Cybel schrieb:
die preise sind in der graphik branche sind ja echt mies. also als Ingenieur kann man als traini! direkt nach dem studium mit 38000€ brutto pro jahr anfangen. (und das nicht bei der t-com) bei einer " normalen" festanstellung gibt es auch mehr.
Als ich 2004 noch Realschullehrer (Beamter des gehobenen Dienstes) war und die Anerkennungserlasse für Seiteneinsteiger noch vom Ministerium keine fachlichen Beschränkungen hatten, wurden Diplom-Ingenieure der Fachrichtungen Elektrotechnik und Maschinenbau, aber auch viel Architekten (ebenfalls Diplom-Ingenieure) in das ordentliche Referendariat aufgenommen, weil sie aus lauter Verzweiflung und aufgrund schlechter Jobaussichten, Lehrer im Staatsdienst werden wollten.
So absolvierten viele Seiteneinsteiger (im Ministerialjargon "Nichterfüller" genannt) mit anerkannter I. Staatsprüfung für ein Lehramt das Referendariat und konnten nach 2 Jahren (in NRW) die II. Staatsprüfung ablegen und waren im Anschluss vollwertig ausgebildeten Lehrern rechtlich gleichgestellt. Schon 2004 war die Einstellungssituation für Ingenieure alles andere als glänzend und den Angaben der Medien durfte man schon damals nicht vertrauen. Auch nicht den Unternehmen, die lieber günstiges Personal aus Indien einstellten (Fachrichtung Informatik), statt Informatikern aus Deutschland eine Chance zu geben.
Und heute, 2007, haben Unternehmen damit zu kämpfen, Ingenieure zu finden? Lachhaft, denn die Arbeitsagentur ist voller erwerbloser Diplom-Ingenieure jeder Fachrichtung, doch die Unternehmen wollen diese nicht sondern frisches Blut und vor allem günstiges, frisches Blut.
Kein Wunder, das das Durchschnittsalter der Seiteneinsteiger in den Ausbildungsseminaren der Lehrämter bereits bei 45 Jahren lag. Diplom-Ingenieure, aus heute angesagten Fachrichtungen, hoch qualifiziert, aber für viele deutsche Arbeitgeber als Mitarbeiter nicht wirklich interessant, weil zu teuer und zu alt!
So sind viele Seiteneinsteiger wieder aus dem Lehramt abgesprungen, als sie neue Jobaussichten hatten und andere sind immer noch Lehrer, weil sie lieber den Spatz in der Hand haben möchten, als die Taube auf dem Dach. Die aktuellen Hilfeschreie der Unternehmen sind eine Inszenierung für die Politik und sollen lediglich die Einwanderungsbestimmungen und die Bedingungen zur Tätigkeitsaufnahme durch ausländische Fachkräfte erleichtern, denn darauf haben es Unternehmen abgesehen. Nicht auf deutsche Diplom-Ingenieure, denn die kommen einem Unternehmen teurer als 2 Ingenieure aus Korea oder 3 Diplom-Informatiker aus Indien. Nur gegenüber ausländischen Fachkräften können Unternehmen Druck machen und jede Leistung eines Arbeitnehmers auspressen. Deutsche Ingeniere, wenigstens die, die wirklich gut sind, arbeiten längst im Ausland (VAE oder USA ...) zu Topgehältern, während sich in Deutschland weiterhin die älteren Diplom-Ingenieure bei der Arbeitsagentur gemeldet sind oder mit 40 Jahren ein Einkommen haben, wie ein Absolvent einer FH. Das kann es auch nicht sein.
Zumindest ist die Notlösung, Lehrer zu werden, seit Einführung des neuen Tarifvertrages im letzten Jahr nun auch nicht mehr für Seiteneinsteiger attraktiv und so springen erneut Seiteneinsteiger zurück in ihren Beruf und versuchen ihr Glück in der Wirtschaft, die angeblich boomt. Tut sie auch, aber nicht für die Erwerbslosen! Das Märchen von den Unternehmen, die schon 2004 behauptet haben, dass ihnen Fachkräfte fehlen, wissen sie heute besser zu interpretieren. Die Firmen suchen nur billige, junge und ausländische Fachkräfte, aber das erzählen sie nicht der Politik, denn dann wird in der Frage der Zuwanderung nichts mehr gelockert und die Unternehmen müssten dann die Ingenieure nehmen, die immer noch arbeitslos gemeldet sind – schon seit Jahren!
38.000 Euro Jahrsgehalt sind als Einstiegsgehalt für einen Akademiker in Ordnung, aber was Firmen in dem Zusammenhang gern verschweigen, sind die tatsächlichen(!) zu leistenden Arbeitsstunden, die man pro Jahr aufbringen muss, denn geschenkt bekommt niemand was, nicht mal als Ingenieur!
Auch Ärzte verdienen – auf den ersten Blick - noch nicht schlecht im Krankenhaus, wenn man sich nur das Einkommen vor Augen führt, aber wer möchte im Krankenhaus dienstlich übernachten bzw. muss es dann auch, um die Erwartungen zu erfüllen, wogegen das Einkommen plötzlich ganz anders aussieht? Die Mediziner haben sicher nicht aus Vergnügen gestreikt. Und die Mitarbeiter der Telekom sind sicher nicht auf der Straße, weil es nur am Fragen des Einkommens geht. Es geht um unbezahlte Mehrleistung pro Woche, pro Jahr, pro Leben!
Erst wenn man ein Gehalt, die Verantwortung, die mit einer Tätigkeit verbunden ist und die Arbeitszeit miteinander vergleicht, die ein Unternehmen von seinem Mitarbeiter erwartet und diese Parameter in Relation zueinander bringt, dann kann man sehen, ob man schlecht oder gut bezahlt wird. Die Aussage, das Diplom-Ingenieure gut verdienen, ist sinnlos, denn auf einer Seite gibt es Ingenieure, die pro Woche für 2 Stunden ihre Familie sehen und viel verdienen und andere, die einen 9-2-5 Job haben und entsprechend weniger erwirtschaften, aber dafür oft und lange zu Hause sind.
Das gilt übrigens für alle Branchen und deshalb gibt es auch Diplom-Designer, die verdammt gut verdienen, aber selten schlafen und andere, die als Angestellte in Druckereien arbeiten und niemals erfahren werden, was ein sechsstelliges Jahrsgehalt ist. Zu viele unterschiedliche Parameter sind davon abhängig, ob man fair bezahlt wird, oder Opfer einer Ausbeutung wird. Die Statistiken und Gehaltsspiegel in den Magazinen oder im Internet sind Zahlenspiele, aber mehr nicht. Entscheiden ist die Frage des Einsatzes und der Voraussetzungen. Jemand, der studiert hat, muss in Fragen des Einkommens Jahre ohne Gehalt aufholen, doch davon wollen Unternehmen nichts mehr wissen, und das Land, das Lehrer einstellt, auch nicht.
Deutschland auf Sparflamme, in jeder Branche, denn nur vereinzelnd wird tatsächlich gekocht. Sicher, alle Menschen zieht es ins Warme, aber am Feuer ist nur noch Platz für wenige. Und viele stehen kurz davor, zu verbrennen bzw. auszubrennen. Burnout - nicht nur ein Problem im Lehrerjob sondern auch oder gerade im Ingenieurwesen, wo Überstunden nur noch selten vergütet werden, weil die Mitbewerber aus Fernost stets günstiger sind!
Lebensqualität ist nicht nur eine Frage des Einkommens oder einer Sicherheit, sondern der Rahmenbedingungen in einem Job und im Privaten. Wer sich wohl fühlt, arbeitet gern und mehr, auch wenn es sich nicht in bare Münze auszahlt.
- Sterling