Bin da bei Euch, aber das 9 Euro Ticket war doch hauptsächlich etwas für Leute die mal eben billig durch Deutschland reisen wollten.
Der Anteil an Berufstätigen die dadurch vom Auto auf ÖPNV umstiegen war doch sicher der geringere Teil.
Ich glaub du verkennst, was das tatsächlich bewirkt hatte:
- einfach mal spontan einfach in ein ÖPNV steigen und nicht lange rumgrübeln müssen
- KEINE langwierige Recherche, wie man nun genau fahren muß, um den günstigsten Preis zu bekommen
- KEINE langwierige Recherche, ob man nun irgendwelche Tarifringe überspringen würde und man plötzlich auf einem Teil der Strecke zum Schwarzfahrer wird
- die allermeisten Fahrten waren sehr regional. Aber auch die Fahrten weiter weg sind ja völlig OK. Auf diese Weise können sich das auch ärmere Menschen leisten mal wohin zu fahren, wo es schön ist.
Die Begeisterung hat ja bei weitem überwogen. Und das OBWOHL das Verkehrsnetz dafür eher zu schwach auf der Brust war. Und obwohl z.B. das Bahnnetz zu der Zeit auch viele Baustellen hatte.
Und wenn man jetzt noch 1-2 Schritte weiter denkt (auch abseits des reinen ÖPNV):
- wieso nicht E-Tretroller und e-Scooter usw. auch ins ÖPNV einspannen? Darüber ließen sich wunderbar Querverbindungen überbrücken
- wir haben hier bei uns am Bahnhof E-Lastenräder, die man sich kostenlos leihen kann. Mit den Dingern hab ich schon Regale, Schränke, Schreibtische/Stühle, einen Backofen z.T. über 30km Entfernung gefahren. Mit stabilen 25-30km/h. Mit einer Leichtigkeit auch 50kg befördert. als wäre das Fahrrad leer. Wieso nicht viel mehr von solchen Stationen betreiben. Als Nachbarschafts-Angebot sozusagen. Quartiers-Fahrradstationen. Ich würde wetten, daß das viele Leute davon überzeugen könnte, auf ein privates KFZ komplett zu verzichten.
Ich bin seit grob 8 Jahren ohne eigenes KFZ und hab das nicht einen einzigen Tag bereut. Ohne Corona-Homeoffice hatte ich mit dem Rad (ohne Motor) über 250km/Woche für den Arbeitsweg zurückgelegt. Nach 2-3 Wochen ist das keine Mühe mehr. Da interessiert es einen auch nicht mehr wie das Wetter ist. Ok, ich kann auf der Arbeit duschen. Könnte ich es nicht, hätte ich mir ein E-Bike gekauft.
Und wenn ich mal ein KFZ brauche, dann klicke ich mir kurz ein i3 oder ID.3 oder auch mal einen Transporter. Man kann sich auch mal ein Auto für mehrere Tage klicken.
Das mag auf dem ersten Blick umständlich und teuer erscheinen, aber das ist echt befreiend. Studien hatten vor einer Weile gezeigt, daß KFZ-Besitzer die wahren Kosten des KFZs dramatisch unterschätzen. Die Leute liegen teilweise um 50% daneben. Wenn man sich mal ehrlich macht und mal ALLES zusammenrechnet, was das KFZ an kosten verursacht, wird man auf beträchtliche Summen kommen. Sagen wir einfach mal 400€/Monat. Wenn man dieses Geld einfachhaltshalber auch weiterhin für Mobilität als Budget bereit hält… Damit geht RICHTIG viel. Da muß man auf NICHTS verzichten. Im Gegenteil kann man damit sogar richtig gewinnen. Einfach das Fahrzeug zum Zweck mieten. Auto mit Bootshänger? Camper? Cabrio? City-Hopper? ÖPNV? Fahrrad? Im Jahresmittel sollte man nicht über dieses Budget kommen müssen.
Aber was man dabei gewinnt?
- kein Kümmern um Versicherung/Steuern
- keine Rücklagen für Reparaturen
- keine Parkplatzsuche
- keine langen Autoreinigungsorgien
- sich frei bewegen können und jederzeit einfach das Fahrzeug wechseln. Spontan.
ABER!!!!!!!!!!!
Mir ist sehr wohl klar, daß ich in der Großstadt vergleichsweise auf der Insel der Glückseligkeit bin. Auch wenn es hier am Stadtrand ein deutlich eingeschränktes Angebot gibt, verglichen mit der eigentlichen Stadt.
Mir ist SEHR klar, daß die Lage auf dem Land überhaupt noch NICHT auch nur ansatzweise angekommen ist, jemanden hinter dem Ofen hervorzulocken…
ABER!!!!!!!!!!
Was wären wir für ein armseliges Land, wenn wir DAS nicht auch in ländlichen Regionen hinbekämen? Die Konzepte sind alle fertig. Die Technik auch, finanzierbar ist das eigentlich auch. Es hakt mehr oder weniger einzig am (politischen) Willen.