Gesellschaft 20 Jahre sind genug - Gegen die Vertafelung der Gesellschaft

Und wenn ich Deine Argumentationslinie zugrunde lege, dann dürften also ca 50 Euro im Monat für Lebensmittel im Regelsatz eines Hartz IV-Empfängers ausreichen, ja?
Wenn also der Monat ca 30 Tage hat, dann wären das rund 1,67 am Tag.
Ich bitte um Entschuldigung: Gemeint war nicht der monatliche Bedarf, sondern der wöchentliche. Ich habe mich verschrieben. (In der verlinkten DGE-Tabelle stand es auch richtig.)

Also: 2003 konnte man sich mit 21 bis 28 Euro pro Woche und Kopf vollwertig ernähren, vorausgesetzt, man kauft "preisbewusst" ein.

Natürlich müsste man dann die Preissteigerungen dazurechnen: Von 2005 bis 2012 sollen es bei Lebensmitteln zwischen 5 und 7% gewesen sein. dann wären es heute also zwischen 23,50 und 31 Euro, die man für vollwertige Ernährung bei preisbewusstem Einkauf ausgeben müsste. Da etwa liegt ja auch der HartzIV-Satz.
 
Wie kommst Du auf die Zahl?

Dann lies noch einmal seinen Beitrag. ;) Er geht davon aus, dass sich seit 2003 nichts geändert hat und dass man sich also nach diesem bericht mit ca 48 Euro im Monat vollwertig ernähren kann (Zitat):
"…wie viel Geld für eine vollwertige Ernährung notwendig wäre. Durchschnittlich wären das 48 Euro monatlich pro Kopf,…"
Wenn ich jetzt also mal ganz spendabel und gönnerhaft diese von ihm vorgegebenen 48 Euro auf 50 Euro aufrunde und dann durch 30 Tage teile, dann kommt man auf einen täglichen Satz von rund 1,67 Euro.
 
Ich bitte um Entschuldigung: Es muss natürlich wöchentlich heissen, ich habe mich verschrieben. (In der verlinkten DGE-Tabelle stand es auch richtig.)

Also: 2003 konnte man sich mit 21 bis 26 Euro pro Woche und Kopf vollwertig ernähren, vorausgesetzt, man kauft "preisbewusst" ein.

Graue Theorie. So weit ich das durchschaue, beziehen sich diese Zahlen auf den theoretisch realisierbaren Verbrauch.

Siehe hier:
Berücksichtigt man die im Handel üblichen Verkaufsmengen, wie sie in Tabelle 4 dargestellt sind, so erhöhen sich theoretisch die notwendigen Ausgaben für eine vollwertige Ernährung auf durchschnittlich 87 € pro Person und Woche.

Da Du Lebensmittel nicht unbegrenzt bevorraten kannst und auch nicht in beliebig großen Einheiten einkaufen kannst, gibt man notwendigerweise mehr aus. Das kannst Du selber ausprobieren.

Das währe eh mein Rat an Dich: probiere aus, was Du hier schreibst und dann unterhalten wir uns wieder.
 
Es geht um 127 EUR pro Monat, nicht um 48 oder 50.

Sag mal, willst oder kannst Du es nicht verstehen. Ich habe doch jetzt extra auf Deinen Wunsch hin noch einmal die Aussage von spoege zitiert. Und er sprach davon, dass auch 48 Euro im Monat ausreichen. Und diese 48 Euro habe ich dann mal auf den Tag runtergerechnet.
 
Moin,

spoege ...sprach davon, dass auch 48 Euro im Monat ausreichen. Und diese 48 Euro habe ich dann mal auf den Tag runtergerechnet.


Das hier hast Du inzwischen gelesen?

Ich bitte um Entschuldigung: Gemeint war nicht der monatliche Bedarf, sondern der wöchentliche. Ich habe mich verschrieben. (In der verlinkten DGE-Tabelle stand es auch richtig.)

Also: 2003 konnte man sich mit 21 bis 28 Euro pro Woche und Kopf vollwertig ernähren, vorausgesetzt, man kauft "preisbewusst" ein.
 
Graue Theorie. So weit ich das durchschaue, beziehen sich diese Zahlen auf den theoretisch realisierbaren Verbrauch.
Da Du Lebensmittel nicht unbegrenzt bevorraten kannst und auch nicht in beliebig großen Einheiten einkaufen kannst, gibt man notwendigerweise mehr aus. Das kannst Du selber ausprobieren.
Das währe eh mein Rat an Dich: probiere aus, was Du hier schreibst und dann unterhalten wir uns wieder.
Du musst den ganzen Absatz lesen:
Berücksichtigt man die im Handel üblichen Verkaufsmengen, wie sie in Tabelle 4 dargestellt sind, so erhöhen sich theoretisch die notwendigen Ausgaben für eine vollwertige Ernährung auf durchschnittlich 87 € pro Person und Woche. In der Praxis werden bei vielen Lebensmitteln jedoch die dadurch gebildeten Vorräte in den folgenden Perioden zu einer Verringerung der Ausgaben führen.
Der Satz von 87 Euro ist der Durchschnittssatz. Bezugsgrösse für unsere Diskussion wäre aber der möglichst preisbewusste Einkauf, und der liegt bei 42 Euro / Woche, zzgl. Teuerung 10% wäre er also heute bei 46 Euro / Woche. Der läge knapp über dem HartzIV-Satz (für Alleinstehende).

Ich kann nur wiederholen, was ich früher schon geschrieben habe: Für Alleinstehende ist das machbar, weil die Zeit haben, die sie für Selbstversorgung investieren könnten. Für Familien mit Kindern, speziell Alleinerziehende, ist das schlicht unsozial – ein Skandal.
 
Moin,




Das hier hast Du inzwischen gelesen?

Ja, aber da hatte ich meinen Beitrag schon geschrieben. Und auf diesen bezieht sich falkgottschalk jetzt gerade.
Und spoege übersieht trotz seiner Berichtigung einen Aussage:
"…Werden die Lebensmittel hingegen teuer (75. bis 90. Perzentile) eingekauft, so steigen die Ausgaben auf 51 bis 68 € pro Person und Woche, bzw. auf 220 bis 292 € pro Person und Monat. …"

Also 220 bzw. 292 Euro pro Kopf je Monat. Nehmen wir nun den zur Verfügung stehenden Regelsatz von ca 130 Euro für Essen, dann müsste doch etwas auffallen.
 
75. bis 90. Perzentile hört sich für mich irgendwie nach oberem Ende der Fahnenstange an. Da müsste doch etwas auffallen.
 
Und spoege übersieht trotz seiner Berichtigung einen Aussage (…).
Übersehen habe ich das nicht. Aber die Gesetzgebung geht ja davon aus, dass HartzIV-Empfänger nur das Geld bekommen, das sie zum Lebensunterhalt unbedingt benötigen. Dass sie also so preisbewusst einkaufen wie irgend möglich. Das ist so auch gerichtlich bestätigt worden. Die so einkaufen sind die unteren 10 Prozent.

Dass diese Praxis entwürdigend ist, dass der Empfang von Almosen per Tafel entwürdigend ist, ist eine andere Frage. Diese Faktoren lassen sich aber nicht in Euro und Cent berechnen. Und Alleinstehende haben immer Möglichkeiten, daran etwas zu ändern, auch wenn sie keine bezahlte Arbeitsstelle haben.

Und wie gesagt: Die Diskussion über den Lebensmittelsatz verstellt den Blick auf die dramatisch Betroffenen, die weder eigene Verantwortung für ihre Lage tragen noch etwas daran ändern können: Die Kinder.
 
…Und Alleinstehende haben immer Möglichkeiten, daran etwas zu ändern, auch wenn sie keine bezahlte Arbeitsstelle haben.


An welche Möglichkeiten denkst Du denn da? Ich kenne Leiharbeiter, die in Vollzeit arbeiten und trotzdem ihren Lohn aufstocken lassen müssen. Die sind also ca 9 Stunden (mit Pause) auf Arbeit. Mit Fahrzeiten sind sie dann ca 13 Stunden unterwegs. Sollen die auf Arbeit vorkochen?
 
Ich kenne Leiharbeiter, die in Vollzeit arbeiten und trotzdem ihren Lohn aufstocken lassen müssen. Die sind also ca 9 Stunden (mit Pause) auf Arbeit. Mit Fahrzeiten sind sie dann ca 13 Stunden unterwegs. Sollen die auf Arbeit vorkochen?
Ich will mich hier nicht immer wiederholen; dass HartzIV für mich auch ein Problem des fehlenden Mindestlohnes und der zu niedrigen Lohnuntergrenzen ist, hab ich schon geschrieben. Das "Aufstocken" sollte es meiner Meinung nach überhaupt nicht geben dürfen.

Die Leute, die ich meinte, sind alleinstehende Arbeitslose, die Zeit haben. (Und oft genug auch darunter leiden, dass sie nicht gebraucht werden.) Aber ich habe dazu hier auch schon mehrfach was geschrieben, Stichworte: Selbermachen, in Projekte gehen, eigenen Garten bewirtschaften, etc.. Ich kenne einige, die sich in dieser Existenz eingerichtet haben, ganz gut damit leben und ihre freie Zeit in sinnvolle, aber unbezahlte politische bzw. gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeiten investieren.

Und nochmals: Niedriglohnempfänger und vor allem Familien mit Kindern können die niedrigen Sätze in der Regel nicht ausgleichen. Das ist für mich der Skandal.
 
Die Leute, die ich meinte, sind alleinstehende Arbeitslose, die Zeit haben. (Und oft genug auch darunter leiden, dass sie nicht gebraucht werden.) Aber ich habe dazu hier auch schon mehrfach was geschrieben, Stichworte: Selbermachen, in Projekte gehen, eigenen Garten bewirtschaften, etc.. Ich kenne einige, die sich in dieser Existenz eingerichtet haben, ganz gut damit leben und ihre freie Zeit in sinnvolle, aber unbezahlte politische bzw. gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeiten investieren.

Ich hörte gerade von der AWO in Elmshorn oder Pinneberg (nahe Hamburg), sie würden mit einem kleingartenverein brachparzellen von arbeitslosen bewirtschaften lassen. Die ernte geht dann an die örtliche tafel. Mir scheint, alle haben was davon. Einwände?

punkreas
 
Natürlich gibt es Einwände. Allein der Umstand, dass eine Gesellschaft zusieht, wie abgepacktes Essen in Tonnen hinter Lebensmittelläden weggeschmissen und dann 'diebstahlsicher verschlossen' wird, ist doch absurd. Dann aber noch darum zu wissen, dass die Leute, die auf das weggeschmissene Essen der 'Wohlhabenden' nicht einmal zugreifen dürfen, noch alternativen Anbau betreiben sollen… Na, da hakt es einem doch das Hirn aus bei so viel Moral der AWO...

Ist die Arbeit in den Kleingärten wenigstens freiwillig? Eine bereits absurde Frage angesichts der ganzen Situation, die doch nur noch als grotesk zu bezeichnen ist. Denn das Essen ist doch da. Sogar abgepackt weggeschmissen. Damit auch gleich die Würde der Menschen, die darauf nicht einmal mehr zurückgreifen dürfen und sich selbst angebaut über die Tafel versorgen sollen? Nur weil eine neo-liberalistisch umgebaute Gesellschaft nicht teilen will... Das, was sowieso schon da ist... Nein, die Ausgrenzung und Entwürdigung wird noch vermeintlich gutmenschlich komplettiert. Unfassbar.
 
Ich hörte gerade von der AWO in Elmshorn oder Pinneberg (nahe Hamburg), sie würden mit einem kleingartenverein brachparzellen von arbeitslosen bewirtschaften lassen. Die ernte geht dann an die örtliche tafel. Mir scheint, alle haben was davon. Einwände?

Ich habe eine vielleicht etwas ketzerische Einstellung zu diesem sensiblen Thema. In Deutschland werden die Hälfte aller Lebensmittel weggeworfen, wie es Anfang des Jahres mal wieder durch die Presse ging. Also quasi ein Ausschuss von (bis zu) 50 Prozent der hergestellten Gesamtmenge.

Das bedeutet im Umkehrschluß: würden die Verbraucher nicht pünktlich zum Mindeshaltbarkeitsdatum die Lebensmittel wegschmeißen und nach Bedarf einkaufen und würde vor allem der Handel nicht wegen kleinster optischer Mängel (trifft ja teilweise schon auf eingedellte Umverpackungen zu) die Lebensmittel im Hinterhof entsorgen, könnte man fast die gesamte Bevölkerung von >80 Mio. Menschen alleine durch den industriell produzierten Ausschuss kostenlos mit Lebensmitteln versorgen, die ja ansonsten einfach weggeworfen werden.

Oder anders gesagt: mit dem deutschen Lebensmittelausschuss könnte man theoretisch ganz Italien, Frankreich oder Großbritannien kostenlos versorgen. Zugegeben - zumindest die beiden erstgenannten würden sich das kulinarisch nicht gefallen lassen. :D
 
Natürlich gibt es Einwände. Allein der Umstand, dass eine Gesellschaft zusieht, wie abgepacktes Essen in Tonnen hinter Lebensmittelläden weggeschmissen und dann 'diebstahlsicher verschlossen' wird, ist doch absurd. Dann aber noch darum zu wissen, dass die Leute, die auf das weggeschmissene Essen der 'Wohlhabenden' nicht einmal zugreifen dürfen, noch alternativen Anbau betreiben sollen… Na, da hakt es einem doch das Hirn aus bei so viel Moral der AWO...

Ist die Arbeit in den Kleingärten wenigstens freiwillig? Eine bereits absurde Frage angesichts der ganzen Situation, die doch nur noch als grotesk zu bezeichnen ist. Denn das Essen ist doch da. Sogar abgepackt weggeschmissen. Damit auch gleich die Würde der Menschen, die darauf nicht einmal mehr zurückgreifen dürfen und sich selbst angebaut über die Tafel versorgen sollen? Nur weil eine neo-liberalistisch umgebaute Gesellschaft nicht teilen will... Das, was sowieso schon da ist... Nein, die Ausgrenzung und Entwürdigung wird noch vermeintlich gutmenschlich komplettiert. Unfassbar.

Das ist tatsächlich grotesk. Aber die idee an sich: bedürftige bauen was an, wo sonst land leersteht und tun es wo hin, wo's jemand braucht. Dazu gibt's sozialkontakte und eine tagesaufgabe. Ich weiß allmählich, wie wichtig die sind. Das essen ist hier nebenprodukt.
 
@ punkreas

Ich weiß, was Du meinst. Soziales Handeln in Gemeinschaft, um darüber aus der sich häufig einstellenden Isolation rauszukommen, die sich in der Arbeitslosigkeit entwickeln kann… und gleichzeitig noch etwas sozial Zielgerichtetes zu unternehmen. Nur ist das Ziel eben eine groteske Unmöglichkeit hinsichtlich der gesellschaftlichen Hintergründe.

Man könnte es auch so sagen: Du nimmst jemandem die Mittel, damit er leben kann, sich selber und frei selbst Essen kaufen kann, also das grundlegendste… schmeißt dann das Essen, das er sich nicht mehr leisten kann, vor seinen Augen weg und sagst ihm dann: Produzier es selbst und verteil es an die noch Ärmeren!

Das ist herablassendster Zynismus pur.

Obwohl ich es persönlich gut finde, wenn man Menschen wieder zusammenbringt und gesellschaftlich integriert, ist die Form, die z.B. über die Tafel und dieses AWO-Projekt gewählt wird, denkbar ungünstig, eben zynisch, geradezu böse.

Auch wenn die Leute da mitmachen, setzt sich doch etwas ins Bewusstsein ab. Es bleibt die Herablassung und die gesellschaftliche Schieflage als letzte Botschaft zurück. Die SPD-Botschaft, die Leute unter Schröder neo-liberalistisch formuliert haben, und die auch in CDU und FDP tonangebend ist: Wer nicht arbeiten will, soll nicht essen… Volker Pispers karikiert das in seinem Programm schön, indem er gleich auch noch den Original-Spruch nachliefert: Arbeit macht frei…

Das sitzt tief in uns drin. Klassisch faschistisches Gedankengut. Aber was ist in Zukunft, wenn keine Arbeit mehr vorhanden ist, weil Automatisierung am Ende nur noch 10 % der Menschen beschäftigen lässt? Was ist bereits h e u t e mit all den Arbeitslosen? Menschen ohne Lebensrecht, die sich künstlich motivieren sollen und auch alternativ ernähren, während jene, die noch nichts durchs Raster fallen, alle anderen an den Rand drängen und ihnen nicht einmal mehr den Überfluss der Reste lassen?

Den Zynismus der Vertafelung wie auch solcher Projekte finde ich erschreckend. Denn es ist ja von allem genug da. Von Essen wie von Geld. Nur es wird nicht gerecht verteilt. Genau das müsste der Staat übernehmen! “Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.”, ist in unserem Grundgesetz zu lesen. Der Staat hat also ein Legitimitätsproblem. An der Tafel wie an solchen Projekten wird es ersichtlich. Denn beides dürfte es gar nicht geben. Nicht in einem Staat mit einem solchen Grundgesetz.

Andererseits wird darüber ersichtlich, was für Verbrecher sich unseren Staat angeeignet haben. Ein ökonomischer Putsch eben, wie die WDR5-Doku feststellt:
http://www.youtube.com/watch?v=1mxjmwItjQE
 
Damit hast du nicht unrecht. Was schlägst du denn konkret vor? Die Tafeln und die AWO verbieten kann ja nun auch nicht der Königsweg sein.

Erkenntnis ist eine Sache, Handeln eine andere.
 
Lieber Bergbesteiger, was du und andere nie kapieren werden: Wenn in Deutschland Menschen die Tafel in Anspruch nehmen, dann hat das nix mit Neo-Liberalismus zu tun, sondern ist Großteils ein Ergebnis der Faulheit und Dummheit dieser Leute.

Natürlich nicht zu 100%, aber sicher überwiegend.
 
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