sgmelin schrieb:
Auch wenn Linux als die Eierlegende Wollwilchsau verkauft wird, es ist keine.
Das ist der Punkt. Doch - ist es.
Als OpenSource-Technologie ist es eben anpassbar.
Das mag in dem Augenblick belanglos sein, wo der Heimanwender seinen eigenen Kernel baut und, um sich das alles schmaler zu machen, den ganzen ISDN- oder Packet Radio Kram einfach deaktiviert. Geschenk. Hat Spaßfaktor, sonst nix.
Die Eierlegende Wollmilchsau kann man sich aber eben aus Linux bauen, weil es freie Software ist. Aus diesem Grund fliegt Linux in Wetterballons mit, läuft auf Handys oder treibt den Webserver. Es gibt eben nicht DAS Linux, sondern viele Linuxe. Closed Source Software muss das erstmal wettmachen, indem es irgendwelche Home-, Server- und Dritte-Welt-Editions gibt.
Teilweise liegt das bisher nur im Bereich des Potentials, nicht der Realität. Solange man sich unter Linux mit GIMP zufrieden gibt, ist ein Linux-Rechner keine Grafikmaschine. Klar. Geschenkt.
Man darf in dem Zusammenhang aber nicht übersehen, welche enorme Potential*einschränkung* sich mit Closed Source Software verbindet. Einfach aus der Tatsache heraus, das Software closed ist, ergeben sich in meinem Job deutlich mehr Ärgernisse als aus normalen Bugs und Pannen.
Kleines Beispiel: Wir verwenden Mac Rechner und die Adobe Creative Suite. In Indesign erstellen wir Druckmaterialien, wir machen damit aber auch unsere Präsentationen, mit denen wir uns um neue Jobs bewerben. Dazu gehört, dass wir uns Quicktime-Movies rendern lassen, diese in Indesign plazieren und als Multimedia-PDF exportieren. Zum einen kann man damit sehr gut präsentieren, zum andern kann man diese Präsentation auch dem Kunden schicken, der sie sich unter den gängigen OSsen mit dem kostenlosen Acrobat Reader angucken kann, desweiteren ist die Darstellungsqualität deutlich besser als PowerPoint und Co, und nicht zuletzt sparen wir 30 Lizenzen für ein Präseprogramm, weil es mit einer Software geht, die wir ohnehin haben.
Vor etwa eineinhalb Jahr erschien QuickTime 7. Nachdem die ersten Rechner per Softwareupdate upgedatet waren, war das Geschrei groß - InDesign konnte keine Filme mehr plazieren. Also wurden die Kisten auf Quicktime 6 downgegradet.
Seitdem haben sich über ein Jahr lang weder Apple noch Adobe bemüssigt, dieses Problem zu fixen. Ein Feature, das auf der Verpackung angeprisen wurde, funktioniert nicht mehr - und keine Sau interessiert sich dafür. Über ein Jahr.
Inzwischen erschien Tiger. Eigentlich würden wir Tiger gerne benutzen, haben auch schon die Lizenzen gekauft - aber Tiger enthält Quicktime 7. Aber Quicktime 7 können wir ja nicht verwenden.
Das Adobe-Forum ist voller Geschrei. Dienstleister verlieren Kunden, weil sie die erwünschte Leistung nicht erbringen können. Andere fahren Lizenzrechtlich und Praktisch fragwürdige Dualboot-Kombinationen mit altem und neuem System, um jeweils die Hälfte der Arbeit erledigen zu können.
Nach über einem Jahr hat sich Apple dann mal dazu herabgelassen, ein Eckchen von Quicktime upzudaten. Adobe hat dann, wiederum etliche Monate später, dazu herabgelassen, wenigstens den Acrobat soweit upzudaten, dass man in Indesign leere Seiten lassen kann und im Acrobat Movies plazieren (An dieser Stelle der Hinweis, dass sich dazu a) Designer durch Scripting-Event-Menüs durchklicken müssen und b) keineswegs jeder Käufer von Indesign auch unbedingt den Acrobat in der Pro-Version hat).
Erst vor einigen Tagen kam dann endlich, nach weit über einem Jahr, der Fix für Indesign. Und auch der funktioniert nur, wenn man Quicktime-Pro-User ist und Quicktime 7.0-Filme nochmal umsichern kann als 7.05. Warum auch immer.
Fazit: Diverse Abhängigkeiten sorgten dafür, dass Software für 30.000 Euro ein Jahr im Schrank rumstand.
Kuriosität: Wenn man sich Adobes Supportdatenbank durchliest, stellt man fest, dass man für einige Produkte unbedingt auf 10.4 updaten MUSS, während man für andere unbedingt auf 10.3 bleiben MUSS.
Ich könnte jetzt weiter fortfahren. Mit Geschichten, dass auf dem Windows-PC meiner Freundin ungefähr 40% der LEGAL GEKAUFTEN Spiele nicht laufen, weil Kopierschutze Amok laufen, ein bestimmtes DVD-Modell nicht mögen oder verlangen, dass man seine Brennsoftware deaktiviert.
Warum werden die Bugs in Office 2000 nicht gefixt? Ich brauche kein Office 2004. Ich soll nur Briefe schreiben. Ich hab das Teil bezahlt!
Und so weiter. Und so fort.
Ich kann es auch kürzer fassen: Als legaler Käufer von Closed Source Software wird man in letzter Zeit in einem Maße gefickt, für die ein normaler Mensch schon im Knast sässe, aber die Global Players dürfen dass. Der größte Bug in meinem Job sind die Lizenzbedingungen, nach denen sowas hinzunehmen ist.
Genau sowas wird immer schlimmer. Und das ist der ganz große Trumpf von OpenSource Software.
Closed Source hat nur Nachteile. Früher oder später wird man damit auf die Fresse fallen. Weil der Hersteller alle Hebel in der Hand hält. Und der will die neue Version verkaufen, möglichst wenig Servicekosten haben, und sonst nix.
Gruß,
Ratti