Für mich gilt "Dein Maßstab 1" Mich nervt aber diese buchhalterische Pingeligkeit, wenn ich mich jetzt über die die "türkische Todesstrafe" entsetze, mich im selben Atemzug auch über die 50 anderen Länder echauffieren zu müssen, in denen es die Todesstrafe bereits gibt.
Du musst gar nichts, es schwächt nur deine Position, wenn du sagst, dass du generell gegen jede Art der Todesstrafe bist, aber nur bei der Einführung der Todesstrafe in der Türkei dein Entsetzen bekundest. Ein Diskussionspartner könnte dann nämlich auf die Idee kommen du wärst gar nicht generell gegen die Todesstrafe, sondern nur gegen die Todesstrafe in der Türkei. Da du aber anderes behauptest, würde man dich vermutlich schnell als Heuchler abstempeln und ignorieren.
Nochmal zum nachlesen: für mich ist es ein gewaltiger Unterschied, ob ein Land, das zur EU gehören will oder wollte, jetzt diese barbarische Strafe einführen will oder ob ein oder andere Länder diese bereits seit Jahrhunderten besitzen und einfach (noch) nicht angeschafft haben. Letzteres finde ich primitiv und sozial rückständig - ersteres ist ein Rückfall in die Barbarei, den man evtl. noch verhindern könnte.
Wenn das dazu führt, dass du bei der USA auch mal ein Auge zudrückst, kann es ja mit „Maßstab 1“ nicht so weit her sein (zumindest ist es laut dir „ein gewaltiger Unterschied“). Offenbar scheinst du nämlich mit der Todesstrafe weniger Probleme zu haben, wenn das Land nicht in die EU will bzw. geographisch nur weit genug von der EU entfernt ist. Und offenbar scheint es schlimmer zu sein, wenn ein Land in der Vergangenheit keine Todesstrafe hatte und diese einführen will (also noch keinen Menschen per Todesstrafe getötet hat, dieses aber vor hat), als wenn ein anderes Land diese schon immer hatte und mittlerweile viele hundert bis tausend Menschen auf diese Weise getötet hat. Kann man so sehen, allerdings nehme ich dir dann deinen „Maßstab 1“ nicht ab.
Die Konsequenz Deiner Aussage ist doch, das man, wenn man die Todesstrafe nicht gleich überall abschafft, der Türkei dann eben die Einführung der Todesstrafe erlauben müsse … bzw. man sich nicht drüber aufregen solle. Mit Verlaub - aber das finde ich blöd.
„Erlauben“ müssen wir gar nichts, die Türkei ist ein souveränes Land. Eine andere Frage ist, ob wir Leuten, die in der Türkei durch die Todesstrafe bedroht sind, nicht helfen wollen so weit dies möglich ist. Beispielsweise indem man ihnen Asyl gewährt. Außerdem sollte man natürlich überdenken, inwieweit man mit solchen Ländern politisch und wirtschaftlich noch zusammenarbeiten will. Aber ich wiederhole mich hier noch einmal. Wenn Deutschland ein Verfechter von „Maßstab 1“ ist, aber nur bei der Türkei wirkliche Konsequenzen zieht und beispielsweise im Falle der USA tatenlos bleibt, wirkt das in den Augen anderer Staaten eventuell etwas scheinheilig.