Das Wohnungsproblem wird aber weiter zunehmen und nur auf die Politik zu setzen, dass sie endlich dafür sorgt, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist nur ein Teil der Gleichung. Denn wir wollen ja auch, dass all die neuen Häuser und Wohnungen nach Möglichkeit einen geringen Klimafußabdruck haben, dass sie möglichst den neuesten Wärmeschutz- und Niedrigenergiestandards genügen. Damit ist kein Mietwohnraum mehr unter 15€/qm vermietbar und in den wirtschaftlich starken Regionen und den besseren Stadtteilen liegt man bereits heute schon eher in der Klasse zwischen 16-20€/qm. Damit fehlt für jeden Wohnungsbauer der Investitionsanreiz und auch der Staat muss irgendwo kostendeckend+Gewinn zur Instandhaltung erwirtschaften. Ich habe kürzlich gelesen, ich glaube es war auch bei der Zeit, dass der durchschnittliche ursprüngliche Londoner - also keiner der Upper Class - mittlerweile bis zu 65% seines Monatseinkommens für die Miete aufwendet. Wir steuern genau auf solche Verhältnisse hin. Ob es uns gefällt oder nicht, die Flächen sind einfach in den Städten nicht da und wir haben es ja zuvor schon gesehen, die Verdichtung wollen die dort bereits ansässigen auch vermeiden. Kann ich auch verstehen. Ich wohne aktuell zur Miete (zu etwa 50% der heutigen Miete bei Neuvermietungen, dank Altmietvertrag) in einem gutbürgerlichen Stadtteil, der von freistehenden Häusern aus dem ersten Drittel des letzten Jahrhunderts geprägt ist. Ich liebe die Aussicht auf die Gärten, den anliegenden Wald und ich bin trotzdem in 10 Minuten im Stadtzentrum und habe den Wochenmarkt und alles an Infrastruktur in Fußreichweite. Das ist für mich Lebensqualität pur. Ein Haus werde ich mir hier aber nie in meinem Leben leisten können, trotz sehr gutem Gehalt. Der Zug ist weg, hier ist kaum ein Haus, selbst mit abbruchreifer Substanz, unter 1 Mio zu bekommen. Hier wird nichts saniert, hier sind viele Häuser knallrot im Energiestandard, aber keiner investiert, weil es sich nicht lohnt. Man wird die Wohnungen trotzdem zu 18€/qm los. Und das passt für mich alles nicht mehr zusammen. Auf der einen Seite heisst es, es gibt zu wenig günstigen Wohnraum, auf der anderen Seite sind die Luxus-ETWs oder auch guten Wohnungen überflutet von Bewerbern. Ich habe mir vor einem halben Jahr ein Haus angesehen. Es gab auf die Anzeige innerhalb von vier Stunden (!) 350 Interessenten. Und das Haus war ein kleiner Schuhkarton und ging am Ende über ein Bieterverfahren an den solventesten Käufer. Du hast absolut Recht, dass das alles weder mit Flüchtlingen unmittelbar, als auch mit Fluchtursachen zu tun hat, aber trotzdem entsteht hier ein Problem und die Frage wird sein, wie wir das lösen wollen, wenn wir nicht in die heftigsten sozialen Spannungen seit der Weltwirtschaftskrise in den Zwanzigern reinrutschen wollen. Ich sehe halt einfach nur, dass es scheinbar immer noch mehr als genug Menschen gibt, die bei den hohen Preisen mitgehen. Die Städte hier stehen alles andere als leer, also solange sich auf dem Markt immer noch Anbieter und Käufer/Mieter zu den Konditionen finden, wird auch jede Mietpreisbremse ins Leere laufen, als auch diese Gentrifizierung munter weiter gehen. In Zukunft wird die Einkommensklasse um so mehr definieren, wie man am kulturellen Leben teilnimmt oder nicht. Gleiches gilt für den Zugang zu Bildung und den sozialen Kontakten. Es werden immer mehr Filterblasen entstehen. Die prominenteste ist schon die der Großunternehmer und der Lokalpolitiker, die gerade auf dem Immobiliensektor oftmals schön Hand in Hand "zusammenarbeiten".