Ich bin Westler aus dem direkten Grenzgebiet und war 1989 schon Anfang 20! Die DDR war, obwohl ich einmal im Jahr "drüben" war, weit weg. Der Grenzzaum wurde jedem Besuch als Schandmal gezeigt, vor allem dem ausländischen Besuch! Eine Fahrt in die DDR oder wieder heraus war wie der Besuch in einem Hochsicherheitsgefängnis. Wuße man nicht wie das eigene Auto zerlegt wird, lernte man es spätestens an der Grenze!
Mit dem Abtreten von Honecker keimte erstmals Hoffnung auf. Leider konnte Krenz der damals nicht gerecht werden, um Krenz gerecht zu sein: mehr ging damals wohl auch nicht. Die aufkeimenden Proteste Ost lösten einerseits Freude auf, wollte man doch die Bekannten auch mal gern in Westdeutschland einladen. Andererseits war da stets die Angst das alles eskaliert. In diesem Spannungsbogen bewegte sich damals JEDE Woche. Diese Woche war also keine Ungewöhnliche in der sich etwa abzeichnete das großes passieren könne. Es war einfach eine weitere Woche zwischen Hoffnung und Bangen.
Nun will es der Zufall das ich am 10ten Geburtstag habe und wir im kleinen Kreis reingefeiert haben. Dies aber sehr ausführlich
. Somit haben wir ohne Nachrichten oder Fernsehen den ganzen Abend und die halbe Nacht verbracht und NICHTS davon mitbekommen was an der Grenze geschah (Im Zeitalter der Smartphones undenkbar). Am 10ten wachte ich mit gehörigem Schädel recht spät auf. Mir fiel ein das ich noch für das abendliche Essen mit Freunden einkaufen mußte. Über den ersten Trabbi und Wartburg hatte ich mich nicht gewundert. So etwas kam vor im Grenzgebiet ( ein paar ältere durften ja reisen). Die schiere Zahl der wild parkenden Trabbis machten mir jedoch klar das irgendwas passiert sein mußte, etwas Grundlegendes. Ich bin ins Auto und hab gegen Mittag des 10ten quasi die ersten Nachrichten gehört und konnte es kaum glauben. In der Stadt und in den Läden war dann die riesen Party los - auch Tage danach ist man auf Bundes- und Ladesstraße noch hupend und winkend durch die Gegend gefahren. Eine große Euphorie kam auf, die dann leider durch viele Fehlentscheidungen, falsche Erwartungen und fragwürdiger Abwickelung(Treuhand) stark gedämpft wurde.
Trotzdem das euphorische Gefühl dieser Tage und der Anblick einer ganzen feiernden Republik, das bleibt. Auch die plötzlich sehr freundlichen ( und eigentlich auch erleichterten Grenzer) bei Überfahrten vor der Grenzentfernung sind ein irreales Bild.
Ich war dann ein paar mal als Hilfskraft mit "drüben" bei Veranstaltugnen wo Handerker und Selbstständige gewarnt wurden was auf sie zukommt wenn die einheitliche Währung kommt und die Grenze verschwindet. Die Leute sollten halt vor den Bauernfängern gewarnt werden. Dabei hatte ich schnell ein gutes Bild von dem Aufwand der für eine Sanierung nur der Straßen und Ortskerne nötig würde. Um so erschrockener war ich als ich die unsinnigen Zahlen von Kohl und Waigl dazu hörte. Man hatte in Ost und West von Anfang an falsche Erwartungen geweckt statt darauf hinzuweisen das jetzt ein Generationenprojekt der Renovierung und des Zusammenwachsens anstünde. Gerade daraus sind viele falsche Erwartungen entstanden.
Ich hatte aber auch spannende Einblicke dadurch, so fand eine Veranstaltung an einer alten Stasi-Hochschule bei Schwerin statt. Die Hochschule war besser ausgestattet als mein UNI zu Haus damals und in der Verwaltung saßen natürlich noch die alten Betonköpfe die jetzt quasi den Klassenfeind hereinlassen mußten und die zusehen mußten wie freidenkende Bürger auch noch mitten in deren Hörsälen auf den Kapitalismus vorbereitet wurden. Das hatte durchaus etwas Komisches und auch das werde ich nie vergessen.