Absolut richtug, wir werden bei jeder Entscheidung die wir treffen von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die wir oft weder bewusst wahrnehmen noch steuern können. Wir Entscheiden also nicht frei in einem absoluten-naturalistischen Sinne, sondern frei im Rahmen unserer Lebensumstände, unserer erfarungen, unserer Bildung, unserer Erziehung etc. Dennoch bleiben es unsere Entscheidungen und nur wir sind dafür verantwortlich in dem Sinne, dass wir die Konseuqenzen im Positiven wie im Negativen tragen.
Ja, gut. Wir müssten uns dann darauf einigen, dass der Anspruch auf allumfassende Gerechtigkeit nicht nur haarscharf verfehlt ist; dass Gleichheit nur Gleichheit
vor dem Gesetz bedeuten kann, nicht aber Gleichheit
vor dem Spiegel; dass ein Verhalten außerhalb des gesetzlichen Rahmens dem Strafgesetzbuch entsprechend geahndet werden muss, um die Gesellschaft vor Anarchie zu schützen - ungeachtet der Tatsache, dass kein Mensch freie Entscheidungen treffen kann und daher unfähig ist, sich schuldig zu machen. Nach dem Motto: Es geht eben nicht besser.
Aber auch darauf, dass Lars' Moral-Nummer, die auf persönliche Schuld und das berühmte "Er hätte ja xyz tun können" abstellt, ebenfalls verfehlt ist. Interessant ist ja gerade, dass Lars durchaus zwischen selbstverschuldet und unverschuldet (Krankheit, Behinderung) trennt; die grundsätzliche "Behinderung", der alle Menschen unterworfen sind, sieht er aber nicht. Weil sie äußerlich auch nicht zu sehen ist. Und weil er es selber im Leben gut getroffen hat. Und weil die Erkenntnis, dass Menschen nicht einfach beliebige Dinge tun können, losgelöst von inneren und äußeren Faktoren, eine äußerst unfrohe Botschaft ist. Lars sieht darin "Fatalismus", viele andere wohl auch, weshalb die FDP mit ihrem reichlich naivem Verständnis von "Individualismus" auf Modern-Talking-Niveau ("You can win, if you want") es im Anschluss an eine komplett gescheiterte Realitätsprüfung immer wieder auf 10-15 Prozent schafft. Das Märchen ist zu schön, um es aufzugeben.
Eine Gesellschaft, die nicht berücksichtigt, dass sie aus biologisch streng limitierten Mitgliedern besteht, und wo die Gewinner über die Verlierer moralisch richten und ihr Mütchen an ihnen kühlen, hat auf Dauer keine Chance auf ihr Fortbestehen. In letzter Zeit gab es ja immer wieder "Werte"-Debatten, aber ein elementarer "Wert" fehlte immer: Wir haben uns gegenseitig nichts zu vergeben, es steht uns nicht zu.