Mirzel schrieb:
Mir kam eine Geschichte einer größeren Agentur zu Ohren, in welcher ein Texter einen STEHGEIGER anmieten konnte, da der ihn angeblich inspirierte … so offenbar geschehen in den 8o’ern hier in Hamburg - DAS ist nun wirklich vorbei.)
Ich bedauere es nicht wirklich, hier zu widersprechen, denn die Zeiten sind nicht vorbei sondern der Anspruch ist seitdem gewachsen. So buchen Texter heute ganze Orchester, wenn sie dort beschäftigt sind, wo man zu Recht von einer Werbeagentur sprechen kann, die sich mit der Etatverantwortung für Masterfoods auseinandersetzt. Wo Millionen von Euro nichts Außergewöhnliches sind, bietet es den Verantwortlichen genug Spielraum für jede Form von Sonderwünschen. Einige Matrosen scheinen vergessen zu haben, das die Offiziere an Bord stets eine andere Kost genießen und statt Hängematte eine Kajüte erhalten, wenn man erst mal Offizier ist. Was darüber hinaus ein Kapitän für sich in Anspruch nehmen kann, überstiegt das Vorstellungsvermögen der Matrosen unter Deck und wer sich mit ihnen unterhält, kann sich zwar kurzweilig vergnügen, aber mit der großen Seefahrt hat das nichts mehr zu tun. Für die einen bietet sich nur die Schaluppe auf Binnengewässern, für andere die 1. Klasse auf Ozeanriesen. Ein Stehgeiger ist ein freischaffender Straßenkünstler und mit 250 Euro für 8 Stunden alles andere als eine kostspielige Inspiration. Nicht mal Luxus, denn wer von sich reden machen möchte, der bucht die Musiker der Berliner Philharmonie für die akustische Untermalung der Gästetoilette der Agentur (die auch entsprechenden Raum dafür bietet, wenn sie für besondere Kunden tätig ist), denn nur im Live-Einsatz können unerwünschte Nebengeräusche der Kunden geschickt überspielt werden! Gegen die Geruchsbelästigung muss man andere Mittel auffahren, z. B. der Import einer Pflanze aus dem Regenwald per Frachtmaschine, die bei spezieller Behandlung mehr Kohlendioxid und Methan aufnimmt als ihre Artgenossen und durch die Spende eines exotischen Duftes ebenfalls den Eigengeruch einer sanitären Einrichtung ummantelt und dabei auch noch Früchte liefert, die zur weiteren Verdauung anregen. So wird der anspruchsvolle Gast dazu ermuntert, für weitere Geschäfte gleich sitzen zu bleiben. Eben Masterfoods und BBDO Düsseldorf, falls sich jemand fragen sollte, wo der Schotter im Jahr 2007 liegt! Aber so was darf man keinem Drucker oder Freelancer im "Webdesign" erzählen, denn sonst steigt die Selbstmordrate im drucktechnischen Gewerbe und viele freiberufliche Subunternehmer in der IT-Branche vollziehen ebenfalls einen Sprung aus dem Fenster. Die Werbeagenturen, die schon immer im Geschäft waren, sind heute noch besser gestellt als damals. Und man kann sie an einer Hand abzählen, wenn es um einen fetten Etat geht und um Positionen, wo wirklich gut verdient wird. Es geht nicht um Tätigkeiten im Maschinenraum, denn die dort beschäftigt sind, werden weiterhin kurz gehalten und das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Ja, die Wahrheit ist unbequem für die, die dann im Maschinenraum sitzen, aber wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Man muss auch was dafür tun, um den Maschinenraum verlassen zu dürfen, aber das weiß ja jeder selbst und jeder muss sich nur umschauen, wie man so lebt.
Saugkraft schrieb:
Also seh ich nicht, was gegen Kooperation sprechen sollte.
Der große Kuchen! Der große Kuchen spricht dagegen, um den sich im Leben alles dreht. Wer was anderes behauptet, der hungert wohl aus Überzeugung und hat sich bereits damit abgefunden, sich auch weiterhin mit Krümeln zu begnügen. Und wer teilen muss, der verschenkt Stücke vom Kuchen und das ist für einen Geschäftsmann stets bitter. Mag ja sein, dass es Agenturen gibt, die sich auf wenige Leistungen spezialisiert haben, aber wer der Geschäftspolitik von Spitzenunternehmen seine Aufmerksamkeit widmet, der lernt schnell, das Outsourcing sich dauerhaft nicht rechnet sondern es lukrativer ist, ganze Bereiche von Fremdleistungen einzukaufen, damit sie Teil des Unternehmens werden. Geschluckt werden Unternehmen und ihre Ideen am laufenden Band von denen, die es sich leisten können. Sollte das keinen Sinn machen, dann würde es kein Unternehmen tun, aber genau das Gegenteil ist die Praxis. Wer sich in Sicherheit mit seiner Idee glaubt oder an den Wahnsinn der Einzigartigkeit, erhält über kurz oder lang eine leistungsstärkere Konkurrenz oder das Angebot für eine Übernahme. Erst ein Warnschuss, dann bewegen sich die Fronten. Es gibt nicht einen plausiblen Grund für ein finanzstarkes Unternehmen mit der Konkurrenz zu kooperieren, wenn es die Konkurrenz besitzen kann. Sicher, mit solchen Einstellungen und Vorgehensweisen macht man sich keine Freunde, aber wer im Business nach Freunden sucht, sollte besser Angestellter oder Subunternehmer bleiben. Geschäfte sind Rechtsgeschäfte und wer nicht pünktlich liefern kann, dem nützt es wenig, ein netter Kerl zu sein. Man verzeiht einmal, vielleicht zweimal, aber dann erfolgt der Abschuss. Nein? Ist das nicht so? Vielleicht nicht bei den Spatzen und Krümeln, aber unstrittig bei denen, wo das Geld in Strömen fließt. Schon die Verantwortung gegenüber Masterfoods lässt es nicht zu, auch nur eine falsche Entscheidung durchgehen zu lassen. Aber wem soll man das erzählen? Den Subunternehmen, die gar nichts von dem wissen müssen? Den Mitarbeitern, die sich darüber aufregen, die Wochenenden für den Kunden zu opfern oder die Unverbesserlichen, die vorgeben, ihr Team gut zu behandeln, aber nur solange alles gut läuft, aber die dann ausrasten, wenn mal etwas nicht klappt? Amateure ... und davon gibt es bedauerlicherweise eine ganze Menge! Sie schreiben Fachbücher über das, was sie selbst nicht können und beraten Unternehmen, ohne jemals ein eigenes Unternehmen geführt zu haben. Besonders laut werden stets die, die am Ende aller Nahrungsketten stehen und die von denen wirtschaftlich abhängig sind, die sich Stehgeiger buchen, um sich vom Trott zu lösen. Ich buche mir Bauchtänzerinnen, denn ich brauche was fürs Auge.
- Sterling