Wenn dein westliches mobilitätssystem erfordert, dass jede familie ein 2,5-tonnen-eSUV-mobil und eine mutti-einkauf-karre und vielleicht ein nachwuchs-in-die-disco-fahr-auto braucht, von dem jedes 23 stunden jedes tages immobil straßenraum verbraucht, hast du sicherlich recht.
Wenn mann meinsmeinsmeins ein bisschen zurückschrauben kann, implodiert eher nix.
Ein 2,5t SUV mit Batterien aus seltenen Erden braucht wirklich niemand, auch mit Verbrenner nicht, da bin ich bei Dir. Aber die Individualmobilität zurückdrängen zu wollen - und das auch noch mit finanziellem Zwang - ist ein gesellschafltiches Experiment mit sehr ungewissem Ausgang für die gesamtgesellschaftliche Stabilität. Insbesondere, da sich dieser finanzielle Zwang nach parteipolitischer Meinung mancher Gruppen ja dann auch auf so ziemlich alle anderen Bereiche ausdehnen soll.
Aber ich habe mir das gestern anhand eines typischen Wochentages bei mir mal gedanklich durchgespielt. Ich wohne in einem relativ zentrumsnahen Stadtbezirk mit einer der besten ÖPNV Anbindungen und einem gewissen Dorf-im-Dorf-Charakter, sprich, hier sind alle Geschäfte und wesentlichen Einrichtungen des täglichen Bedarfs und der medizinischen Versorgung in Gehreichweite.
Meine Wege ins Büro, sobald die Home Office-Pflicht bei uns wieder aufgehoben wird und auch Corona keine Rolle mehr spielt, werde ich wieder wie früher täglich mit dem ÖPNV antreten. Soweit so gut.
Mein normaler Arbeitstag geht immer so etwa von 8:00 bis 18:30, d.h. inklusive ÖPNV Wegen bin ich von 7:15 bis ca 19:15 ausser Haus. Ich muss, um genug Schlaf zu kriegen, spätestens um 22:00 den Tag beenden, sonst geht das nicht lange gut. Einkäufe machen wir in der Regel 2-3x die Woche. Dafür kann ich aber nicht hier die fußläufigen Geschäfte nutzen oder den zweimal pro Woche stattfindenden Wochenmarkt, die sind einfach viel zu teuer. Der nächste Lebensmitteldiscounter ist aber, egal in welche Richtung, ca. 10-15min mit dem Auto entfernt. Wenn ich das jetzt noch per Carsharing oder ÖPNV am Abend nach der Arbeit erledigen sollte, frage ich mich wirklich, wie ich das noch unterkriegen soll…da bleibt mir von meinem Tag de facto nichts mehr. Diese Mobilitätslösungen sind alle schön und gut, aber ich sehe da enorme Zusatzaufwände, die den praktischen Alltag noch hektischer machen als er ohnehin schon ist. Ich habe selbst früher viel carsharing hier genutzt, vor allem als Zubringer zum Bahnhof mit Gepäck oder zum Flughafen, aber sonst ist auch das eher sehr teuer. Natürlich, wenn man kein Auto hat, spart man dort noch mehr. Zusammengefasst merke ich einfach, selbst bei meiner guten Anbindung an den ÖPNV, benötige ich ein Auto immernoch regelmäßig und vor allem “instantly on demand“. Das kann Carsharing leider nicht annähernd so erfüllen. Würde es meine Arbeit zulassen, dass ich nur einen typischen 9-to-5 Job erledigen könnte, wäre das auch sicher wieder eine andere Situation, aber wo ausser in Behörden ist das noch so?
Ich habe das auch noch einen Schritt weiter gedacht, da wir gerade Nachwuchs erwarten. Wenn ich mir jetzt noch vorstelle, wie viel Aufwand mein Nachbar damit hat, sich mit Kind auf den Weg zu machen (Kindersitz, Kind anziehen und einladen, Kinderwagen mitnehmen, auf- und abbauen), da wird dann alles ausser einem eigenen Fahrzeug langsam völlig absurd, zumal meiner Schwiegereltern ca. 25km entfernt wohnen, wo ich mit einem free floating carsharing gar nicht hin dürfte und der ÖPNV de facto nicht mehr existent ist…
Natürlich kann man jetzt sagen, genau hier liegen die Ausbau- und Investitionsbedarfe, aber ganz ehrlich, das nutzt mir im hier und jetzt absolut nichts. Bis das erledigt wurde, ist das Kind aus dem Haus…