Aber es sind Lebensmittel 2. oder 3. Wahl, was Aussehen und Mindesthaltbarkeitsdatum angeht.

Eigentlich waren die Angebote der Tafeln früher nur als vorübergehende Überbrückung von momentanen Engpässen bei den Kunden gedacht. Inzwischen dürften die meisten der 1,5 Millionen Tafelkunden den Einkauf bei der Tafel fest einkalkulieren. Ohne würden sie nicht über die Runden kommen. Der Staat hat damit einen Teil seiner Fürsorgepflicht stillschweigend an die Vereine und Sozialverbände abgegeben, die die Tafeln betreiben.
 
Aber es sind Lebensmittel 2. oder 3. Wahl, was Aussehen und Mindesthaltbarkeitsdatum angeht.
Zum überwiegenden Teil schon, aber nicht nur. Ausserdem: Ich kaufe gerne Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum in Kürze abläuft. Das bringt durchschnittlich 30% Preisnachlass. Des weiteren besagt das Mindesthaltbarkeitsdatum ja nicht zwingend, dass Lebensmittel danach gleich verdorben sind. Von frischer Fisch- und Fleischware 'mal abgesehen. Also als Diskriminierung der Käufer/Verwender von Tafelware sehe ich das nicht. Vielmehr als Verwöhntsein bis hin zur Dekadenz von Otto-Normalverbraucher.


Beachfreak
 
Durchschnittsverdiener müssen nur noch 11% ihres Einkommens für ihre Nahrungsmittel ausgeben. Lebensmittel sind in Deutschland geringwertige Güter. Wir können es uns problemlos leisten, alles wegzuschmeissen, was nicht optimal aussieht.

Du kannst in Deutschland auch problemlos viel mehr Prozent ausgeben - in Deutschland zählt aber das Essen nix, quasi nur eine reine Sättigungsnotwendigkeit ... :jaja:
In anderen Ländern ist das ähnlich oder sogar noch schlimmer, in den Niederlanden gibts faktisch gar keine regionale Esskultur mehr, nur noch Südostasiatische.
In Frankreich widerum ist Essen wichtig und hat einen hohen Stellenwert, gesellschaftlich als auch kulturell.
 
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