Gesellschaft Sind hier Freimaurer unter uns?

Zaphod3000 schrieb:
Verzeiht mir meine mangelhafte sprachliche Präzision. Hier eine neue Iteration:
Gibt es empirische Entsprechungen für die bei den FM praktizierten Rituale? Welchen Zweck verfolgen sie?

Es gibt eine Menge esoterischer Aspekte in den fm. Ritualen, allerdings lehrartunterschiedlich. In erster Linie stimmt für alle, dass die Einübung fm. Inhalte im Vordergrund steht.

Es gibt einen schönen Abschluß der Arbeit in einem Ritual:

Übt brüderliche Liebe, die der Grundstein und der Schlußstein, der
Kitt und der Ruhm unserer alten Bruderschaft ist. So werden alle
den wohltätigen Einfluß der Maurerei erkennen, wie ihn alle wahren
Maurer erkannt haben vom Beginn der Welt und erkennen werden
bis ans Ende der Zeiten.

und weiter:

Geht nun zurück in die Welt, meine Brüder, und
bewährt Euch als Freimaurer! Wehret dem Unrecht, wo es sich
zeigt, kehrt niemals der Not und dem Elend den Rücken, seid wachsam
auf Euch selbst! Es geschehe also, zieht hin in Frieden!
 
mastermason schrieb:
Es gibt eine Menge esoterischer Aspekte in den fm. Ritualen, allerdings lehrartunterschiedlich. In erster Linie stimmt für alle, dass die Einübung fm. Inhalte im Vordergrund steht.

Ist also der flapsige Ausdruck der Eselsbrücke da nicht ganz falsch?
 
Wenn Du so willst, ja. Aber das verkürzt die Bedeutung des Rituals (zumindest für einen Bruder) unzulässig und läßt die psychologische Wirkung außen vor. Ein Ritual begehen heißt u.a. auch, für einen Moment aus der Welt und der Zeit treten.
 
Ja, ich sehe die Wirkung als Eselsbrücke da auch nur als ein Aspekt von vielen, möglicherweise auch wichtigeren.
 
dies:
Ein Profaner = Außenstehender kann nur auf dem Weg der Initiation in jenen Kreis der 'Eingeweihten' eingeführt werden, d.h. er muss durch ein Tor, einen Eingang gehen, um in eine neue Welt zu gelangen.
Dieser Eingang wurde zu allen Zeiten als Neugeburt verstanden, welche ihrerseits den 'symbolischen' Tod voraussetzt, als Hinter-sich-lassen und Abstreifen als Vorherigen.
So gesehen, entspricht die Aufnahme in den Bund der Freimaurer tatsächlich einer Initiation, wobei der eigentliche Neubeginn oder die Neugeburt der Augenblick der Verwandlung des Fremdem in den Bruder ist, was der Meister vom Stuhl mit den Worten zum Ausdruck bringt: 'Stehen Sie auf, mein Bruder!'
Initiation ist also nicht durch Erkenntnis oder durch Offenbarung zu erlangen, sondern ist ein ritueller Akt, der eine innere Wandlung zum Ausdruck bringt.
klingt natürlich sehr esoterisch
die frage ist auch, wie diese "neugeburt" genau aussieht und ob sie überhaupt zu verwirklichen wäre, schließlich ist der charakter eines menschen prägend und nur selten – durch ausnahmesituationen etwa oder über einen wirklich langen zeitraum hinweg – veränderlich
 
Priapismus schrieb:
dies:

klingt natürlich sehr esoterisch
die frage ist auch, wie diese "neugeburt" genau aussieht und ob sie überhaupt zu verwirklichen wäre, schließlich ist der charakter eines menschen prägend und nur selten – durch ausnahmesituationen etwa oder über einen wirklich langen zeitraum hinweg – veränderlich

Klingt nicht nur so, ist es auch. Und?

Du hast aus den vielen Postings vorher etwas entweder nicht begriffen, oder ich habe mich schlecht verständlich gemacht. Die FM baut auf der Erkenntnis auf, dass nichts einen Menschen verändern kann außer er selbst Kraft seiner Vernunft. Ich erkenne den Veränderungsbedarf nur deshalb, weil ich mich selbst betrachte. Das setzt einen Analyseprozess voraus und den Willen, "die Kanten der Unvollkommenheit abzuschlagen". Dieser Prozess steht analog für das, was Kant mit Aufklärung meint: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines andern zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht aus Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. 'Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!' ist also der Wahlspruch der Aufklärung."
 
Wie gehst Du mit dem scheinbaren oder tatsächlichen Widerspruch von esoterischen und aufklärerischen Inhalten um?

Bleiben esoterische Inhalte auf die Rituale beschränkt und werden sie daher hingenommen, währen die restliche Arbeit "vernunftorientiert" ist?
 
Zaphod3000 schrieb:
Wie gehst Du mit dem scheinbaren oder tatsächlichen Widerspruch von esoterischen und aufklärerischen Inhalten um?

Bleiben esoterische Inhalte auf die Rituale beschränkt und werden sie daher hingenommen, währen die restliche Arbeit "vernunftorientiert" ist?

Puuh, schwierige Frage, vor allem, wenn man (ich) nicht allzuviel von dem preis geben will, was innerste Angelegenheit der Freimaurerei ist.

Zunächst steht nichts in den fm. Ritualen im Widerspruch zur Vernunft. Nennen wir das Esoterische doch das vernünftig nicht Fassbare oder das Empfinden im Ritual. Das meine ich, wenn ich über psychologische Prozesse rede, die bei der Initiation und bei anderen fm. Arbeiten ablaufen, die sich dem Verstand entziehen ohne im Gegensatz zu ihm zu stehen.

Konkretes Beispiel ist die Lichtgebung. Du hast sicherlich schon mal gesehen, dass der Kandidat (Neophyt) mit verbundenen Augen den ersten Teil des Aufnahmerituals erlebt. Das ist der Teil der Wieder(Neu-)geburt, die in einem der Zitate beschrieben wurde. Dann wird die Binde entfernt und er (der Kandidat) steht in gleißendem Licht, umgeben von der Kette der Brüder. Das ist sehr beeindruckend; man vergißt es sein Leben lang nicht.
Diese Emotionen sind ganz schwer, wenn nicht gar überhaupt nicht in Worte zu fassen. Einige Maurer versteigen sich zu der Aussage, dass hier das eigentliche fm. Geheimnis liegt, welches man eben nicht beschreiben kann, da es sich der Ratio entzieht.

Du darfst übrigens nicht vergessen, dass die FM in enger Verwanschaft zu den alten Mysterienbünden steht, die sich den gleichen Mechnismen bedient haben.
 
Nee, ich habs nicht gesehen. Wäre aber in der Situation vermutlich in Versuchung, eine rationale Erklärung dafür finden zu wollen.

Danke für die Erklärungen. Du bist weitaus offener, als man es von Dir erwarten kann.
 
Zaphod3000 schrieb:
Danke für die Erklärungen. Du bist weitaus offener, als man es von Dir erwarten kann.

gerne, kein Problem.

Ich glaube, dass nur bedingungslose Aufklärung unserem schlechten oder bestenfalls diffusem Image entgegenwirken kann. Das schließt auch Ritualfragen mit ein. Leider vertrete ich damit eine Mindermeinung. Allerdings geben Ausstellungen, wie "Licht ins Dunkle" (Fokkemuseum, Bremen) zu Hoffnungen Anlass. Wenn die Freimaurerei überleben will, muß sie sich mitteilen.
 
Ich dachte, das würde nur im direkten Kontakt passieren. Die Regelung des Bürgen gibt es ja anscheinend nach wie vor.

Bis ich dann mal vor einiger Zeit von Gästeabenden gehört habe. Habe mir vorgenommen, mir das mal mit eigenen Augen anzusehen. Bislang fehlte mir der rechte Drive, das zu versuchen, oder es gab terminliche Schwierigkeiten. Mal schauen, ob ich es mal hinbekomme.
 
@Zaphod

WAS passiert nur in direktem Kontakt?

In Bonn kenne ich eine tolle Loge. Wenn Du willst, mache einen Kontakt.
 
Leider ist die Ausstellung vorbei. Vielleicht kommt sie ja später irgendwann woanders hin. Mal schauen.
 
Ich dachte, man wird von einem Freimaurer angesprochen und einen anderen Zugang gäbe es nicht.

Was die Bonner Logen betrifft: Ich wollte mich mal drum kümmern, aber wie gesagt, ich hatte in letzter Zeit wenig Gelegenheit, das mal umzusetzen. Auch in der nächsten Zukunft sehe ich da nicht viel Möglichkeiten. Aber einen Gästeabend aus lauter Neugierde würde ich mir schon mal anschauen.
 
mastermason schrieb:
...
Die FM baut auf der Erkenntnis auf, dass nichts einen Menschen verändern kann außer er selbst Kraft seiner Vernunft. Ich erkenne den Veränderungsbedarf nur deshalb, weil ich mich selbst betrachte. Das setzt einen Analyseprozess voraus und den Willen, "die Kanten der Unvollkommenheit abzuschlagen". Dieser Prozess steht analog für das, was Kant mit Aufklärung meint: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines andern zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht aus Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. 'Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!' ist also der Wahlspruch der Aufklärung."

nicht nur ...

HIERBEI BEKENN' ICH
hierbei bekenn' ich, daß mir von jeher
die große und so bedeutend klingende aufgabe:

<<erkenne dich selbst!>>

immer verdächtig vorkam,
als eine list geheim verbündeter priester,
den den menschen durch
unerreichbare forderungen verwirren ...wollten.

der mensch kennt nur sich selbst,
insofern er die welt kennt,
die er nur in sich
und sich nur in ihr gewahr wird.
jeder neue gegenstand, wohl beschaut,
schließt ein neues organ in uns auf.

am allerfördersamsten
sind aber unsere nebenmenschen,
welche den vorteil haben,
uns mit der welt
aus ihrem standpunkt heraus zu vergleichen
und daher nähere kenntnis von uns zu erlangen,
als wir selbst gewinnen mögen.

ich habe daher in reiferen jahren
große aufmerksamkeit gehegt,
inwiefern mich andere wohl erkennen möchten,
damit ich in und an ihnen, wie an so vielen spiegeln,
über mich selbst und über mein inneres deutlicher werden könnte ...

von freunden - lasse ich mich ebenso gern bedingen
als ins unendliche hinweisen,
stets merke ich auf sie mit reinem zutrauen
und zu wahrhafter erbauung ...

johann wolfgang von goethe

ach ich mag nicht mehr dazu sagen - eigentlich wollte ich meinen mund halten ...
 
Zaphod3000 schrieb:
Ich dachte, man wird von einem Freimaurer angesprochen und einen anderen Zugang gäbe es nicht.

Umgekehrt wird ein Schuh draus: To be 1 ask 1. Es gab schon recht drollige Geschichten, wo ein Interessent zwei Jahre eine Loge besucht hat und sich wunderte, dass ihn keiner fragt. Ist ja auch logisch: Der Antrieb kann nur von dem Kandidaten kommen.
 
tapatim schrieb:


nicht nur ...

HIERBEI BEKENN' ICH
hierbei bekenn' ich, daß mir von jeher
die große und so bedeutend klingende aufgabe:

<<erkenne dich selbst!>>

immer verdächtig vorkam,
als eine list geheim verbündeter priester,
den den menschen durch
unerreichbare forderungen verwirren ...wollten.

der mensch kennt nur sich selbst,
insofern er die welt kennt,
die er nur in sich
und sich nur in ihr gewahr wird.
jeder neue gegenstand, wohl beschaut,
schließt ein neues organ in uns auf.

am allerfördersamsten
sind aber unsere nebenmenschen,
welche den vorteil haben,
uns mit der welt
aus ihrem standpunkt heraus zu vergleichen
und daher nähere kenntnis von uns zu erlangen,
als wir selbst gewinnen mögen.

ich habe daher in reiferen jahren
große aufmerksamkeit gehegt,
inwiefern mich andere wohl erkennen möchten,
damit ich in und an ihnen, wie an so vielen spiegeln,
über mich selbst und über mein inneres deutlicher werden könnte ...

von freunden - lasse ich mich ebenso gern bedingen
als ins unendliche hinweisen,
stets merke ich auf sie mit reinem zutrauen
und zu wahrhafter erbauung ...

johann wolfgang von goethe

ach ich mag nicht mehr dazu sagen - eigentlich wollte ich meinen mund halten ...

JWvG ist sicher meist-, wenn nicht tot zitierte Freimaurer. Ich habe immer ein ungutes Gefühl bei diesen so genannten Kartoffelbrüdern (die besten sind unter der Erde), deren Ansprüche (und Aussprüche) sehr freimaurerisch klingen, deren Leben aber eine ganz andere Geschichte erzählt. Aber das Kapitel "berühmte Freimaurer" laß ich lieber zu, sonst echauffiere ich mich am Ende noch...
 
mastermason schrieb:
JWvG ist sicher meist-, wenn nicht tot zitierte Freimaurer. Ich habe immer ein ungutes Gefühl bei diesen so genannten Kartoffelbrüdern (die besten sind unter der Erde), deren Ansprüche (und Aussprüche) sehr freimaurerisch klingen, deren Leben aber eine ganz andere Geschichte erzählt. Aber das Kapitel "berühmte Freimaurer" laß ich lieber zu, sonst echauffiere ich mich am Ende noch...

ich zitierte ihn nicht wegen seiner mitgliedschaft bei den freimaurern. der grund war, daß ich denke die subjektive selbstbetrachtung reicht nicht aus, um sich zu verändern ...
 
tapatim schrieb:


ich zitierte ihn nicht wegen seiner mitgliedschaft bei den freimaurern. der grund war, daß ich denke die subjektive selbstbetrachtung reicht nicht aus, um sich zu verändern ...

Das stimmt, selbsterkenntnis aber ist der erste Schritt.
 
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