Darf ich mal offen sprechen, ohne dem Autor des Themas zu nahe zu treten?
Ich kann die Argumentation von Girgl42 nicht logisch nachvollziehen. Zum einen betont er die für ihn wohl wesentlichen Vorteile einer Anstellung und meint damit u. a. eine geringere Arbeitszeit und die Lohnfortzahlung bei Krankheitsfall. Zum anderen gibt er vor, derzeit 70-80 Stunden pro Woche als Selbstständiger zu arbeiten und betrauert diesen Zustand so sehr, als führe nur eine Anstellung zu einer familientauglichen Lösung. Dabei müsste sein Netto-Einkommen als Unternehmer bei 70-80 Stunden pro Woche um ein Vielfaches höher liegen, als sein zukünftiges Gehalt jemals bieten wird. Und die Lohnfortzahlung bei Krankheit kann kaum ein Pro-Argument für die Aufgabe einer lohnenden Selbstständigkeit sein. Es sei denn, mit 70-80 Stunden pro Woche meint er die Zeit, die er neben dem Job mit anderen Dingen beschäftigt ist, als Geld zu verdienen. Doch bei einer unternehmerischen Auslastung in eben dieser genannten Höhe, erscheint es völlig abwegig und unwirtschaftlich, in eine Anstellung mit schlechten Konditionen zu „flüchten“ und das kann nur eine Ursache haben:
Offensichtlich bietet seine Tätigkeit als Selbstständiger nicht (mehr) das Einkommen, was aufgrund des Arbeitseinsatzes von 70-80 Stunden pro Woche nachvollziehbar wäre. Um das Kind direkt beim Namen zu nennen: Es gibt wohl keine Jobs mehr, mit denen er die Existenz seiner Familie heute und in Zukunft sichern kann oder könnte. Doch dann sollte er zumindest ehrlich sein und sagen, das er weniger aus den von ihn genannten Gründen in eine Festanstellung möchte sondern schlicht aus dem Grund, das er von den Ergebnissen aus seiner Selbstständigkeit nicht länger überleben kann. Aber vorzugeben, er würde nach neuen Perspektiven suchen, indem er sich trotzdem die Option zur Selbstständigkeit offen lassen möchte, halte ich gegenüber dem neuen Arbeitgeber für unfair, da dieser nur das Notprogramm bietet, aber kaum eine Entscheidung von Girgl42 wert wäre, wenn dieser sich nicht in der Position befinden würde, in der er vermutlich steckt.
Allein aus „Sicherheitsgründen“ eine Anstellung zu suchen, um die eigene Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit, als auch die Zeiteinteilung seines Lebens in fremde Hände zu legen, muss schwerwiegende Gründe haben, denn ich kenne niemanden, der eine Selbstständigkeit aufgeben würde, wenn daraus keine Vorteile erwachsen, die man in der Selbstständigkeit nicht nur besser sondern auch erfolgreicher hinbekommt. Auch das Argument der Lohnfortzahlung bei Krankheitsfall gibt mir dahin gehend zu denken, dass es mehr eine Flucht aus der Selbstständigkeit ist, als ein Schritt nach vorne. Für Arbeitgeber nicht gerade schmeichelhaft, denn das klingt doch sehr nach: „Hilfe, mein Unternehmen läuft nicht mehr und bitte stellt mich ein, weil ich sonst verhungern muss. Ich akzeptiere auch alle Bedingungen und ich sage auch das, was ihr hören wollt. Nehmt mich, bestimmt mich, aber sorgt für mich!“
Sicher, ich könnte mich täuschen, aber Menschen mit überzeugter Unternehmerseele bringen ihr Schiff auch bei hoher See und Sturm sicher in den nächsten Hafen und machen das sicher nicht von Arbeitszeit und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall abhängig. Und im Ergebnis leben sie weitaus intensiver und angenehmer als Angestellte, denn sie bestimmt selbst ihre Zeit und ihren Einsatz und somit auch die Höhe ihres zu erzielendes Einkommens. Für sich und ihre Familien, die ebenfalls davon profitieren, weil Papa sein eigener Boss ist und selbst bestimmt, wann er mit den Kindern in den Zoo fahren kann und nicht ein Arbeitgeber, der dafür einen Urlaubstag streicht! Da werden auch 70-80 Stunden Arbeit pro Woche oder mehr kein Kriterium sondern sind selbstverständlich. Man muss ja nicht, man kann! Es sei denn, man verdient in dieser Zeit weniger als andere in der Hälfte der Zeit. Dann war man als Unternehmer nicht gut genug und soll nicht dem Markt die Schuld dafür geben, wenn die Aufträge ausbleiben.
Ich vermute, Girgl42 war von Beginn an nicht mit einer Unternehmerseele ausgestattet und im Geist schon immer ein Angestellter, der zwar kurze Zeit den Traum vom eigenen „Chefsein“ erleben wollte, aber nun von der Realität in die Rolle gepresst wird, die die Natur aufgrund seiner Möglichkeiten für ihn vorgesehen hat. Sein Sicherheitsdenken überwiegt das Bedürfnis nach Selbstentscheidung. Doch die hat bei Unternehmern oberste Priorität und dafür sind sie auch bereit, jedes Risiko und Opfer zu bringen – wenn sie es ehrlich meinen. Würden die Geschäfte so laufen, denen die 70-80 Stunden Arbeitseinsatz pro Woche gegenüberstehen, dann würde er keine Sekunde einen Gedanken an diesen Job in der Agentur verschwenden und könnte über das Gehalt herzhaft lachen. Die Beurteilung des Einkommens mag aus Sicht eines Angestellten angemessen erscheinen. Für einen Unternehmer wäre es der Ausverkauf seiner Lebensleistung, die nun zum Vorteil derer gereicht wird, die daraus Kapital schlagen und man selbst fremdbestimmt wird, ohne am Erfolg teilzunehmen.
Was Girgl42 bei seiner Argumentation übersehen hat:
40-50 Stunden Arbeit, wenn man MUSS, ist etwas anderes als 70-80 Stunden Arbeit, wenn man KANN und MÖCHTE! Als Selbstständiger konnte er während seiner Tätigkeit auch mal was anderes machen, z. B. einen Film schauen. Als Arbeitnehmer ist das untersagt und so werden 8-10 Stunden unter Beobachtung und Kontrolle anders empfunden, als die gleiche Zeit zu Hause, im Büro. Allein die Arbeitszeit ist deshalb sekundär. Es ist ein Verlust an Lebensqualität, wenn es nicht mehr erlaubt ist, vom Bürostuhl auf dem Sofa Platz zu nehmen und während der Arbeit einfach mal den Gedanken freien Lauf zu lassen. Freiheit, für die man mehr als nur ein Gegengewicht einnehmen sollte. Viel mehr, als 3000 Euro brutto im Monat. Es sei denn, man kennt es nicht anders und hat auch sonst keine Erwartungen von seinem Leben. Doch wer ist -ganz ehrlich - mit Bescheidenheit im Leben jemals wirklich weitergekommen? Verona Pooth feiert unbeschwert auf jeder Party und ihr Gatte Franjo auch, obwohl er keinen Grund zum Feiern hat sondern die Gläubiger über ihm schweben. Doch was er unter Lebensqualität versteht, kann nur von denen nachempfunden werden, die selbst in diesem Luxus leben. Mit Bescheidenheit wird das nicht gelingen. Doch haben die eigenen Kinder nicht das Beste im Leben verdient? Wenn das mehr als nur ein Spruch bleiben soll, müssen Eltern ihre Bescheidenheit ablegen und was tun. Wenn schon nicht für sich, dann zumindest für ihre Kinder! Als Unternehmer wäre das zumindest möglich, als angestellter Mediengestalter hat man dagegen schon verloren.
Schuster, bleib’ bei deinen Leisten!