Eigentlich alle politischen Parteien werben ja damit, dass Löhne gerecht oder der Leistung angemessen sein sollen. „Leistung muss sich wieder lohnen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ usw., sei es nun bei Zeitarbeit oder dem Geschlecht. Bei einem Ingenieur kann ich nachvollziehen, dass er mehr leistet als ein Lagerarbeiter, weil seine Tätigkeit anspruchsvoller ist, und daher auch mehr verdienen soll (die Höhe ist eine andere Frage). Wenn ich einen Ingenieur mit einem Manager vergleiche, will mir nicht einleuchten warum da meist so ein großer Gehaltsunterschied besteht. Ja, ihre Tätigkeiten sind verschieden, aber nicht unbedingt anspruchsvoller oder -loser, beide haben studiert, bei beiden können Fehler gravierende Folgen haben usw. Ich würde erwarten, dass sich ihre Gehälter kaum unterscheiden, tun sie aber nicht. Aber gut, sehen wir mal darüber hinweg, denn es geht noch besser. Was haben alle drei (Lagerarbeiter, Ingenieur, Manager) gemein? Richtig, sie haben einen bestimmten Stundenlohn. Arbeiten sie mehr und machen Überstunden, verdienen sie entsprechend mehr. Das ganze ist auf natürliche Weise begrenzt, denn jeder Mensch kann nur eine bestimmte Zeit am Tag arbeiten und auch in dieser Zeit nur begrenzt viele Dinge erledigen. Hier stimmt also „wer mehr leistet, soll auch mehr bekommen“ noch.
Das ändert sich, wenn es um Finanzgeschäfte geht. Da kann ich mir in vielen Stunden eine ausgeklügelte Anlagestrategie erarbeiten, aber am Ende skaliert mein Verdienst mit dem Kapital, das ich investieren kann. 5% Rendite bei 10 € Kapitaleinsatz ist wenig, bei 10 M€ viel und bei 1 G€ sehr viel Geld. Der Aufwand ist in allen drei Fällen gleich (gut bei 10 € würde man wohl nicht groß über komplexe Anlagen nachdenken und es einfach aufs Girokonto tun oder sparen, aber es soll hier ja nur ums Prinzip gehen), der Gewinn kann sich jedoch um viele Größenordnungen unterscheiden. Die Fondmanager treiben dieses Spiel auf die Spitze, denn da hat jemand eine (hoffentlich gute) Anlagestrategie und sammelt Geld von anderen Personen, Unternehmen usw. Geld ein, um es anzulegen. Einen Teil des gewonnen Geldes behält der Fondmanager, der auf diese Weise theoretisch beliebig hohe Gewinne einfahren kann (bei gleichem Aufwand) und dazu noch nicht einmal eigenes Geld anlegen muss. Hier sind Leistung und Verdienst also praktisch völlig entkoppelt.
Das passt mit meinem Verständnis und wahrscheinlich auch dem Verständnis vieler anderer Menschen von einem „gerechten Lohn“ nicht wirklich überein.