Wahnsinn, welchen Aufwand Du betreibst
WollMac scheint mir das Herz auf dem rechten Fleck zu haben. Hört sich pathetisch an, aber ich meine es so. In diesen Diskussionen verstehe ich aber oft nicht die Ausblendung von Sachverhalten, auch wenn diese einmal einer eventuell eigenen Agenda untergeordnet werden sollen - es schadet der eigenen Argumentation, wenn ungleiches gleichbehandelt und nicht ausreichend differenziert wird - wobei dies selbst gern eingefordert wird, wenn es der eigenen Argumentation nützt, mitunter aber unter den Tisch fällt, wenn nicht.
Wenn ein Argument oder ein angenommener Sachverhalt nicht mehr trägt, wechsle ich entweder meine Argumentation oder meine Position. Ich ignoriere aber nicht Tatsachen und Sachverhalte und vermeide unzulässige Vergleiche. Ein Jurist arbeitet mit Sachverhalten, nicht mit Wunschkonzerten und Zielvorstellungen, die die Wirklichkeit zu formen haben. Ich sehe das nüchtern. Auch meine eigene Position. Ich erachte gleiche Maßstäbe als sinnvoll. Das bringt einen natürlich in Konflikt mit vielen, die gewisse Tatsachen selbst bereits als schädlich ansehen (nützt dem politischen Gegner), anstatt diese hinzunehmen und anzugehen. Das betrifft im Übrigen auch das Thema Flüchtlinge und Migranten:
Für viele, sowohl für nicht wenige "Unterstützer" als auch Gegner, sind diese nur ein Faustpfand, ein Objekt, nicht Subjekt, und Probleme von Migranten und Flüchtlingen, kultureller und religiöser Natur, werden gern entweder negiert oder undifferenziert pauschalisiert - Gegner ist dann der jeweils politische Gegenpol. Wenn in den Wirren und den Klängen aufeinanderschlagender Schwerter dann die Objekte als Kollateralschaden zu Boden gehen: es dient jeweils der höheren Sache, dem eigenen Weltbild.
Mitunter geht man selbst zu Boden, ich erinnere hier an die Frau, die die eigene Vergewaltigung nicht anzeigen wollte, weil es dem "politischen Gegner" dienen könne und eben "den falschen Täterkreis" betraf. Hier werden Menschen in Schubladen gesteckt und sich nach einem politischen Gegner gerichtet; seine Handlungen und Reaktionen antizipiert und das gilt es dann unter allen Umständen zu vermeiden - individuelles hat in dieser Vorstellung zurückzustehen.
Offensichtliches Unrecht wird umgedeutet, verschwiegen, relativiert, doppelte Maßstäbe angelegt; gleich, welchen politischen Rand wir nehmen, und ja, vergessen wir auch die Mitte nicht, die darf auch gern den Mund öffnen und Stellung beziehen, auf die Gefahr hin, unbeliebte Positionen einzunehmen, die von beiden Rändern unter Beschuss geraten. Der eine Rand sieht hier bereits die Keimzelle des Faschismus, die andere das Schaf, das sich zu einer imaginären Opferbank bringen lässt und das endlich aufwachen und zum Wolf werden soll.
WollMac hat in meinen Augen eine eigene Agenda, die ihm wichtig ist, hier gerade die soziale. Ich versuche ab und an, auf den blinden Fleck, den ich zu erblicken meine, aufmerksam zu machen. Ich mache mich, wie ich schon oft betont habe, allgemein für das Recht und hier speziell für Migranten und Flüchtlinge stark - aber nicht für die Kollektive, sondern die Individuen, und ich vertrete hier keine Ideologie, sondern das Recht des Einzelnen. Auch gegen Minderheitenkollektive. Auch gegen Mitglieder von Minderheitskulturen, der eigenen Subgesellschaft, sofern diese gleiches Recht für alle nicht anerkennen. Und sich auf die Toleranz der Mehrheit, in Wahrheit auf dessen Ignoranz berufen und die das Recht nur kollektiv begreifen.
Ich strebe eine Gesellschaft unter einem Recht an, nicht eine Gesellschaft, die nur durch das Strafrecht zusammengehalten und schlicht verwaltet wird und ansonsten ihrer Wege geht, in der Menschen anderer Kulturen sich nicht auf das Recht berufen können, da diese nicht Teil einer Gemeinschaft sind, sondern Teil einer Teilgemeinschaft mit eigenen Wertvorstellungen, in denen das Kollektiv über das Individuum herrscht und andere Menschen weniger wert sind, weil diese ein anderes Geschlecht haben oder einen anderen Glauben. Oder eine andere Nationalität.
Ich spreche hier gerade auch für jene Minderheiten, die hier schnell übergangen werden, wenn es das eigene Weltbild nicht erlaubt, deren Sorgen zu hören. Das betrifft übrigens auch Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft, die ebenfalls je nach Situation und Ort in die Minderheitenrolle abgleiten - auch auf Schulen - und ebenfalls existentielle Sorgen und Nöte erfahren können, diskriminiert werden, auch mit, aber auch durch andere Minderheiten oder Mehrheiten.
Ich kenne auch die Gewalt auf der Straße und jene, die von tradierten Rollenmustern und Denkstrukturen ausgeht, anerzogene Frauenablehnung und Antijudaismus, Verachtung von anderen Minderheiten und Rollenbildern.
Mitunter ist es schwer zu ertragen, zu erleben, wie gerade jene Menschen sich gar nicht für die Lebenswelt von Individuen interessieren, die sich selbst als politische Interessenvertreter sehen: das Kollektiv wird hochgehalten, das Individuum kulturell und sozial verortet und verpackt und ansonsten alles kritisch betrachten (oder schlimmer: ignoriert), was Risse in eine heile Welt oder die eigene Vorstellung bringen könnte.
Am Schlimmsten aber ist vielen das, was dem politischen Feind nützt. Dann reden wir nicht über nationalbefreite Zonen oder das Mädchen, dem erklärt wird, dass jedes einzelne Haar, das unter dem islamischen Kopftuch hervorlugt, in der Hölle dieses peinigen wird; nein, alles ist gut, und das Kopftuch wird flugs zur Emanzipation erklärt. Nationalbefreite Zonen existieren auch nicht, das würde der Wirtschaft schaden. Während "antirassistische Feministinnen" es nicht wagen, über die Erziehung von Migranten zu reden, die Frauen öffentlich "wie Vieh" gejagt haben; auch hier der "falsche Täterkreis". Bleibt nur, eben gerade nicht mehr zu differenzieren: es war der Mann an sich.
Und ansonsten reden wir auf Spiegel Online über Pinke Einhörner und zeigen im Spiegel für Kinder ein solches mit Kopftuch auf dem Titelbild. Ein Kind. Welch Vorbild. Diskriminierung anzuerkennen wird zum Maßstab unserer Toleranz. Differenzierung? Egal. Ehrenmorde und Familientragödien werden ja auch gern gleichgesetzt. Und Rechtsradikale wähnen sich wieder in der Mitte. Endlich raus aus der Schmuddelecke. Endlich Anerkennung für das eigene geistige Gefängnis. Was Verschwörungstheorien betrifft, haben diese mit nicht wenigen Migranten und Flüchtlingen übrigens viel gemein. Könnte manche verbinden, aber der Hass ist eben stärker, die Abneigung auf fremdes; im Übrigen, "der Deutsche" ist dem Migranten auch erst einmal fremd.