@ MacEnroe
Egal, was im Staatswesen geschieht – es gilt immer grundsätzlich, von den Gegebenheiten auszugehen. Idealisierte Ziele spielen keine Rolle, wenn dabei das Gemeinwohl riskiert, ja, auf dem Wege geopfert wird. Von diesen Heilsversprechungen sollte man vor allem in Europa mittlerweile geheilt sein – vor allem hinsichtlich der kriegerischen, herrschaftsgierenden Geschichte. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Betreiber des Bundesstaates Europa lediglich das Tempo forciert haben und dabei gar bereit sind, immense Opfer einzugehen. Wohl gemerkt: nicht die Entscheider leisten die Opfer – sondern die dazu unbefragten Bürger. Dies ist ein eklatanter Rechtsbruch. Historisch ist ohnedies nicht zu rechtfertigen, da Freiheitsbeschränkungen noch niemals freiwillig von Staaten-Gebilden gelockert worden sind. Dies ist bereits in den Sicherheitsdebatten der Regierenden absehbar.
Staatsbegrifflich haben wir es dot mit Herrschaftsdenken zu tun. Herrschaft ist der Gegenbegriff von Freiheit. Ein Staat ist staatsrechtlich aber ausschließlich legitimiert, wenn das Gemeinwohl solidarisch ist und die allgemeine Freiheit zum Ziel hat. Das bedeutet: wenn es nicht gelingt, Einsicht beim Bürger über einen Sachverhalt zu erwirken, dem er dann frei zustimmen kann, dann ist der Freiheitsgrundsatz gefährdet oder geopfert worden. Damit hat sich dann aber der Staat obsolet gemacht. Denn er folgt nicht mehr seinen Prinzipien und ist in der Folge nicht mehr legitim.
Nun haben wir es hier indes bereits mit einem außerordentlichen Problem zu tun: die meisten Bürger wissen nicht mehr, was ein Staat ist – welchen Prinzipien er zu folgen hat. Es muss sogar festgestellt werden, dass das Bildungssystem hier versagt hat. Die politische Aufklärung wurde nicht nur vernachlässigt, sondern die Fehlbildung wurde systematisch gefördert. Dies war planvoll und kann auch von Lehrenden der Universitäten nachvollzogen werden. Denn Schulbücher und Stundenplanung, Studienordnungen und Studienauflagen sind kein 'Unfall', sondern durchdacht eingeführt. Hier wurde die Axt an der Wurzel angesetzt – nur wurde eben nicht der Baum der Unwissenheit, sondern der aufgeklärte Wissensbaum gefällt. Mit tragischen Folgen für desinformierte Bürger, die zu stumpfen Steuerzahlern, Konsumenten, Sozial-Leistungs-Empfängern usw. degradiert worden sind. Darum vorneweg eine kurze Richtigstellung.
Staatsrechtler müssen beispielsweise attestieren – und das überrascht meist ungebildete Zuhörer wie noch StudentInnen, wenn sie ihr Studium zumindest gerade erst aufgenommen haben –, dass die BRD z.B. grundlegend keine Demokratie und nur theoretisch, aber nicht im politischen Vollzug, ein Rechtsstaat ist.
Die BRD kann im freundlichsten Fall noch als parlamentarischer Staat mit demokratischen Prinzipien bezeichnet werden, die indes grundlegend unwirksam geworden sind. In der derzeitigen Ausprägung ist er indes zu einem Parteien-Staat verkommen, der nicht einmal im populären Sinne demokratische Prinzipien vertritt. Es gibt universitäre Staatsrechtler, die bereits von einer Parteien-Oligarchie reden; also einem System, dass eine Kaste von ausgesiebten Berufs-Politikern hervorbringt, die niemals die Geeigneten sein können, sondern die lediglich partikulären Interessen Zugeneigten. Richtiger wäre also vielleicht eher von der Bundes-Parteien-Oligarchie-Deutschland (BPOD statt BRD) zu sprechen. Denn die BRD hat im praktisch politischen Vollzug den Boden der 'Republik' hinter sich gelassen. Dies ist tragisch und schicksalhaft.
Man könnte meinen, dies sei polemisch. Wer sich aber allein schon mit dem Begriff der 'Republik' auseinandersetzt, wird schnell feststellen müssen, dass dies in keiner Weise polemisch, sondern bestürzende Realität ist.
Nun sollte man sich aber in keiner Weise damit begnügen, sich mal eben so auf die Wikipedia zu verlinken, um sich mit den Begriffen von Staat und Republik zu beschäftigen. Die Beiträge dort sind gelinde gesagt un-wissenschaftlich, nahezu irreführend, da grundlegende Aspekte komplett ausgeblendet werden. Denn die Verfasser unseres Grundgesetztes hatten noch im gebildeten Rahmen staattheoretisch Absichten, die im idealsten Sinne von Kant, Rousseau, Popper u.a. überspannte.
Die wesentlichen, unabdingbar zusammengehörenden Schlagworte der Republik sind im Übrigen 'Freiheit', 'Recht' und 'Staat'.
Wesentlich für die Republik ist dabei, dass sie eine Staatsform der 'Allgemeinen Freiheit' ist und nur diese zum Ziel haben kann.
Der republikanische Staat (egal, ob es jetzt die BRD oder die EU wäre) dient der Verwirklichung der Freiheit – und nicht ihrer Vermeidung. Dazu bedarf es unerlässlich des 'Rechts'. Es gibt kein Recht ohne Staat. Der Staat ist dabei die Einrichtung der Bürger zur Verwirklichung des gemeinsamen Wohls. Er ist also quasi die Organisation, unter der sich die Bürger versammeln, um das gemeinsame Wohl umzusetzen. Die dafür geschaffenen Organe sind also zu nichts anderem zuständig, als dem Bürger, dem Souverän, zu dienen – ihm größtmögliche Freiheit bei solidarischem Ausgleich des Wohlstandes und geringst möglicher Regulierung zu organisieren.
Man sollte aufmerken, wenn man festzustellen hat, dass hier bereits die EU – wie auch schon die BRD – versagt hat. Sie sind zu Reglementierungs-Apparaten verkommen mit Organen, die anhaltend damit beschäftigt sind, Freiheitsrechte einzuschränken und partikuläre Interessen zu berücksichtigen. Dies hängt eng mit dem Parteien-System zusammen, das seit Jahren bereits (wie übrigens das Wahlrecht, dass lt. Verfassungsgericht verfassungswidrig ist) tief greifend reformbedürftig ist.
Spätestens hier hat man als Bürger aber bereits einen Aspekt zur Hand, mit dem sich überprüfen lässt, ob ein Staat und seine Organe legitim ist bzw. aufgeklärter Rechstaatlichkeit im Sinne einer demokratischen Republik entspricht.
Dient der Staat dem gemeinsamen Wohl? Sind von der Gemeinsamkeit Menschen oder Gruppen ausgeschlossen? Dient der Staat lediglich dem Wohl Weniger zu Lasten Vieler? Dient er partikulären oder allgemeinen Interessen? Ist der Zugang zum gemeinsamen Wohl umgesetzt? Dient der Staat der Umsetzung der Freiheit – oder dient er der Umsetzung von Herrschaft, und ist 'Freiheit' lediglich Willkür Weniger zur Einschränkung der Freiheit Weniger oder Vieler?
Herrschaft ist immer der Gegenbegriff von Freiheit. Demokratie heißt aber nicht Herrschaft, sondern Verwirklichung der allgemeinen Freiheit. In einem aufgeklärten Rechtstaat wird und muss allein dieser Aspekt verwirklicht werden – oder er ist keiner oder nur das Zerrbild eines Rechtsstaates. Die EU ist hier nicht auf dem Weg zu einem Rechtsstaat, sondern zeigt bereits empfindliche Schwächen in ihrer Konstitution wie ihrer Ausformung. Dies wird nicht umsonst von der natürlichen Vernunft der Bürger auch so wahrgenommen.
Ich möchte jetzt nicht ausufernd Staatstheorie erklären. Es wurde dazu u.a. bereits ein Kollege benannt, der außerordentliche Reputation genießt, während er zugleich in widersinnigster diffamiert wurde, seitdem er seinem Beruf gemäß differenziert Stellung zu staatsrechtlichen Problemen der EU-Konstitution vorträgt: Prof. Dr. Schachtschneider.
Es ist unbedingt anzuraten, Schriften (die u.a. auf seiner Webseite downloadbar sind) zu lesen und Vorträge anzuhören. Man muss nicht seinen Schlüssen bzgl. der EU zustimmen. Seine Ausführungen zum Staatswesen sind indes die klarsten, ja, mit brilliantesten, die man in Deutschland zur Verfügung hat. Es gibt nur einen einzigen Grund, warum dieser Mann nicht Verfassungsrichter geworden ist: er ist un-parteilich und unkorrumpiert – er ist also im besten Sinne frei. Genau dies ermöglicht ihm auch, den bereits vielfach kritisierten Umgang mit Gruppierungen jeglicher politischer Couleur. Denn er grenzt nicht aus und lässt sich nicht ausgrenzen, weil dies bürgerlichen Prinzipien zuwider läuft. Dialog und Diskurs sind unerlässlich – auch mit bürgerlichen Bewegungen, die einem unlieb oder gar gefährlich erscheinen. Prof. Dr. Schachtschneider wird also ausgerechnet bzgl. Aspekte seiner Arbeit kritisiert, wie sie nur von außerordentlich vorurteilsbehafteten, häufig immens ungebildeten oder dem Staatswesen abträglichen Seiten geäußert wird.
Übrigens: die Frustration bzgl. Deiner Parteien-Erfahrung ist absolut nachvollziehbar. Deine Eindrücke halte ich für richtig formuliert. Du hast die Erfahrung gemacht, dass unser Parteien-System nicht den prinzipientreuen Politiker hervorbringt und befördert, sondern den opportunistischen, egoistischen Interessenvertreter. Eine Hauptschwäche unseres Parteiensystems wie des Parlamentarismusses in der BRD – wie vor allem aber auch in der EU, die aus keiner anderen Interessenlage heraus gebildet worden ist, als diesen Missstand noch zu verfestigen.