...hier wie angekündigt ein Erfahrungsbericht zum Nexus 7, in meinem Fall die 32 GB Version mit Mobilfunk (aber noch ohne Karte). Meine Erfahrungen sind noch sehr “frisch” (habe das Gerät ja erst seit gestern), jetzt fallen mir noch Unterschiede auf, die ich später wohl gar nicht mehr Wahrnemen werde. Insofern ist der Text vielleicht für potenzielle Plattformwechsler ganz interessant – auch wenn er etwas länger als beabsichtigt geworden ist.
Zu den Vergleichsgrundlagen: Seit mehreren Jahren benutze ich iPhones (3GS und 4) sowie iPads (2 und 3). Erfahrungen mit dem iPad Mini habe ich nicht.
1. Lieferzeit: Exakt 24 Stunden, bestellt auf der Webseite vom Google-Play Store. Lieferung per DHL.
2. Verarbeitung: Einwandfrei. Das Gerät besitzt eine griffige, an Hartgummi erinnernde schwarz-braune Kunststoffrückseite, die ich persönlich angenehmer finde als das kalte und glatte Alu des iPads. Es knarzt nichts, es gibt keine Spalte, alles bestens.
3. Handhabung: Die Grösse entspricht etwa einem halbierten iPad3, die Dicke ist etwa gleich. Durch das geringere Gewicht und die griffigere Rückseite lässt es sich leicht in einer Hand halten. Mit meiner etwas grösseren Hand kann ich das Gerät gerade so umgreifen, mit dem iPad Mini wäre das vermutlich nicht möglich, da es 15 mm breiter ist. Noch etwas ungewohnt ist der fehlende Home-Button beim Einschalten (im normalen Betrieb empfinde ich das jedoch eher als angenehm, s.U.)
4. Display: Das Nexus hat 216 ppi, das Retina-Display des iPad3 264 ppi. Wenn ich einen PDF-Text bei beiden Geräten auf die gleiche Darstellungsgrösse zoome, sehe ich keine Unterschiede in der Schärfe. Das wundert mich (und lässt mich mal über eine neue Brille nachdenken), ist aber so. Das Micro-Spacing ist beim iPad bei manchen Buchstabenkombinationen etwas schöner, es sind aber wirklich nur Nuancen. Der Kontrast vom Retina-Display scheint minimal besser zu sein, allerdings muss man wirklich gründlich hinschauen und es fällt nur auf, wenn man beide Geräte mit sehr sorgsam gleich eingestellter Helligkeit direkt nebeneinander legt. Wohlgemerkt – ich vergleiche hier das Nexus sieben mit dem Retina-Desplay vom iPad3 und finde kaum Unterschiede. Ein iPad Mini dürfte da mehr Schwierigkeiten haben...
5. Speed: Beim Scrollen und PDF-Fontrendering ist das Nexus, verglichen mit dem iPad3, minimal langsamer/ruckelieger. Was beim iPad3 meist absolut flüssig läuft, hat halt hier oft (nicht immer!) ein paar kleine Ruckler. Beim Zoomen von Texten läuft die Grössenänderung auf dem iPad3 absolut flüssig, auf dem Nexus sieht die Schrift Sekundenbruchteile lang pixelig aus. Das fällt auf, schränkt aber die Benutzbarkeit meiner Meinung nach nicht ein, es sind wirklich nur Sekundenbruchteile. Wie sich das iPad Mini (als eigentlich gültiger Vergleichsmaßstab) beim Zoomen dieser Dateien schlägt, kann ich leider nicht beurteilen.
6. Android-Ergonomie: Wie gesagt, das Nexus ist mein erstes Android-Gerät überhaupt. Insofern ist es interessant, dass ich keinerlei Umgewöhnungsschwierigkeiten habe, obwohl doch einiges anders – und m.E. oft besser – gelöst ist. Am deutlichsten fällt mir auf:
- Die eingeblendeten drei Navigationsbuttons am unteren Rand sind wirklich praktisch: Home-Button wie man ihn kennt; ein Zurück-Button der sowohl innerhalb der Apps Funktionsebenen zurückspringt und aus der App schliesslich wieder herausführt und vor allem der Taskmanager: Man sieht Miniaturansichten der Apps selbst und kann diese durch seitliches Herauswischen einfach beenden. Ich fand dieses mechanische Doppel-Drücken des Home-buttons und dann das Anklicken und Warten auf die "Löschbarkeit" bei iOS schon immer nervig...
- Alle Apps haben oben rechts ein Button für deren eigenes Einstellungs-Menue. Toll. Wieso muss ich bei iOS meist erstmal die Einstellungs-App aufrufen und eine lange Liste durchscrollen bis ich den Listeneintrag der App gefunden habe, deren Einstellungen ich ändern will – um dann wieder in die eigentliche App zurück zu wechseln. Man hat sich dran gewöhnt, aber im direkten Vergleich zu Android ist es ein Krampf. Gleiches gilt für allgemeine Konnektivitäts- und Systemeinstellungen: Die hat man bei Android im Schnellzugriff, indem man einfach die oberste Iconzeile “Runterwischt”. Bei iOS wieder die nervige Einstellungsapp oder das mechanische Doppelgetippe und Rumgewische im Taskmanager, bis man bei den Lautstärke- und Bildschirmeinstellungen ist.
- Die Integration vom Webbrowser ist einfach besser. Auf iOS kenne ich Siri nicht, aber die Spracherkennung in Chrome funktioniert prächtig: Einfach im URL-Feld auf das Mikrofon-Icon klicken, die Suchbegriffe reinlabern, auf die Fundstellen klicken, fertig. Oft gibt es einen Eintrag in Maps, von dort aus kann man das Ziel mit einem Klick an die Navigations-App übergeben, fein.
- Mail funktioniert wie erwartet, das Adressbuch und der Kalender sind nicht so Prätenziös verspielt wie bei iOS. Schön auch, dass sämtliche Kontakte und Termine sofort da sind, sofern man sie sowieso bei Google hat (in meinem Fall geht es kaum anders, da ich bunt gemischt mit Macs, Windows und Linux-Systemen arbeite).
- Der Google-Play-Store funktioniert prinzipiell genau wie Apples AppStore, ich finde ihn sogar übersichtlicher. Gezahlt wird allerdings mit hinterlegten Kreditkarten-Informationen (in Google-Wallet), naja – jetzt hat Google noch mehr Daten von mir.
- Das sind nur die Sachen die mir am deutlichsten Aufgefallen sind, negative Erfahrungen mit dem System musste ich tatsächlich bisher keine machen.
7. Apps: Ich brauche das Tablet eigentlich meist als “Surfbrett”, Fernbedienung (Medienstreaming vom NAS) und vor allem als Lesegerät für PDF-Dateien, die auf dem Pad auch annotiert und wieder auf einem Server abgespeichert werden müssen – siehe unten. Für mein Synology-NAS gibt es auf beiden Systemen Apps mit den gleichen Funktionen für das Dateimanagement und Medienstreaming - sehr schön.
8. Filesystem: Die Krämpfe mit dem Sandboxing von iOS waren es letztlich, die mich Richtung Android haben schielen lassen: Ich möchte auf dem Pad einfach selbst entscheiden, woher ich meine Dateien importiere und wohin ich sie exportiere – und sie dazwischen für alle geeigneten Apps auf dem Pad zur Verfügung haben. Wenn beim Sandboxing von iOS eine App keine Import-/Exportmöglichkeit (respektive “Synchronisationsmöglichkeit”) vorsieht – pech gehabt! Beim PDF lesen und -bearbeiten hielt sich dieses Ärgernis dank der guten Synchronisationsmöglichkeiten von GoodReader noch in Grenzen, doch auch hier musste erst krampfig festgelegt, werden, welche Verzeichnisse “synchronisiert” werden sollen. Absolut nervtötend ist es m.M. aber bei einem Hauptanwendungszweck von Tablets – der Fotopräsentation: Wenn ich da erst in iTunes auf dem Mac ein “Synchronisationsverzeichnis” auswählen muss (und das bei jeder Dateiübertragung aus dem Fotoarchiv auf dem NAS neu) hörts bei mir auf – ich bin beim besten Willen nicht bereit, sowas über dreissig Jahre nach Erfindung von Drag&Drop im Filebrowser noch hinzunehmen.
Tl;dr: Erwartungen mehr als erfüllt. Wenn sich das kleinere Display nicht als zu klein zum lesen längerer Texte entpuppt, fliegt das iPad3 demnächst raus...