Guten Morgen,
die neuen Macs mit M1 sind da und eine Zeit der anderen Computer deutet sich an.
Große Leistung auf kleinem Raum, sogar ein Mini-Gehäuse wird plötzlich geräumig. Die gesamte Fertigung nahezu ohne Zukauf fremder Komponenten, kompakte Platinen mit allen Leistungsträgern fest verlötet. Klein, leicht mit viel Power. Jahrelang benutzt wie bestellt und geliefert, dann zurück in die Entsorgung oder das Recycling. Der Computer angekommen als reiner Gebrauchsgegenstand, den man benutzt und nicht mehr verbastelt.
Auf der anderen Seite kein Markt mehr für ausladende Grafikkarten, Netzteiltausch, Prozessorsockel mit Upgradepfaden, Tricks und Übertaktung. Der Gebrauchtmarkt füllt sich und die Preisgestaltung an allen Pre-M1-Laptops gibt massiv nach, weil niemand mehr das ständige Gelüfte haben möchte oder die neue Performance einfach so unfassbar verwöhnt. Große Kisten unter oder auf dem Tisch sind nicht länger Synonym für Power sondern mutieren zu Antiquitäten.
Ich - Mittfünfziger und von Computern in Science-Fiction-Filmen sozialisiert, die mit abgehackter Stimme sprechen oder voluminös in Schränken und Racks vor sich hin blinken, sehe das mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Das "Basteln" hatte eine Modelleisenbahnartige Entspannung über Jahrzehnte. Der ersten Speichererweiterung im Commodore PET 2001 folgten viele andere. Der eigene PowerMacG4, G5 und zur Zeit auch der cMP 5.1 wurden und sind bis zur Oberkante Unterlippe aufgerüstet. Aus Freude, Ehrgeiz und auch aus dem nicht immer prall gefüllten Portemonnaie heraus, dass die nächste Anschaffung so weit wie möglich hinauszögern wollte. Der Wunsch nach einer Symbiose aus Funktion und Form liess mich jahrzehntelang privat bei Apple sein und ausgerechnet (oder gerade) die setzen jetzt die Marke für die nächste Evolution.
Hätte ich jetzt nicht noch ungewollt Videoschnitt an der Backe, mein cMP 5.1 würde zügig einem der M1-minis weichen und mobil wäre das MBA meine erste Wahl. Mehr braucht es für meine Fotografie und den Rest nicht. Diese kleine, flache, lüfterlose und moderne Technik ist einfach zu verlockend und vorallem - einfach. Kein Open-Core-Gefriemel, kein Patch, kein dauerhaftes gefährden des eigenen OS per SIP-disabling, um noch unauthorisiert Anschluss an das neueste OS zu halten. Vorallem eins - Konzentration auf die Aufgabe mit Hilfe eines schönen und potenten Werkzeugs.
Wie seht ihr das? Trauer um die großen Kisten und das beruhigende Gewummer auf dem Schreibtisch? Bald keine Tricks mehr? Kein Flashen eigentlich ungeeigneter Grafikkarten? Apple Gebrauchtmarkt mit sinkenden Preisen? Der neue MacPro jetzt schon ein Auslaufmodell?
Schönen Sonntag allen!
Ich - auch baldiger Mittfünfziger und ebenfalls Fan der M-Rechner - sehe das nicht ganz so dramatisch.
Die M-Prozessoren sind zweifelsfrei ein großer Wurf, aber das Konzept dahinter ist lediglich maßgeschneidert für Apple, weil es exakt die schon von Jobs favorisierte Philosophie der totalen Kontrolle stützt. Niemand kann mehr eingreifen in diese Systeme, niemand mehr nutzt Software, die aus unterschiedlichsten strategischen oder politischen Gründen nicht mehr genutzt werden soll. Niemand mehr baut irgendwelche Hardware in diese Systeme ein, niemand mehr "manipuliert" - im "guten" wie im "bösen". Das Resultat: Hohe Leistung, Energieeffizienz und Sicherheit - aber eben auf Kosten von Vielfältigkeit, Skalierbarkeit und "offener" Innovation.
In dem kleinen Marktsegment, das Apple besetzt (Privatanwender , die Standardaufgaben erledigen + professionelle Foto/Videobearbeitung) funktioniert das hervorragend. Im PC-Bereich aber, der genau der entgegengesetzten Philosophie folgt, ist so ein Konzept undenkbar. Hier produziert niemand "alles", hier gibt es viele hochspezialisierte Industriegiganten, die den Markt bedienen und beherrschen, denen klar ist, das ein PC schon dem Namen nach ein möglichst individuelles Konstrukt ist und das sich mit diesem Wunsch nach Individualisierung sehr sehr sehr viel Geld verdienen lässt. Apples Umsätze sind (für ein Einzelunternehmen) gigantisch, aber vergleichen mit dem gesamten PC-Markt / Consumermarkt nicht wirklich der Rede wert.
Nichts desto trotz bleibt die neue ARM-Technik von Apple ein ernstzunehmender Gegner auch für den PC-Markt. Aber eben nur unter bestimmten Vorraussetzungen, die Apple erst selbst schaffen müsste. Was nützt mir der performanteste Rechner, wenn ich meine Lieblingssoftware / meine Lieblingsspiele nicht darauf zum Laufen bringen kann? Apple müsste also eine Plattform für Spiele schaffen, die es den großen Studios sehr einfach macht, (auch) auf ihr zu entwickeln. Gleiches gilt für den professionellen Anwendungsmarkt (Datenbanken, Steuerungssysteme etc.)
Dies umzusetzen, ist aber eine Mammut-Aufgabe und würde für lange lange Zeit zu vielen Fehlern, Abstürzen und Sicherheitslecks führen. Woher ich das weiß? Weil Windows genau diesen Weg über viele Jahre gegangen ist...
Apple müsste sich also im wahrsten Sinne des Wortes "öffnen", aber genau das stände im krassen Gegensatz zu ihrem Bedürfnis der totalen Kontrolle und wird (hier bin ich mir sicher) niemals passieren. Also wird Apples Marktanteil zwar steigen, aber keinesfalls eine führende Rolle übernehmen.
Allerdings: Schlussendlich bedeutet die M-Technologie eine Chance für den gesamten Markt, sich endlich weiterzuentwickeln. Ich bin mir sicher, das vielerorts bereits an Ideen gefeilt wird, wie man die Vorteile der M-Technologie mit den Prinzipien des PC-Marktes optimal verbinden kann. Denn genau so war es schon sehr häufig. Beispiele gefällig?
Apple baute die ersten massentauglichen Rechner mit grafischer Oberfläche und Maus, wurde aber nie Marktführer.
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