Das sieht die Gesellschaft aber anders.
Die bereits mehrfach erwähnte Doku habe ich ebenfalls gesehen und rein rational konnte ich die Eltern verstehen, dass sie die zweite Schwangerschaft vorzeitig beendet haben. Es geht hier nicht primär um die Behinderung, es geht um alles, was ab Geburt folgt. Wir haben in der Nachbarschaft einen Downie und einen Albino. Beiden Eltern schlägt pure Ablehnung entgegen. Ich sehe vielmehr die Kinder in dieser Situation, die beide keine soziale Anbindung genießen, völlig auf sich allein gestellt sind, keine Besuche, keine Freunde, nicht mal Geburtstagsfeiern mit anderen Kindern. Sozial isoliert, sowohl die Kinder als auch die Eltern.
Aber, ich bin ebenfalls einer von diesen Fällen, die in der Gesellschaft nicht ankommen bzw ausgegrenzt werden. Autist, und dadurch schwerbehindert vor dem Gesetz und zwar zu 100%, die in meinem Ausweis stehen. Ich kenne das, wenn man in der Schule durch Leistungen auffällt und es später zum Fluch wird, weil einem kein Arbeitgeber eine Chance geben will, obwohl man Fähigkeiten nachweisen kann, über die Neurotypische nicht verfügen. Möchte das nicht näher ausführen. Aus diesem und diverser anderer Gründe bin ich nun im 30ten Jahr meiner freiberuflichen Tätigkeit, da ich mir anders nicht zu helfen wusste und nicht in einer Werkstatt enden wollte.
Die Gesellschaft ist heute scheinbar noch mehr auf den perfekten Menschen ausgerichtet, als sie es schon vor 35 und mehr Jahren war. Wenn mir damals schon die blanke Ablehnung entgegen schlug, wie ist es dann erst heute? An dem Punkt muss man sich dann als Eltern vielleicht ehrlich machen und einfach mal weiterdenken. Was muss ich stemmen, um dem kleinen Menschen ein lebenswürdiges Leben zu geben? Wo sind die Hürden und wie hoch sind sie? Habe ich Unterstützung, finanzieller und menschlicher Art? Es fehlen schon jetzt Pflegekräfte an allen Ecken und Enden, die Situation dürfte sich nicht dramatisch verändern, tippe ich mal. Die Untersuchung sollte bezahlt werden, ohne Wenn und Aber, und an dem Punkt sollte man den Eltern dann die freie Entscheidung lassen, losgelöst von allen moralischen Vorstellungen, denn keiner, der ein sorgenfreies Leben führt, wird sich jemals in solche Probleme hineinversetzen können. Das wäre anmaßend, wie ich finde.