Aber ich denke, du verstehst, was ich sagen will: Die in unseren westlichen Gesellschaften vorherrschende Ethik bildet die Grundlage für unser Ideal einer humanen Gesellschaft. Die Menschenrechte und nicht zuletzt unser Grundgesetz versuchen dies abzubilden. Und darauf haben wir uns alle mehr oder weniger verständigt und leiten daraus die Moral ab, die unseren alltäglichen Umgang miteinander als falsches und richtiges, erwünschtes und unerwünschtes Handeln bewertet. Dies bildet auch die Grundlage deiner Beiträge und Urteile über politische Weichenstellungen.
Also, das mit dem Christentum stelle ich jetzt mal zurück, das hatten wir jetzt schon so oft, ich sage dazu erstmal nix mehr. Zumal ich irgendwie das Gefühl habe, dass dich doch irgendwas mit dem Christentum verbindet, was auch immer das ist.
Richtig ist, dass es eine ethische Grundlage geben muss und auch gibt. Stimmt alles. Nur finde ich, dass man darüber nicht bei jedem Anlass lang und breit diskutieren muss. Wenn sich Demonstranten in Chemnitz hinstellen und "Absaufen!" brüllen, dann ist das selbstverständlich nicht mit den ethischen Grundlagen unseres Grundgesetzes vereinbar.
Richtig ist auch, dass so ziemlich jeder Diskussionsgegenstand eine ethische Dimension hat und haben muss, wenn unsere Gesellschaft eine ethische Grundlage hat. Die Frage nach dem "Was" ist jedoch völlig uninteressant, denn das ist ja klar: Leben und leben lassen, wie ich bereits schrieb. Wenn man sich aber immer wieder in Klagen über gierige Manager und Geiz-Konsumenten, faule Arbeitslose und neoliberale Politiker, böswillige Nationalisten und naive Gutmenschen ergeht, hat man kaum noch Zeit und Energie, sich über die Sachfragen Gedanken zu machen:
Beispiel Klima: Das Argument, wir dürften den nachfolgenden Generationen nicht die irreparablen Folgen unserer Ressourcenverschwendung aufbürden, ist eine Frage der Moral.
Es ist ein moralisches
Argument und somit natürlich eine "Frage der Moral". Aber wie gesagt: Dass es mit dem Umweltverbrauch so nicht weitergehen kann, ist komplett offensichtlich. Was gibt's da zu erörtern? Selbst unsere FDP-Freunde hier dürften das einsehen. Spannend ist nur die Frage, wie man den Übergang vom extrem dynamischen Kapitalismus zu einer notwendigerweise stagnierenden Ökowirtschaft hinkriegt. Der Skandal ist für mich nicht, dass einigen der Umweltschutz immer noch nicht wichtig genug ist. Sondern dass es keine Transformationsforschung gibt, nirgendwo.
Beispiel Migration: Das Argument, Deutschland könne nur eine begrenzte Zahl von Flüchtlingen ins Land lassen, weil man die Bevölkerung nicht überfordern dürfe, ist ein moralisches.
Auch hier wieder: Das
Argument ist (auch) ein moralisches, aber man kann sich durchaus auch mal rein technische Gedanken darüber machen, wie viel Zuwanderung Deutschland pro Jahr problemlos managen kann. Dann argumentiert man mit (hoffentlich belastbaren) Daten, und am Ende sind alle ein bisschen schlauer.
Beispiel soziale Gerechtigkeit: Kann man nur moralisch begründen.
Ne, auch wirtschaftlich. Wenn die Massenkaufkraft sinkt, geht der Absatz zurück. Investitionen wandern nicht in Produktion, sondern in die Finanzsphäre, Blasen werden aufgepumpt, platzen, alle arm. Muss nicht sein.
Natürlich steht soziale Gerechtigkeit in direkter Verbindung mit den "ethischen Grundlagen", denn eine freie und offene Gesellschaft, die wir ja sein wollen, kann ohne Egalitarismus nicht lange bestehen. Aber auch das muss man erstmal erklären, am besten nicht mit "Diese gemeinen Kapitalistenarschlöcher!", sondern man kann ganz sachlich aufdröseln, wo die Zusammenhänge sind.