Wie habt ihr den mauerfall erlebt?

punkreas

punkreas

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Tach,

vor 25 jahren hatten die DDR-bürger ihre ziele friedlich erreicht: mauerfall und reisefreiheit. Meine frage geht vor allem an die älteren hier, weil ich das noch nicht bewusst miterleben konnte. Wie war das damals? Was habt ihr gedacht und gefühlt? Sagt bitte dazu, ob ihr damals im osten oder westen wart.

Was habt ihr erwartet, was hat sich erfüllt, was nicht? Was hat euch enttäuscht?

Und eine persönliche frage nach ostdeutschland: Ihr habt so sehr für euer wahlrecht gekämpft danke! Bei den gerade vergangenen landtagswahlen war die wahlbeteiligung unfassbar gering. Warum?

Es werden bestimmt noch viel mehr fragen auftauchen. Danke für eure antworten und gedanken!

punkreas
 
Die Monate vorher gab es die Meldungen von Flüchtlingen über Ungarn, Österreich.
Dann die Geschichte in der ungarischen Botschaft und dem Zug, der nochmal zurück
über DDR Gebiet musste. Jeder dachte wohl, das geht schief.

Umso erstaunlicher war es dann, als im TV die Bilder aus Berlin kamen. Ich konnte es
im ersten Moment nicht glauben, war schon echt aufregend. Dann hatte ich das Gefühl,
jetzt kann alles gut werden. Nicht nur in Deutschland, sondern überall ist alles möglich.
Alle waren euphorisch in meiner Umgebung und ich kenne niemanden, der es den Leuten
nicht gegönnt hätte, auch wenn sofort klar war, dass es „uns“ etwas kosten wird.

25 Jahre soll das her sein? War doch erst gestern ;)
 
Damals haben wir geweint. Heute wissen wir warum.
 
Damals haben wir geweint. Heute wissen wir warum.

Ich hatte mir sogar mit knapp 40°C Fieber die halbe Seele aus dem Leib gereihert.
An dem Abend kam die Mauer weg und mir 'ne profunde Magen-Darm-Grippe ihren Höhepunkt.
Ergo ging mir der Mauerfall wortwörtlich am Popes vorbei.
 
Wie habt ihr den mauerfall erlebt?
Damals war ich in der Spätpubertät und hatte mein erstes Auto. Wahrscheinlich lag ich auf einer Tante mit dicken, äh, Pullis.

Ehrlich gesagt, hab ich vom 9. November fast gar nichts mitbekommen. Klar. Fernseher. Nachrichten. Aber hat mich das interessiert? Ging so.

25 Jahre später hat der Mauerfall eine ganz andere Bedeutung für mich, weil ich mir mittlerweile auch mal die "Mühe" gemacht habe, die deutsche Geschichte zu verstehen. Ich war kürzlich auch gerade mal wieder in Berlin und hab eine Führung bei den Berliner Unterwelten mitgemacht. Sehr interessant und ein Stück weit bewegend.

Was mich enttäuscht hat? Dass ich in meiner jugendlichen Naivität wusste, dass Lafontaine mit seiner Aussage recht hatte, dass eine Finanzierung der Einheit ohne Steuererhöhungen nicht möglich ist und die blöden Deutschen den fetten Kohl gewählt haben, weil er zwischen zweimal Saumagen fressen versprochen hat, die Steuern nicht zu erhöhen.

Die Steuern waren mir wumpe. Nur die Blödheit des deutschen Michels konnte ich nicht ertragen.
 
Ich hab zwar keine Verwandten da drüben. Aber ich war schon immer im Bilde,
was da so abgeht, jede Fluchtgeschichte hat mich interessiert, am meisten die
der beiden Windsurfer, die hatte ich im Surf-Magazin gelesen, '85 oder sowas...
 
Ich war damals zwölf Jahre alt und auf Klassenfahrt. (Norderney - so einige dürften das Schülerheim da kennen :crack:) Für uns Schüler war das verordnete Anschauen der Fernsehübertragung zum Mauerfall eine reine Pflichtveranstaltung und wir waren froh, dass wir danach wieder auf unsere Zimmer gehen konnten. Man war sich in dem Alter der Tragweite dieses Geschehens nicht wirklich bewusst und hatte einfach andere Sachen im Kopf. Bis ungefähr 25 war ich unpolitisch, danach fing ich an, mich für alles inklusive Politik zu interessieren. ( Ein einschneidendes Erlebnis hat mich in jungen Jahren stark verändert)
 
Mich hatte ein vorausgehendes Ereignis mehr fasziniert: Als im Fernsehen gezeigt wurde, wie an der ungarisch-österreichischen Grenze durch eine Lücke im Zaun DDRler über die Grenze liefen und niemand sie aufhielt.

Da fühlte ich förmlich, dass etwas Bedeutendes geschah. Der Mauerfall ging dann irgendwie unter - allerdings war ich zu diesem Zeitraum auch nicht in Deutschland.

Die Zustände in der Prager Botschaft hatte ich jedoch zuvor interessiert verfolgt sowie die Zugfahrt der dann "in die Freiheit Entlassenen".
 
ich kam zurück nach Deutschland und die Mauer war wohl weg.
 
Ehrlich gesagt, hab ich vom 9. November fast gar nichts mitbekommen. Klar. Fernseher. Nachrichten. Aber hat mich das interessiert? Ging so.

25 Jahre später hat der Mauerfall eine ganz andere Bedeutung für mich, weil ich mir mittlerweile auch mal die "Mühe" gemacht habe, die deutsche Geschichte zu verstehen. Ich war kürzlich auch gerade mal wieder in Berlin und hab eine Führung bei den Berliner Unterwelten mitgemacht. Sehr interessant und ein Stück weit bewegend.

Was mich enttäuscht hat? Dass ich in meiner jugendlichen Naivität wusste, dass Lafontaine mit seiner Aussage recht hatte, dass eine Finanzierung der Einheit ohne Steuererhöhungen nicht möglich ist und die blöden Deutschen den fetten Kohl gewählt haben, weil er zwischen zweimal Saumagen fressen versprochen hat, die Steuern nicht zu erhöhen.

Die Steuern waren mir wumpe. Nur die Blödheit des deutschen Michels konnte ich nicht ertragen.

So in etwa ging es mir auch.
Ich hatte keine Verwandten oder Freunde "drüben", also war ich davon nicht persönlich betroffen.

Bald schon strömten viele "DDRler" nach Bayern und wurden Kollegen. Die waren das nicht gewohnt, wie man hier arbeiten musste.
Da gab es Fälle von:
- Mitarbeiter eines Messebaus wollte heimgehen, als die Schachtel Schrauben leer war
- Familien waren entsetzt, dass die Ehefrau nicht (mit-)arbeiten konnte, weil es keine Kita-Plätze für die beiden Kids gab.
- Eine Frau wollte während der Arbeitszeit mal einkaufen gehen und dachte, das ginge bei uns auch.
 
Ich war zu der Zeit gerade im fetten Westen damit beschäftigt, fürs Abi zu lernen.

Drei Monate vorher waren wir noch auf Klassenfahrt in Plau am See und haben nichts, aber auch keine Hinweise auf den bevorstehenden Mauerfall bemerkt. Klar gab es Demonstrationen, aber da wir nur einmal kurz in Rostock (da roch es nach Braunkohle) und Schwerin (ich habe in einer Buchhhandlung eine komplette Sammlung Eichendorff für einen Spottpreis erstanden) waren und uns sonst eher im ländlichen Gebiet aufgehalten haben, drang es im DDR-Alltag einfach nicht zu uns durch. (Außerdem hatte ich sowieso nur Augen für Barbara...)

Den Mauerfall selbst habe ich leider nur im Fernsehen erlebt. Heute beiße ich mir in der Hintern, daß ich nicht sofort in den Zug gestiegen bin und mir die Sache persönlich angesehen habe. Mangels verwandten in der damaligen DDR blieb es für mich und meine Familie ein eher abstraktes Ereignis, obwohl wir alle genau gespürt haben, welche Tragweite das für die BRD haben würde.

[...]Was mich enttäuscht hat? Dass ich in meiner jugendlichen Naivität wusste, dass Lafontaine mit seiner Aussage recht hatte, dass eine Finanzierung der Einheit ohne Steuererhöhungen nicht möglich ist und die blöden Deutschen den fetten Kohl gewählt haben, weil er zwischen zweimal Saumagen fressen versprochen hat, die Steuern nicht zu erhöhen.

Die Steuern waren mir wumpe. Nur die Blödheit des deutschen Michels konnte ich nicht ertragen.
:upten: Auch damals schon habe ich Lafontaine für eine rhetorisch herausragende Luftpumpe gehalten. Aber da hat er ein einziges Mal zu 100% und vollkommen und für jedermann, der einen Taschenrechner bedienen kann klar ersichtlich recht. Er spricht es aus und was passiert? Die Bundesbirne antwortet mit eine Batterie von Lügen und wird dafür auch noch mit Wiederwahl belohnt!

Gott, was hab ich gekotzt!

Das hat sich auch nicht geändert, als Frau Breuel den Ausverkauf der Reste der DDR an westdeutsche Kapitalanleger durchgezogen hat.

Der "Moment" der Wiedervereinigung war ein schöner, die Zeit danach eine einzige Ernüchterung.
 
Ich war noch recht klein zu dem Zeitpunkt und hatte ausser Lego noch wenig im Kopf. Aber ich weiß noch dass alle um mich herum sich auf einmal um den Fernseher versammelten, irgendwas anguckten und dabei irgendwas größeres passiert sein musste, weil alle ergriffen waren und manchen sogar die Tränen kamen. Begreifen konnte ich das damals noch nicht. Wenn man einem Kind sagt "die Mauer ist endlich weg", dann nimmt man das eben so zur Kenntnis wie wenn beim Nachbarn endlich die blöde Mauer eingerissen wird die einen schon immer am Spielen gehindert hat, mehr aber auch nicht. Erst im Lauf der nächsten Tage, Wochen und Jahre habe ich so langsam verstanden um was es dabei ging.
 
Als am 30.September 1989 die folgende Sequenz (ab 1:50 min)* in den Fernsehnachrichten zu sehen war, hab' ich 'ne "Gänsehaut" bekommen und gedacht: Das wird in den jährlichen Jahresrückblicken wohl die Top-Nachricht sein ...

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Am Abend des 9. November hab' ich im Fernsehen ein Fußballspiel und während der Halbzeitpause auch die Nachrichten geschaut.
Zu diese Zeitpunkt gab's noch nicht viele Einzelheiten - aber dann kam " ... und nun schalten wir zur Bornholmer Straße ...
Der Reporter war Robin Lautenbach (damals SFB, heute RBB),der schilderte, wie die ersten Menschen aus dem Ostteil kamen ...

Ich geb's gerne zu: Ich hab' zwar nicht geweint, aber nasse Augen hatte ich schon ...

Ich bin sofort in's Schlafzimmer, um meine Frau(damals noch Lebensgefährtin) zu wecken.

Das Fußballspiel interessierte mich nun gar nicht mehr ...
Kurz, ich wollte den historischen Augenblick nutzen und hab' mich auf den Weg gemacht.

Da ich recht zentral wohne, waren für mich die nächstgelegen Grenzübergangsstellen die Invalidenstraße und der "Checkpoint Charlie".
Bis zur Grenzkontrollstelle Invalidenstraße bin ich gar nicht gekommen, so viele Menschen aus Ost und West waren schon unterwegs.

Also ab zur Friedrichstraße ...

Hier fand ich noch einen halbwegs brauchbaren Parkplatz ;) und sogar noch ein Plätzchen auf der Holzplattform, die zum "Rüber gucken" errichtet worden war.
Die Grenze war hier noch nicht geöffnet; aber hinter den Absperrgittern auf der östlichen Seiten wartete schon eine riesige Menschenmenge darauf, daß die Vopos endlich die Grenze öffneten ...

Ich kann heute nicht mehr sagen, wie lange es gedauert hat - ich bin dann irgendwann wieder nach Hause gefahren und hab' mich im Stillen gefreut ...

Eine Nacht später(Freitag zu Samstag) bin ich dann zur Bernauer Straße gefahren und habe dort erlebt, wie die ersten Mauerteile entfernt wurden.
Am folgenden Sonntag wurde ein neuer Übergang am Potsdamer Platz geschaffen.

Und ganz dicht am Geschehen war ich, als kurz vor Weihnachten die Mauer am Brandenburger Tor abgerissen wurde ...
(Ich hab' mich durch die Absperrungen "gemogelt", die für die zahlreichen Reporter-Teams errichtet wurden)

So konnte ich die einzelnen Mauerteile, die mittels Bagger/Kran abgetragen wurden, beinahe anfassen ...
Im Fernsehen gab's damals 'ne Szene, in der sich ein Ost- und ein West-Berliner Polizist die Hände reichen - und unmittelbar dahinter stand ich ...

Tja, was soll ich sagen . mich freut's heute noch, daß die "Scheißmauer" endlich weg ist ...

*Die "Gänsehaut" bekomme ich auch heute noch ...
 
Ich kann mich noch sehr gut erinnern, obwohl ich zum Zeitpunkt des Mauerfalls erst 5 Jahre alt war. Später habe ich erfahren, das meine Familie (mit Verwandten in Magdeburg) für Mitte November ein Visum beantragt und auch bewilligt bekommen hatte um die Verwandten mal wieder zu besuchen. Ich war bis zu dem Zeitpunkt als kleines Kind vielleicht drei, vier Mal in der DDR. Da die Mauer nun auf und die Ausreise möglich war, haben meine Verwandten sich überlegt, dass sie uns sofort besuchen und nicht wir erst einigen Tagen zu ihnen kommen sollten.

Also haben sie sich direkt als die Möglichkeit bestand am 10. November in ihr Auto gesetzt und standen am Samstagmorgen in den frühen Morgenstunden bei uns vor der Haustür. Ich kann mich so gut dran erinnern, weil ich im Wohnzimmer saß, ferngesehen habe (früher haben meine Schwester und ich oft den Samstagmorgen genutzt extra früh aufzustehen um das im Fernsehen zu gucken was die Eltern nicht so gut fanden ;)) und es klingelte. Die Verwandten standen mit ihrem babyblauen Trabant vor der Tür und ich wusste gar nicht wie mir geschah. Ich habe meine Eltern geweckt und die Überraschung war natürlich rundum gelungen.

Von den Berichterstattungen habe ich natürlich nichts mitbekommen, verstanden hätte ich das ganze so oder so nicht. Das ist mir erst viel später klar geworden.
Das war Tolles passiert ist, habe ich aber sofort an der Reaktion der anderen Beteiligten gemerkt.
 
Ich war auch im Urlaub, als ich wieder kam war die Mauer weg!
 
Damals war ich gerade noch Zivi in der Nähe von Hamburg. In der Tagesschau (falls ich mich richtig erinnere) brachten sie Schabowskis etwas voreilige Mitteilung:

"Bekanntgegeben wurde die neue Regelung durch das Politbüromitglied Günter Schabowski auf einer Pressekonferenz, die aus Anlass der ZK-Sitzung am 9. November ab 18.00 Uhr stattfand. Als Schabowski gegen 19.00 Uhr auf die Frage eines Journalisten, wann die neue Regelung gelte, antwortete: "Sofort", gab er damit unwillentlich das Signal zum Sturm durch die Mauer. Die Grenztruppen war noch gar nicht informiert, sie hatten von Schabowski Äußerung allenfalls im Radio gehört, und gaben nach einigem Zögern aus eigener Entscheidung die Grenze unter dem Druck der heranrückenden Massen frei." (http://www.bstu.bund.de/DE/Wissen/D...nskalender/November-1989/november89_node.html)

Das konnte ich anfangs nicht glauben, dann war ich begeistert darüber, dass die friedlichen Demonstranten ihre Diktatur praktisch gestürzt hatten, ohne dass das Militär eingegriffen hat.

Recht schnell kam Leipziger Verwandtschaft zu Besuch. Mit meiner Cousine ging ich tags shoppen und abends in die Disco. Die Eindrücke haben sie wörtlich umgehauen: Am nächsten Tag hatte sie einen Kreislaufzusammenbruch.

Dass der Osten sich von Kohl einwickeln lassen hat, hat mich ein Jahr später entsetzt. Dass Kohl und nicht Brandt als Kanzler der Einheit gilt, enttäuscht mich noch heute. Das aktuelle Wahlverhalten der Ostdeutschen verstehe ich beim besten Willen nicht.

slamburger
 
Als am 30.September 1989 die folgende Sequenz (ab 1:50 min)* in den Fernsehnachrichten zu sehen war, hab' ich 'ne "Gänsehaut" bekommen und gedacht: Das wird in den jährlichen Jahresrückblicken wohl die Top-Nachricht sein ...
interessant, das noch einmal zu sehen. erstaunlich jedoch, wie der sprecher immer luft holt. ;)
 
Moin,

Dass der Osten sich von Kohl einwickeln lassen hat, hat mich ein Jahr später entsetzt. Dass Kohl und nicht Brandt als Kanzler der Einheit gilt, enttäuscht mich noch heute. Das aktuelle Wahlverhalten der Ostdeutschen verstehe ich beim besten Willen nicht.

Ich bin mit meiner Frau 1993 mit dem Fahrrad vom Priwall bis Sassnitz gefahren. Wie haben mit vielen Leuten dort gesprochen. Alle haben von Willi Brandt geredet, keiner von Kohl.
Es waren drei, die den Mauerfall bewirkt haben: das Volk der DDR, der damalige ungarische Außenminister Giulia Horn, der Honnecker den diplomatischen Stinkefinger zeigte, als Honnecker wollte, dass er die Grenze zu Österreich wieder dicht macht, und es war Michail Gorbatchow, der öffentlich sagte, dass er keine Panzer schicken werde ("wer zu spät kommt, den bestraft das Leben", sagte er zu Honnecker).
Was Kohl gemacht hat, könnte man auch als Abstaubertor bezeichnen. Er hat das unerfahrene Volk der DDR mit 100,- DM Begrüßungsgeld einfach gekauft.
Für mich ist der Tag der Einheit der 9.November, der 3. Oktober ist für mich eine willkürliches VErwaltungsdatum (und der Todestag von FJS:d).

Mein Bericht kommt demnächst, ist etwas länger.
 
In dieser gewissen Nacht hatte ich meinen ersten Sex. :) Und am 10.11.89 freute ich mich für die Westberliner, dass sie nun nicht mehr eingemauert waren. :d 17 war ich damals übrigens.
 
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