Krill schrieb:
Saugkraft: Ratschläge wie "mehr vor der eigenen Tür kehren und sich ab und zu mal nicht so wichtig nehmen" sind so allgemein wie richtig und klingen immer gut, in jeder Diskussion zu jeder Zeit. Der Ratgeber stellt sich damit über die anderen und demonstriert seine überlegene Draufsicht, während die anderen in sich scheinbar heillos in Diskussionen verstricken.
Aber wenn es um konkrete und durchaus wichtige Fragestellungen geht wie "Ist unsere Steuergesetzgebung gerecht?" oder "Wieviel können wie Langzeitarbeitslosen zumuten?", helfen solche Ratschläge nicht ein Stückchen weiter.
Ich stell mich da keinesfalls über die anderen. Dann wäre der Rat als solches ja ad absurdum geführt.
Gegen die Fragestellungen also solches ist auch nichts zu sagen. Auch nicht, dass sie diskutiert werden. Der etwas kritischere Blick für die eigene Tür und damit das eigene Umfeld würde einem allerdings manchmal vor Augen führen, wie wenig jeder einzelne in unserer Gesellschaft in der Lage ist, sozial und gerecht zu seinem direkten Umfeld zu sein.
Wann habt Ihr das letzte Mal jemanden an der Supermarktkasse vorgelassen und hattet trotz hartem Arbeitstag noch ein Lächeln für die Kassiererin übrig? Erst gestern? Gut. Dann trifft der Rat auf euch nicht zu. Aber schaut euch doch mal um. Viele - von mir aus sind die Anwesenden dabei ausgenommen - beweisen diese Sozialkompetenz eben nicht im Alltag, werden aber doch nicht müde, große "Stammtischpolitik" zu machen und wissen genau, was Deutschland aus der "Krise" helfen würde.
Ich glaube kaum, dass ich von hier auch nur annähernd beurteilen kann, wer sich von euch den Schuh anziehen muss. Das muss jeder selbst wissen. Nichtsdestoweniger gehe ich auf die Straße und erlebe ständig eben diese Diskrepanz zwischen Reden und Handeln.
Und was die gerechte Steuergesetzgebung angeht? Wer beurteilt, was gerecht ist? Und was ist der Maßstab für Gerechtigkeit? Ich halte Gerechtigkeit für einen recht subjektiven Begriff. Vielleicht findet man Gerechtigkeit, in dem man einen Standard festlegt, nach dem jeder ein Mindestmaß an Mitteln zur Verfügung hat und die Gesetzgebung dann sinnvoll gestaltet, in dem z.B. Verfahren vereinfacht und durchschaubar gemacht werden.
Ich glaube kaum, dass ich beurteilen kann, was für wen gerecht ist. Es gibt immer einen Interessenskonflikt zwischen Armen und Reichen. Will sagen.. was für den einen gerecht ist, empfindet der andere u.U. als ungerecht.
Was ICH tun kann ist: tagtäglich im Leben das "Richtige" tun, nach sozialen, menschlichen, moralischen und anderen Richtlinien. Täte das jeder,(zugegeben eine utopische Vorstellung) und würde jeder - wie du schreibst - nach einer Art kategorischem Imperativ leben, wäre in der Tat vieles besser und wir bräuchten weniger Steuerung auf Staatsebene.
Aber genau das ist doch der Punkt. Warum tun wir es nicht einfach, anstatt große Reden zu schwingen, wie wir unsere Gesellschaft regeln und steuern können?
Flo: Klar, Meinungsbildung ist wichtig. Ich stell die Meinungsbildung als solches ja gar nicht in Frage. Ist doch ne prima Sache, über Politik zu reden. Aber meine Meinung ist, dass ein leichtfertiges Umherwerfen mit großen Worten genauso weit bringt wie polemische Äußerungen darüber, was passieren würde, wenn alle nach meiner Einstellung leben würden.