Gesellschaft Rot-Rot-Grün nach der Bundestagswahl?

Wenn wie im Falle der Schröder-SPD ganz oben Leute sitzen die sich von der Wirtschaft haben .... sagen wir mal ... überreden lassen die Interessen der Wirtschaft und einzig und allein nur diese zu vertreten, haben Leute die es anders sehen ein Problem. Entweder mit dem Alpha mitheulen, oder ausgestoßen werden, was dann im Falle der Kandidaten heißt dass wer nicht mitmacht bei der nächsten Wahl keinen aussichtsreichen Listenplatz oder Wahlkreis mehr bekommt.

Wie auch immer der Hase in den Parteien läuft, es kommt Politik dabei raus - die den Wählern gefällt oder eben nicht. Und wenn Lobbyisten den Politikern auch permanent alles Mögliche aufzudrücken versuchen: von denen sind Politiker nicht so direkt abhängig wie von ihren Wählern. Wenn die Wähler aber einfach nicht interessiert sind und im Zweifelsfall die dümmsten Erklärungen akzeptieren, warum dies oder das gut für Deutschland ist, dann kann man da wenig machen.
 
Das einzige Problem was wir bei dem demokratischen System haben ist der, dass die Auswahl begrenzt ist und man als normalsterblicher Bürger keinen nennenswerten Einfluss darauf hat. Z.b. sind es die Parteien die bestimmen wer in welchem Wahlkreis als Direktkandidat aufgestellt wird und wer welchen Listenplatz bekommt. Das führt dann dazu dass wir Wähler nicht die Kandidaten auswählen können von denen wir glauben dass sie unsere Interessen vertreten sondern zwischen den Kandidaten auswählen müssen die uns die Parteien vor die Nase setzen, und die mit Sicherheit so aussortiert wurden dass sie die Interessen der Parteiführung vor den Interessen der Wähler stellen.
Diese Arroganz der Parteien ist es, weshalb sie des neue Wahlsystem zur hamburger Bürgerschaft so heftig bekämpfen und sogar boykottieren.
 
Das gilt für die Mehrheit der Parlamentarier in den Landtagen und im Bundestag. Für sie ist das ein Beruf, den sie auch weiter ausüben wollen. Was aber nicht nur dazu führt, dass sie auf ihre Parteiführungen hören, sondern vor allem auf die, die sie wählen sollen.

Wovon träumst du nachts? Schon mal etwas vom Fraktionszwang gehört? Es war einer der schwärzesten Tage unseres Verfassungsgerichtes, an dem das Gericht den Fraktionszwang für Verfassungskonform erklärt hat.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie Müntefering, als es damals um einen Kriegseinsatz der Bundeswehr ging, jedem Abweichler öffentlich ernste Konsequenzen androhte.

Trotzdem gibt es einen gesellschaftlichen Konsens, dass wir Berufspolitiker in den Parlamenten haben und sie auch gut bezahlen wollen. Es mindert die Anfälligkeit der Abgeordneten für Korruption.

Selten so gelacht.
 
Zuletzt bearbeitet:
EDIT: Uups, da geht es um Größe einer als angemessen geltenden Mietwohnung (wobei ich mich frage, warum da ein Unterschied zum Eigentumswohnung gemacht wird).
ja, das ist dann eher ungerecht gegenüber den Leuten, die gemietet haben, und die ihr Geld gespart haben :)
 
Wovon träumst du nachts? Schon mal etwas vom Fraktionszwang gehört? Es war einer der schwärzesten Tage unseres Verfassungsgerichtes, an dem das Gericht den Fraktionszwang für Verfassungskonform erklärt hat.
Es gibt Gründe dafür und dagegen. Über den Fraktionszwang/die Fraktionsdisziplin haben wir hier schon so oft und ausführlich diskutiert, zuletzt beim Thema Brexit, dass ich für unsinnig halte, das nochmal zu machen.

Selten so gelacht.
Im deutschen Reichstag ab 1971 gab es ein "Diätenverbot", das heißt, die Abgeordneten bekamen kein Geld für ihre Tätigkeit. Sie mussten eigenes Vermögen haben – oder aus anderen Quellen bezahlt werden. Man kann sich leicht denken, wer davon profitierte, und welche Schichten es daran hinderte, sich zur Wahl zur stellen. Die SPD hat schließlich darauf bestanden, dass eine Abgeordnetendiät eingeführt wurde. Ich sehe das als demokratischen Fortschritt. Demokratien sollten sich ein gut ausgestattetes Parlament leisten, das ist eine der Voraussetzungen, um den Einfluss von Lobbyisten und Geldgebern aus der Wirtschaft zu begrenzen. (Andere sind scharfe Transparenzregeln und ein wirksames Antikorruptionsgesetz, daran fehlt es leider.)
 
Nochmal eine Bemerkung zu den Abhängigkeiten von Parlamentariern:
Normalerweise werden die Direktkandidaten für einen Wahlkreis in den Kreisverbänden ihrer Parteien gewählt, also von den Parteimitgliedern. Das läuft über eine demokratische Abstimmung auf unterster Ebene. Die werden nicht von oben ernannt.

Um einen Platz auf den Landeslisten (der entscheidet, wer per Zweitstimme reinkommt) bewerben sich die KandidatInnen auf Landesdelegiertenkonferenzen. Dort haben die Parteiführungen schon mehr Einfluss. Eine große Rolle spielt aber auch die Bewerbungsrede und die früheren Ergebnisse im Wahlkreis – also der Erfolg der Kandidaten bei den Wählern. Wer da nur wenig Stimmen eingefahren hat, hat auch weniger Chancen auf einen guten Listenplatz. Insofern sind die Kandidaten auch direkt von ihren Wählern abhängig und müssen darauf achten, nicht gegen deren Vorstellungen zu arbeiten.

Natürlich werden vor und während solcher Delegiertenversammlungen auch Seilschaften gebildet und Intrigen gesponnen. Ich würde aber nicht sagen, dass dies ein undemokratisches Verfahren ist.

Die Piraten waren angetreten, um neue Formen der Willensbildungsprozesse und neue Wahlverfahren zu entwickeln. Wie wir wissen, sind dort bald ähnliche Kämpfe ausgebrochen wie in den etablierten Parteien. Ein interessanter Ansatz hat sich innerhalb weniger Jahre selbst zerstört. Heute sind die Piraten bedeutungslos. Geblieben sind die alten Verfahren – mitsamt ihren Nachteilen.

Wer einen Landtags- oder Bundestagsabgeordneten kennt, weiß, wieviel die arbeiten und wie wenig Zeit für deren Privatleben bleibt. Ich würde diesen Arbeit nicht tun wollen und bin froh darüber, dass andere es machen. Deswegen nervt mich aber auch dieses latente Politikerbashing hier, das so tut, als seien sie allesamt Antidemokraten und Volksfeinde, die nur auf ihren eigenen Vorteil aus sind. Ich finde das ziemlich dumm.
 
ja, das ist dann eher ungerecht gegenüber den Leuten, die gemietet haben, und die ihr Geld gespart haben :)
Leute die gemietet haben erwerben keinen Besitz an ihrer Mietsache. Die Mieten sind auch nicht unbedingt niedriger als die Raten der "Eigentümer", im Gegenteil...
 
Selten so gelacht.
In den USA verbringen die Mitglieder des US-Repräsentantenhauses über zwei Drittel ihrer Zeit damit, Unternehmen anzurufen und um "Spenden" zu bitten. 10.000 US$ pro Woche sind absolutes Minimum (die ganze Legislaturperiode lang, jede Woche), um im Repräsentantenhaus mitmischen zu können. Die Senatsmitglieder sammeln sogar noch ein Vielfaches an "Spendengeldern" ein. Das betrifft in den USA im Prinzip alle Berufspolitiker beider Parteien. Sie stimmen dann bei Gesetzesentwürfen im Sinne der Unternehmen und großen Einzelspender ab. US-Politiker sind letztendlich alle freiberufliche Repräsentanten diverser Interessengruppen, die den Volksvertreter nur spielen. Eine echte eigene Meinung oder Überzeugung hat keiner von den Republikanern und Demokraten.

Es ist Korruption auf Anabolika und Koks. Dagegen sind die Lobbyisten, die in Berlin und Brüssel ein- und ausgehen, arme Schweine.

Mir ist das deutsche System immer noch erheblich lieber, selbst wenn Schröder später für Gazprom und Fischer für BMW arbeitet.
 
Hier ein zugegeben etwas längerer Text. http://www.nachdenkseiten.de/?p=37685
Eine Zustandsbeschreibung der sPD durch einen Sozialdemokraten:

Lieber Martin,

wir haben im Saarland rechtzeitig noch einen Schuss vor den Bug gekriegt, um aus der Martin-Schulz-Euphorie aufzuwachen und an die Arbeit zu gehen.

Die Aufgabe, die Du und die Partei zu bewältigen haben lautet:
Eine Neue Sozialdemokratie herzustellen und gleichzeitig Deine Läuterung vom
Saulus zum Paulus durchzuführen.


Vergiss bitte niemals, die Euphorie, die Du bei den Bürgern ausgelöst hast, als Du die Hoffnung auf soziale Gerechtigkeit erweckt hast.

Das ist das Pfund, mit dem Du wuchern musst: Die Herstellung der sozialen Gerechtigkeit.

Aber was ist das und wie geht das?
Wenn Du die Herstellung sozialer Gerechtigkeit tatsächlich angehen willst, wirst Du als erstes feststellen, dass Du dafür in der SPD ziemlich wenige brauchbare Mitstreiter hast.
Wir sind leider in den letzten Jahrzehnten zu einer neoliberalen Partei mutiert, die häufig die Schwächsten und die Normalbürger belastet und die Reichen begünstigt hat.
Es ist daher kein Wunder, dass eine große Zahl der Bürger die SPD wahrnimmt als einen Verein der Karrieristen und „Wirtschaftsversteher“.

Du könntest das stoppen, aber es sind gewaltige Änderungen notwendig und es liegt ein riesiger Berg an Arbeit vor Dir und Dir und den Bürgern wird ständig die
neoliberale Propaganda in den Ohren dröhnen: „Es geht uns gut!“.

Such Dir in aller Ruhe in der Partei die Genossen zusammen, die schon in der Vergangenheit Konzepte entwickelt haben, die die soziale Gerechtigkeit wiederherstellen, z.B. in der Rentenpolitik.

Ich sage Dir an dieser Stelle ausdrücklich, dass Andrea Nahles nicht dazu gehört. Ihr Rentenkonzept, das sie gemeinsam mit den Arbeitgebern und der Versicherungswirtschaft entwickelt hat, gehört in die Abfalltonne.

Eher wirst Du da schon gute Gedanken bei Klaus Barthel, dem AfA-Vorsitzenden finden, der in der Partei bisher allerdings wenig Einfluss hatte.
Mach Dir eines klar Martin: Du bist noch weit davon entfernt, eine Neue Sozialdemokratie zu verkörpern und bist noch weit davon entfernt, Dich von einem Saulus in einen Paulus zu verwandeln.
Darum mach Dich weiter auf die Reise. Lass Dir ruhig noch 1 – 2 Monate Zeit.

Geh zu den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden und mach ihnen klar, dass sie mit ihrer Lohn- und Sozialdumpingpolitik die Hoffnungslosigkeit der Bürger und das Aufkommen der politischen Rattenfänger befördert haben.

Mach Ihnen klar, dass es auch in ihrem Interesse liegt, dass gute Löhne und gute Sozialleistungen erforderlich sind, um die Volkswirtschaft wachsen zu lassen und den sozialen Frieden zu sichern und das gesellschaftliche Chaos zu verhindern.

Mach ihnen klar, dass die SPD die linke Kraft ist, die das so steuern kann, dass die Wirtschaft nicht abgewürgt wird.
Und dann geh auch zu Wissenschaftlern wie z.B. Prof. Butterwegge und lass Dir aus wissenschaftlicher Sicht über die soziale Ungerechtigkeit berichten.

Oder geh zu einem Wirtschaftsinstitut wie dem DIW in Berlin und lass Dir dort von der Steuerungerechtigkeit berichten, oder lies den Vorschlag des DIW zur Erbschaftssteuerreform, die selbst bei Schonung der Unternehmen (Steuerstundung statt Steuerschenkung) zu 5 Milliarden € Mehreinnahmen führen würde und rede mit dem Leiter Prof. Fratzscher über die soziale Ungerechtigkeit in diesem Land, aber hüte Dich vor dessen Aussagen zur Public Private Partnership, halte Dich da besser an das Minderheitenvotum des Gewerkschaftsvertreters und hüte Dich verdammt noch mal vor dem IW in Köln, das eine reine Propagandaabteilung der Deutschen Wirtschaft ist und genieße das neoliberale IFO Institut in München mit äußerster Vorsicht, das auch schon mal zur Verdeutlichung der zu steigernden Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands Vorgaben von Goldmann Sachs nutzt (Prof. Sinn in einem Vortrag in der Urania Berlin vor 4 bis 5 Jahren).

Und dann geh zu den Tafeln, die mittlerweile 1,5 Millionen Menschen in Deutschland versorgen.
Es ist gut, dass es die Tafeln gibt, aber es ist gleichzeitig ein gesellschaftspolitischer Skandal, dass sie in einem der reichsten Länder der Welt überhaupt notwendig sind.

Geh auch in die Suppenküchen und sprich mit den dortigen Bürgern und den Organisationen, die Tafeln und Küchen veranstalten.
Du wirst dort eine Realität kennenlernen, die in der neoliberalen Presse nicht existiert.


... geh zu den Jüngeren, die mit schlechten, befristeten Arbeitsverträgen gerade mal über die Runden kommen, aber keine Familie gründen können, geschweige Kinder finanzieren können, was wiederum das demographische Problem verschärft, geh zu den ca. 1 Million „Clickworkern“, die ohne jede soziale Absicherung Kurzjobs im Internet erledigen, manchmal nur minutenlange und deren Beste sagen, dass sie nicht für weniger als 1 € pro Stunde arbeiten (Verdi und IG Metall haben entsprechende Arbeitsgruppen), geh zu den Leuten ohne Schulabschluss, geh zu den Langzeitarbeitslosen, geh zu den Mietern, die nicht wissen, ob sie ihre Wohnung demnächst noch bezahlen können und gleichzeitig wissen, dass sie keine Chance haben, eine billigere, bezahlbare Wohnung zu finden, geh zu den Menschen, die nicht mehr zum Arzt gehen, weil sie sich die Zuzahlungen nicht mehr leisten können, oder den gesetzlich Versicherten, die mit Zahnlücken leben, da sie keine 80% bei Zahnersatz zuzahlen können, geh zu den Scheinselbständigen, die von ihren Hungereinkommen gerade über die Runden kommen, oft ohne Krankenversicherung, die sie sich nicht leisten können, geschweige denn eine Altersabsicherung, geh zu den Zeitarbeitern, die erhebliche Lohneinbußen hinnehmen mussten, als sie nach Arbeitslosigkeit den erstbesten Job annehmen mussten, um nicht vollkommen die soziale Leiter hinunter zu fallen, geh zu den Taxifahrern, die mit Uber zunehmend konkurrieren müssen, geh mal zu Uber-Fahrern und frag sie nach ihrer Arbeitszeit und ihrem Einkommen, geh zu den Geschäftsführern des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes oder des Sozialverbands Deutschland, ...
Diese Liste, mein lieber Martin, ließe sich noch sehr lang erweitern.

Aber alles das ist eine Realität, die in der neoliberalen Berichterstattung und in der Denke der SPD nicht mehr vorkommt.

Wenn ich dann von Dir heute in der Zeitung (HAZ) lese, dass Du angeblich Steuererleichterungen für die niedrigsten Einkommen ablehnst, packt mich die Wut und ich denke, dass ist noch genau so ein neoliberaler Schwätzer, wie die Mehrzahl der Politiker und kann immer besser die Bürger verstehen, die sich angewidert von der Politik abwenden und entweder gar nicht mehr wählen gehen oder den Rattenfängern hinterherlaufen.

Verdammt noch mal Martin ! Ich weiß nicht, wer Dir an dieser Stelle wieder einen solchen Unsinn ins Gehirn gepflanzt hat.

Aber wer nach Abzug aller Ausgaben von Miete über Energie, Versicherungen etc. noch 100,– € in der Tasche hat, um damit einen ganzen Monat zu leben, weiß es sehr zu schätzen, wenn ihm der Staat 100,– € Steuern beließe.

Wenn Dir nach diesen Ausführungen der Kopf raucht, vergiss bitte eins nicht: Du musst Dir immer klarmachen, was die großen Kräfte sind, die global die Dinge in Gang setzen und beeinflussen.

Das ist das große Kapital mit 300 Billionen $ Anlagegeldern, die über die Wallstreet, Investmentgesellschaften wie Blackrock oder Spekulanten wie George Soros nach einer Maxime funktionieren: Maximaler Profit, in kürzester Zeit, egal wie, unter Vermeidung von Steuerzahlungen.

Die große Propaganda dieses Kapitals lautet. „Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit“, was nichts anderes bedeutet, als eine nie endende Spirale nach unten aus Lohn- und Sozialdumping und Steuerdumping für Reiche und Konzerne.

Diese Entwicklung lässt sich nur schwer national aufhalten, und muss daher durch eine neue, internationale und globale Sozialdemokratie begleitet werden.

Also bring gefälligst die internationale Ausrichtung der SPD wieder in Gang, auch dieser Bereich ist gegenwärtig in der SPD unterentwickelt.

Für Dich, lieber Martin, würde es zunächst vollkommen ausreichen, wenn Du den unteren und mittleren Einkommen eine spürbare Steuerentlastung zukommen lassen würdest und ihnen ein Konzept präsentieren würdest, wie auch eine Altenpflegerin mit einem Bruttoeinkommen von 1.500,– € nach 45 Berufsjahren eine lebensstandardsichernde, gesetzliche Rente erhält und nicht 650,– €, wie gegenwärtig dank sozialdemokratischer „Rentenreformen“.
Aber vergiss nicht, an der großen Geschichte von der Neuen Sozialdemokratie weiter zu arbeiten und sie in absehbarer Zeit darzustellen.

Geh durch das Land und sprich mit den richtigen Leuten. Lass Dir noch Zeit. Du bist noch lange kein Paulus.

Gustav Heinemann hat mal gesagt, dass man den Wert einer Gesellschaft daran erkennt, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht.
Ein großer Sozialdemokrat!

Ähnliches hat mal ein anderer bekannter Politiker gesagt:
„Die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich nicht zuletzt daran, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht.“ (Helmut Kohl, Bonn am 15.5.1998)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier ein zugegeben etwas längerer Text. http://www.nachdenkseiten.de/?p=37685. Eine Zustandsbeschreibung der sPD durch einen Sozialdemokraten:
Merkwürdigerweise scheint es auch eine deutlich längere Version dieses Briefes zu geben. Haben die Nachdenkseiten den Text um radikalere Passagen (siehe unten) gekürzt? Hat den Brief wirklich ein SPD-Mitglied und Rechtsanwalt namens Tillmann geschrieben? Mir kommen da einige Zweifel.

Geh zu den Gewerkschaften außerhalb der IGBCE, die für Strom aus Kohle, CETA und den Monsanto-Deal sowie überdurchschnittliche hohe Facharbeiterlöhne steht, und sieh Dich dort unterhalb der Vorstandsebene um, bei der Basis eben und lass Dir dort von der Arbeitswirklichkeit erzählen, die in der neoliberalen Presse ebenfalls nur am Rande auftaucht: Von der „Arbeitsverdichtung“, die häufig krank machende Ausmaße erreicht, von den Überstunden, die nicht bezahlt werden, von den Mindestlöhnen, die bei Minijobbern in 50% der Fälle nicht gezahlt werden, von den Arbeitern, die 2 – 3 Jobs hintereinander machen müssen, um über die Runden zu kommen, von den Rentnern, die zunehmend bis zum Tod arbeiten müssen, um menschenwürdig zu leben und die sich totlachen über die Rente mit 63, geh zu den älteren Arbeitnehmern, die noch gute Arbeitsverträge haben, aber befürchten müssen, bald rausgeworfen zu werden, weil die Jüngeren für die Hälfte arbeiten, geh zu den Jüngeren, die mit schlechten, befristeten Arbeitsverträgen gerade mal über die Runden kommen, aber keine Familie gründen können, geschweige Kinder finanzieren können, was wiederum das demographische Problem verschärft, geh zu den ca. 1 Million „Clickworkern“, die ohne jede soziale Absicherung Kurzjobs im Internet erledigen, manchmal nur minutenlange und deren Beste sagen, dass sie nicht für weniger als 1 € pro Stunde arbeiten (Verdi und IG Metall haben entsprechende Arbeitsgruppen), geh zu den Leuten ohne Schulabschluss, geh zu den Langzeitarbeitslosen, geh zu den Mietern, die nicht wissen, ob sie ihre Wohnung demnächst noch bezahlen können und gleichzeitig wissen, dass sie keine Chance haben, eine billigere, bezahlbare Wohnung zu finden, geh zu den Menschen, die nicht mehr zum Arzt gehen, weil sie sich die Zuzahlungen nicht mehr leisten können, oder den gesetzlich Versicherten, die mit Zahnlücken leben, da sie keine 80% bei Zahnersatz zuzahlen können, geh zu den Scheinselbständigen, die von ihren Hungereinkommen gerade über die Runden kommen, oft ohne Krankenversicherung, die sie sich nicht leisten können, geschweige denn eine Altersabsicherung, geh zu den Zeitarbeitern, die erhebliche Lohneinbußen hinnehmen mussten, als sie nach Arbeitslosigkeit den erstbesten Job annehmen mussten, um nicht vollkommen die soziale Leiter hinunter zu fallen, geh zu den Taxifahrern, die mit Uber zunehmend konkurrieren müssen, geh mal zu Uber-Fahrern und frag sie nach ihrer Arbeitszeit und ihrem Einkommen, geh zu den Geschäftsführern des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes oder des Sozialverbands Deutschland, usw, usw, usw ……

Diese Liste, mein lieber Martin, ließe sich noch sehr lang erweitern.

Aber alles das ist eine Realität, die in der neoliberalen Berichterstattung und in der Denke der SPD nicht mehr vorkommt.

Wenn ich dann von Dir heute in der Zeitung (HAZ) lese, dass Du angeblich Steuererleichterungen für die niedrigsten Einkommen ablehnst, packt mich die Wut und ich denke, dass ist noch genau so ein neoliberaler Schwätzer, wie die Mehrzahl der Politiker und kann immer besser die Bürger verstehen, die sich angewidert von der Politik abwenden und entweder gar nicht mehr wählen gehen oder den Rattenfängern hinterherlaufen.

Verdammt noch mal Martin !

Ich weiß nicht, wer Dir an dieser Stelle wieder einen solchen Unsinn ins Gehirn gepflanzt hat.

Aber wer nach Abzug aller Ausgaben von Miete über Energie, Versicherungen etc. noch 100,– € in der Tasche hat, um damit einen ganzen Monat zu leben, weiß es sehr zu schätzen, wenn ihm der Staat 100,– € Steuern beließe.

Wenn Dir nach diesen Ausführungen der Kopf raucht, vergiss bitte eins nicht: Du musst Dir immer klarmachen, was die großen Kräfte sind, die global die Dinge in Gang setzen und beeinflussen.

Das ist das große Kapital mit 300 Billionen $ Anlagegeldern, die über die Wallstreet, Investmentgesellschaften wie Blackrock oder Spekulanten wie George Soros nach einer Maxime funktionieren: Maximaler Profit, in kürzester Zeit, egal wie, unter Vermeidung von Steuerzahlungen.
 
Da wäre ich mir nicht so sicher...

Schulz hat gegenüber den früheren SPD-Kandidaten den Vorteil, dass er (in der deutschen Politik) noch nicht verbraucht ist bzw. ihm die Machertyp-Rolle besser liegt als z.B. dem Strategen Gabriel. Aber mit einer Alternative zur derzeitigen Politik kann er die Wahl nicht gewinnen, und das weiß er auch. Das Soziale liegt der deutschen Wählerschaft nicht so sehr am Herzen, im Gegenteil, sie sieht darin eine Gefahr für den Wohlstand des Landes. Schulz kann es nur in homöopathischen Dosen vertreten und muss dabei höllisch aufpassen, den Bogen nicht zu überspannen. Damit hebt er sich von Merkel nicht deutlich genug ab - oder er tut es und verliert genau dort an Zuspruch, wo es viele Stimmen zu holen gibt. Letztendlich wird es auf einen Personenwahl hinauslaufen, und da hat Merkel den Qualitätssiegel-Vorteil.

Eine politische Richtungsänderung wird es erst dann geben, wenn sie von Außen erzwungen wird. Meine Vermutung: Merkel gewinnt die nächste Wahl deutlich, wird dann aber mit der Eurokrise nicht mehr fertig. Der Streit zwischen Schäuble und dem IWF ist keinesfalls beigelegt, das kann noch richtig lustig werden. Und Frankreich dürfte jetzt auch verstärkt Druck machen. Der Tag rückt näher, an dem sich Deutschland entscheiden muss, ob es den Euro weiterhin geben soll oder nicht.
 
Dieser Brief an Schulz mit der Aufforderung, endlich linke Politik zu machen, ist nach den Wahlergebnissen im Saarland und in Schleswig-Holstein schon merkwürdig. Die zeigen ja ganz deutlich, dass eben nicht links gewählt wird. Sondern nach den altbekannten deutschen Prioriäten: Wohlstand und Wirtschaftswachstum, Recht und Ordnung, Sicherheit und Straßenbau.

Wenn das Interview des Ministerpräsidenten über seine Ehe wahlentscheidend sein kann, weil er dann von den Frauen 50+ abgestraft wird, zeigt das einiges über den Gemütszustand des deutschen Wahlvolkes. Da spielen ganz andere Dinge eine wichtigere Rolle als soziale Gerechtigkeit. Vor allem das Vertrauen in Persönlichkeiten. Und da hat Schulz nach seinem ersten Hype enorm abgebaut. Die Linken kommen mit ihrem Personal schon gar nicht an.

Die vielgeschmähte "Mutti" mit ihrer Politik der ruhigen Hand dagegen ist eine Wahllokomotive ersten Ranges, der keiner das Wasser reichen kann - seit mehr als einem Jahrzehnt.

Was kümmert die Wähler das Gerede um neoliberale Politik? Sie wissen ja nicht mal, was das sein soll.
 
Wenn die sPD weiterhin keine linke Politik macht, verschwindet sie in der Bedeutungslosigkeit.
Links orientierte, sozial gerechte Politik war sozusagen der Markenkern der sPD. Den hat sie entsorgt.

Da die sPD weiterhin wie ein fremdgesteuerter Alien einen auf cDU-light macht, wählen die Leute berechtigt das Original.
 
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Reaktionen: MacQandalf und WollMac
Das ist der Punkt. Wenn man eine eher rechts-konservative wirtschaftlichsorientierte Politik bevorzugt braucht man keine rot angemalte Kopie von der SPD wenn man das alles auch von dem Original CDU haben kann.

Früher, als die SPD noch ihrem ehemaligen Markenkern entsprechend mehr eher links-liberal eingestellt war kamen sie locker auf Anteile von 40%, jetzt als billiger CDU-Klon liegen sie zwischen 20% und 30% Ich würde das nicht so interpretieren als ob der Versuch die CDU zu kopieren von Erflg gekrönt war.
 
Früher, als die SPD noch ihrem ehemaligen Markenkern entsprechend mehr eher links-liberal eingestellt war kamen sie locker auf Anteile von 40%, jetzt als billiger CDU-Klon liegen sie zwischen 20% und 30% Ich würde das nicht so interpretieren als ob der Versuch die CDU zu kopieren von Erflg gekrönt war.

Wer sind eigentlich die Leute, die die SPD jetzt noch wählen? Zwischen 20% und 30% ist ja eigenlich ganz schön viel für eine Partei ohne Markenkern und ohne Zugpferde...

Wie auch immer, die SPD-Wähler von heute wählen Agenda-Politik, und das wissen sie auch. Würden sie die SPD auch dann noch wählen, wenn die jetzt wieder einen auf Links machen würde? Im Leben doch nicht! Mit linken Wählern könnte die SPD den Verlust sicher nicht ausgleichen, das gibt die politische Stimmung in Deutschland einfach nicht her.

"Früher" ist übrigens schon lange her. "Locker 40%" waren zu Zeiten drin, als es im Bundestag nur drei Parteien gab und die Lage ruhig war. Vor 30, 40 Jahren.
 
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