Gesellschaft Wann ist der Euro kaputt und was kommt danach?


Festzuhalten ist, dass der Euro theoretisch funktionieren könnte, auch mit ganz unterschiedlichen Ländern. Praktisch aber geht es ohne politische Union nicht - ausdrücklich nicht, weil eine Notwendigkeit bestünde, die unterschiedlichen Wirtschaftsleistungen auszugleichen, sondern weil ohne politische Union jedem Land das Hemd näher ist als der Rock.
Nein, eine Währungsunion zwischen souveränen Staaten kann nicht funktionieren auch nicht theoretisch. Es kann nur in einem Wirtschaftsraum, mit einer Regierung und einer Zentralbank eine Währung geben. Das ist wie eine Kutsche, ein Kutscher und gleich starke Zugtiere, die noch dazu an einer Stelle an der Kutsche angeschirrt sind. Beim Euro haben wir 19 Kutscher und mindestens 19 Tiere aller möglicher Rassen und Größe, die an allen möglichen Ecken der einen Euro-Kutsche angehängt sind.
Und eine politische Union würde nur bedeuten, dass es noch weniger Mitbestimmung für die Bevölkerung gibt. Den Begriff "Demokratie" will ich für den Zustand in Europa gar nicht verwenden.
Eine Demokratie gelingt nur in kleinen Einheiten, in denen der Zusammenhang zwischen Entscheidung und Auswirkung auch allen klar und bewusst ist und auch alle betroffen sind. Sehr schön zu sehen an der Maut für Ausländer und den Stromtrassen. - Unsere Straßen sind marode: sollen es die "Ausländer" zahlen. - Wir brauchen in Bayern den Strom, aber die Leitungen sollen über BW-Gebiet verlegt werden. Etc.
Hier eine sehr gute Zusammenfassung aller loser Fäden, die ich seit ein paar Jahren versuchte zusammen zu bringen:
"Das Ende der Megamaschine. Geschichte einer scheiternden Zivilisation" - Fabian Scheidler


hier in Kurzform
https://www.youtube.com/watch?v=_vTzc7ZE6bg

Wie ich schon an anderer Stelle schrieb: Aktien sind die modernen Sklavenpeitschen.
 
Nein, eine Währungsunion zwischen souveränen Staaten kann nicht funktionieren auch nicht theoretisch. Es kann nur in einem Wirtschaftsraum, mit einer Regierung und einer Zentralbank eine Währung geben. Das ist wie eine Kutsche, ein Kutscher und gleich starke Zugtiere, die noch dazu an einer Stelle an der Kutsche angeschirrt sind. Beim Euro haben wir 19 Kutscher und mindestens 19 Tiere aller möglicher Rassen und Größe, die an allen möglichen Ecken der einen Euro-Kutsche angehängt sind.

Ein eigenartiger Vergleich, aber um mal dabei zu bleiben: Theoretisch ist es natürlich möglich, dass sich die Kutscher mit ihren unterschiedlichen Pferden einig darüber werden, wo die Pferde angeschirrt werden - im Interesse aller. Dazu bedarf es keiner politischen Union. Aber der Vergleich mit der Kutsche ist eh nicht zutreffend. Es ist nicht so, dass Deutschland nur so schnell vorankommen kann wie der schwächste Gaul. Im Gegenteil: Deutschland profitiert doch deshalb vom Euro, *weil* es schwache Pferde gibt.

Und eine politische Union würde nur bedeuten, dass es noch weniger Mitbestimmung für die Bevölkerung gibt. Den Begriff "Demokratie" will ich für den Zustand in Europa gar nicht verwenden.

Ich auch nicht, aber man kann die Misere genau andersherum sehen: Europa ist deshalb undemokratisch, *weil* es keine politische Union gibt.
 
Noch besser wäre es, wenn es "Basis-Demokratisch" zugegangen wäre. Dann hätten wir in Europa nämlich gar keinen Euro und bräuchten uns jetzt in Europa nicht gegenseitig zerfleischen.

Grüße
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: MacChico
Nun scheint es doch wieder ein Schenkungspaket zu geben, ausser den Finnen, eventuell noch Balten und Slowakei werden alle wieder abnicken und sich auf das Schenkungspaket 4 vorzubereiten.

"Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten." (Albert Einstein)
 
Grundlegendes Problem bei vielen Entscheidungsträgern, eigene Fehler nicht einzugestehen und sie somit immer wieder zu machen. Siehe BER und andere Projekte.

Anstatt verdammt nochmal zu sagen "ja OK war mist, müssen das nun ändern" wird auf teufel komm raus herumgedruckst und getrickst, kostet am ende das 3fache aber keiner musste sich "offiziell" einen Fehler eingestehen.

Kann ich auch nicht leiden
 
Ich würde sagen, die Verträge reichen prinzipiell nicht aus, um eine Währungsunion von Staaten mit unterschiedlicher Wirtschaftsleistung und unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Konzepten auf eine stabile Grundlage zu stellen. Dabei geht es keinesfalls um Transferleistungen oder so - *darüber* kann man ohnehin erst reden, wenn Europa zu einer politischen Union geworden ist. Die Kritik der Ökonomen (einmal mehr in dem von MiM verlinkten Artikel) zielt vielmehr darauf ab, dass eine Währungsunion nur funktionieren kann, wenn sich alle teilnehmenden Länder an eine Spielregel halten, die sich kaum in Gesetze pressen lässt: Niemand darf über seine Verhältnisse leben, wie Griechenland es jahrelang getan hat, aber es darf auch keiner deutlich unterbieten, so wie Deutschland es mit seinem Billiglohnsektor und der extremen Exportorientierung seit Jahr und Tag tut. Es ist unglaublich schwierig, den Deutschen zu erklären, dass ihr wirtschaftlicher Erfolg nicht auf eine grundsätzliche Überlegenheit des deutschen Way of Life zurückzuführen ist, sondern auf die Kombination von zu niedrigen Löhnen und Schutz vor Aufwertung im Euroraum. Kein Schwein begreift, warum Frankreich sich so angepisst fühlt; soll es doch aufhören, herumzujammern und lieber die Ärmel hochkrempeln, um mit dem gedopten Deutschland mithalten zu können. Doch so kann eine Währungsunion nicht funktionieren, das ist Wahnsinn.

Festzuhalten ist, dass der Euro theoretisch funktionieren könnte, auch mit ganz unterschiedlichen Ländern. Praktisch aber geht es ohne politische Union nicht - ausdrücklich nicht, weil eine Notwendigkeit bestünde, die unterschiedlichen Wirtschaftsleistungen auszugleichen, sondern weil ohne politische Union jedem Land das Hemd näher ist als der Rock.
Der ganze Beitrag ist verkehrt, ich picke mir nur eine 'Rosine' heraus:
Es ist unglaublich schwierig, den Deutschen zu erklären, dass ihr wirtschaftlicher Erfolg nicht auf eine grundsätzliche Überlegenheit des deutschen Way of Life zurückzuführen ist, sondern auf die Kombination von zu niedrigen Löhnen und Schutz vor Aufwertung im Euroraum.
Ja, diese Volkshochschulökonomen á la Blinddarm erblicken ganze zwei Parameter (scheinbar niedrige Löhne und schwacher Euro), dann macht's bei ihnen 'Klick!' oder 'Eureka!' und mit leuchtenden Augen dozieren sie auf uns, stumpfsinnige Nichtversteher, herab. :mad:
Lieber Blinddarm, erstens stimmt die Aussage mit den niedrigen Löhnen in D nicht, aber, auch wenn sie stimmen sollte, sie erklärt NOCH LANGE nicht den Wettbewerbsvorteil von Ländern wie D, Schweiz, Skandinavien, Österreich, Niederlande u.a. gegenüber dem Club Méditerranée.
Bürgersinn, gesellschaftlicher Konsens von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Arbeitskultur, allgemeine Lebenseinstellung zur beruflichen Leistung, funktionierende Institutionen und Behörden, zuverlässiges und bezahlbares Justizsystem, geringere Korruption, Sorge um die Ausbildungsplätze für die Jugend, Gestaltung des Bildungswesens, Förderung des Unternehmertums , usw. ...., das sind VIEL wichtigere Faktoren als hohe Löhne und niedrige Wechselkurse.

Denn schon vor dem Euro war D wirtschaftlich der Hegemon und die Bundesbank gefürchtet. Vor dem Euro war die DM stark und die deutschen Löhne höher als bei den heutigen Krisenländern.
Den Euro haben die Franzmänner (mit Unterstützung der perversen Engländer) den Deutschen aufgezwungen. Sie dachten, sie zähmen den BuBa-Löwen ... hahaha! ... stattdessen werden sie jetzt mit Haut und Knochen verspeist.

Es könnte einen rühren, wie sich Leute wie Blinddarm mit Hilfe dieser zwei Parameter (Löhne und Wechselkurse) die Wirtschafts-Welt, und was sie im innersten zusammenhält, erklären, ja, es könnte einen rühren, wenn's nicht so langweilig-lächerlich wäre.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: Elvisthegreat, Chaostheorie und GJanssen88
Das wundert mich nicht. H4 hat zwar auch den für Politiker angenehmen Nebeneffekt, dass man damit Arbeitslosigkeit "relativieren" und sie teilweise aus der Statistik verschwinden lassen kann. Aber der eigentliche Zweck von H4 lag darin, die Löhne unter Druck zu setzen. Sowas geht normalerweise nicht lange gut, denn "Autos kaufen keine Autos". Löhne sind zu ca. 60-70% Nachfrage. Also wird für den Export produziert, was die fehlende Binnennachfrage ausgleicht. Das funktioniert aber nur deshalb so wunderbar, weil Deutschland im Euro sitzt, deutsche Produkte also deutlich billiger sind, als sie eigentlich sein müssten.
Nein, H4 in Kombination mit dem Euro. Siehe oben.

Ich empfehle Dir dringend die Studie aus 2014 durchzulesen. Vielleicht bringt es Dir neue Erkenntnisse. Das H4 Geschwafel mitsamt dem Thema Lohndumping ist nun wirklich kein Argument mehr.

Auszug: (http://www.cream-migration.org/publ_uploads/CDP_06_14.pdf)

Die Studie „From Sick Man of Europe to Economic Superstar: Germany’s Resurgent Economy“ der Wirtschaftsforscher Christian Dustmann (University College London), Bernd Fitzenberger (Universität Freiburg), Uta Schönberg (University College London) und Alexandra Spitz-Oener (Humboldt-Universität zu Berlin) umfasst eine detaillierte Analyse der Umstände, die zu dem viel beachteten Wandel der deutschen Volkswirtschaft beigetragen haben.

Die wichtigsten Ergebnisse
Die Hauptursache für Deutschlands wirtschaftlichen Erfolg ist die besondere Struktur der industriellen Beziehungen, geprägt durch die Tarifautonomie, in der Verdienste und Arbeitsbedingungen nicht zentral rechtlich geregelt sind, sondern vielmehr durch Verträge und Vereinbarungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, bzw. zwischen Unternehmensleitungen und Betriebsräten, festgelegt werden.

Diese Flexibilität wurde offensichtlich im Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung, unter den extremen wirtschaftlichen Herausforderungen durch die Wiedervereinigung und die einsetztende Globalisierung, und erlaubte eine zunehmende Dezentralisierung der Lohnverhandlungen und im Ergebnis erhebliche Lohnzurückhaltung.

In der Folge fielen die Lohnstückkosten in Deutschland flächendeckend über alle Industriezweige, was die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportindustrie deutlich verbesserte.

Die Hartz-Reformen (2002-2005) spielten keine wesentliche Rolle in der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Der Prozess der Dezentralisierung der Lohnsetzung und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit hatte schon ein Jahrzehnt zuvor, etwa Mitte der 90er Jahre, begonnen. Die Ergebnisse der Studie eröffnen eine neue Sichtweise auf die Rolle der Wirtschaftspolitik in der viel beachteten wirtschaftliche Erholung Deutschlands. Als Lehre aus diesen Erfahrungen in Deutschland sollte den Autoren zufolge ein besonderes Augenmerk auf solche Arbeitsmarktreformen gelegt werden, die das System der industriellen Beziehungen daraufhin verändern, dass Lohnverhandlungen dezentral auf Firmenebene stattfinden, gleichzeitig aber Mitspracherechte für Arbeitnehmer (etwa über Betriesbräte) gesichert sind.
 
Auszug: (http://www.cream-migration.org/publ_uploads/CDP_06_14.pdf)

Die Studie „From Sick Man of Europe to Economic Superstar: Germany’s Resurgent Economy“ der Wirtschaftsforscher Christian Dustmann (University College London)

...


Die Hartz-Reformen (2002-2005) spielten keine wesentliche Rolle in der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Der Prozess der Dezentralisierung der Lohnsetzung und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit hatte schon ein Jahrzehnt zuvor, etwa Mitte der 90er Jahre, begonnen.

Das Gerede vom "Sick Man of Europe" kam erst nach der Jahrtausendwende auf, in den 90ern war davon absolut nichts zu hören. Das Wundermittel Tarifautonomie, das den angeblich kranken Mann angeblich wieder gesund gemacht hat, soll aber lt. deiner Studie bereits ab Mitte der 90er Jahre zum Einsatz gekommen sein. Glaubwürdig ist das nicht gerade. Es stellt sich ohnehin die Frage, warum sich die Gewerkschaften ohne Not die Tarifautonomie inklusive der in der Studie genannten Folgen ("erhebliche Lohnzurückhaltung") akzeptierten. Nein, da muss natürlich Druck vorhanden sein, und der heißt Hartz 4. Wenn unter dir ein Netz ist, das dich im Notfall auffängt, kannst du ganz anders auftreten als ohne Netz. Und Hartz 4 ist kein Netz, sondern eher eine Art Vorhölle als eine soziale Absicherung.
 
Das Gerede vom "Sick Man of Europe" kam erst nach der Jahrtausendwende auf, in den 90ern war davon absolut nichts zu hören. Das Wundermittel Tarifautonomie, das den angeblich kranken Mann angeblich wieder gesund gemacht hat, soll aber lt. deiner Studie bereits ab Mitte der 90er Jahre zum Einsatz gekommen sein. Glaubwürdig ist das nicht gerade. Es stellt sich ohnehin die Frage, warum sich die Gewerkschaften ohne Not die Tarifautonomie inklusive der in der Studie genannten Folgen ("erhebliche Lohnzurückhaltung") akzeptierten. Nein, da muss natürlich Druck vorhanden sein, und der heißt Hartz 4. Wenn unter dir ein Netz ist, das dich im Notfall auffängt, kannst du ganz anders auftreten als ohne Netz. Und Hartz 4 ist kein Netz, sondern eher eine Art Vorhölle als eine soziale Absicherung.

Das ist nicht meine Studie, lies einfach noch einmal.
Und wenn dass nicht hilft, versuche es unter dem Stichwort "Wettbewerbsfähigkeit". Da gibt es eine Menge weitere Studien, die Dir aufzeigen welche Hintergründe tatsächlich für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands verantwortlich sind.
Das kleingeistige H4 Gerede ist Deiner nicht würdig.
 
Das ist nicht meine Studie, lies einfach noch einmal.
Und wenn dass nicht hilft, versuche es unter dem Stichwort "Wettbewerbsfähigkeit". Da gibt es eine Menge weitere Studien, die Dir aufzeigen welche Hintergründe tatsächlich für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands verantwortlich sind.
Das kleingeistige H4 Gerede ist Deiner nicht würdig.

Ja, aber deine Verweigerung anzuerkennen das mit der Einführung von Hartz4 die Voraussetzungen gelegt wurde damit die Gewerkschaften selbst in starken Jahren des Wirtschaftlichen Erfolges bereit waren eine übertriebene Lohnzurückhaltung zu akzeptieren ist Deiner nicht würdig.

Diese Flexibilität wurde offensichtlich im Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung, unter den extremen wirtschaftlichen Herausforderungen durch die Wiedervereinigung und die einsetztende Globalisierung, und erlaubte eine zunehmende Dezentralisierung der Lohnverhandlungen und im Ergebnis erhebliche Lohnzurückhaltung.

Die Tarifautonomie ist eine Eigenschaft des deutschen Wirtschaftssystems, aber hier wird mit der zunehmenden Dezentralisierung ein besonderer Aspekt angesprochen. Was bedeutet die zunehmende Dezentralisierung? Nun, den Arbeitgebern wurden immer mehr die Mittel in die Hand gegeben um imm kleinteiliger und differenzierte Verträge mit den Gewerkschaften für ihr Unternehmen oder auch nur für Teile ihres Unternehmens abzuschließen. Die Folge war das statt eines flächendeckenden Branchentarifvertrages oftmals Haustarifverträge in diversen Formen gang und gäbe wurden. Viele Arbeitgeber nutzen dieses um für sie günstigere Verträge abzuschließen, da die stärke der Arbeitnehmerseite entscheidend vom Organisationsgrad und der Fähigkeit zum wirkungsvollen Arbeitskampf abhängt. Je kleiner um so weniger Durchsetzungsfähig waren dir Forderungen der Gewerkschaften. Die Arbeitgeber zogen letztlich damit die Konsequenz aus der Vergangenheit, wo die noch starken Gewerkschaften harte Auseinandersetzungen führten, wie zum Beispiel um die Einführung der 35-Stunden-Woche Anfang der 1980er.
Die Aufsplitterung der Tariflandschaft wurde nach dem Jahre 2002 von der Einführung von Hartz4 zusätzlich flankiert und verstärkt, hatte ihren Ursprung aber schon in der Regierungszeit Kohl. Der Kündigungsschutz wurde unter der CDU/FDP-Regierung eingeschränkt durch die Schaffung befristeter Arbeitsverträge und gleichzeitiger Flexibilisierung der Arbeitszeit. Zu erwähnen ist auch der § 116 AFG, wo die Kohlsche Bundesregierung die Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen zu Gunsten der Arbeitgeber beseitigte. Nicht zu vergessen die in der Kohl-Regierung beschlossenen Kürzungen im Sozialwesen.
Die Neugliederung der Sozialsysteme trug dazu bei das die Absicherung des Lebensstandards im Falle einer Arbeitslosigkeit deutlich verkürzt bzw. gar nicht mehr vorhanden ist. Das eigentlich genannte Prinzip des "Fördern und Fordern" wurde vielfach durch die Regelungen zu einem schlichten Fordern verkürzt. Die fehlende Absicherung erhöhte den Druck auf Arbeitnehmer, weil ihnen damit im Falle eines Arbeitsplatzverlustes der Sturz ins soziale und finanzielle Nichts drohte. Entsprechend war die Bereitschaft Konflikte mit den Arbeitgebern auszutragen deutlich beschnitten, was man letztlich auch an den viel zu niedrigen Tarifabschlüssen in den folgenden Jahren gemessen an der Wirtschaftsleistung sehen kann. Während die Einkommen aus Arbeit immer mehr zurückfielen stiegen die Einkünfte aus Kapitalinvestitionen in Unternehmen und die Unternehmensgewinne stark. Die Boom-Jahre gingen an den Arbeitnehmern vorbei ohne das sie von ihrer Leistung profitieren konnten.
Die Aufsplitterung der Tariflandschaft ist zudem von den Arbeitgebern auch dadurch verstärkt worden das eine große Anzahl sich von den Arbeitgeberverbänden gelöst haben und ohne Tarifbindung dastehen, was in vielen Fällen die Folge hat das sie sich noch unter den eh schon niedrigen Tariflöhnen eingruppieren. Interessanterweise wird bei Streiks von noch schlagkräftigen Gewerkschaften gleich nach einem Tarifeinheitsgesetz gerufen, wie es die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, nur weil hier eine Spartengewerkschaft die Interessen ihrer Mitglieder vertritt. Andersherum schert es aber niemanden in der Regierung wenn Arbeitgeber Betriebsteile ausgliedern um diese dann unter einem schlechteren oder gar keinen Tarifvertrag weiter zu beschäftigen.
Die Regierungen erleichterten zudem den Unternehmen in vielen Bereichen die Position der Arbeitnehmer weiter zu schwächen, zum Beispiel durch die Stärkung der Leiharbeit und Werkverträge. Diese zunehmende Prekarisierung der Arbeitswelt ist einer der wesentlichen Gründe warum die Gewerkschaften so schwach sind, und die Arbeitnehmer nicht vom wirtschaftlichen Erfolg den sie erarbeiten profitieren. Das zu verleugnen heißt das verschließen der Augen vor der Realität.
Der wirtschaftliche Erfolg des Landes ist also ein äußerst zweischneidiges Schwert. Besonders auch wenn man betrachtet das dieser Erfolg weitgehend auf der Exportwirtschaft basiert die durch die erwähnten Maßnahmen gestärkt wurde, während der Binnenmarkt weitgehend schwach blieb. Diese extreme Orientierung auf den Export als tragende Säule hat einiges an Risiken. Zum einen ist man beständig gezwungen darauf zu achten das man in internationalen Wettbewerb in einem Konkurrenzwettbewerb nicht zurückfällt, also die Wettbewerbsfähigkeit stärkt durch niedrige Lohnkosten (in Relation zur Produktivität und zu Lasten der Arbeitnehmer und der Binnenwirtschaft) und zugleich schafft man eine starke Abhängigkeit von den Märkten. Bricht also wie jetzt zu befürchten der entscheidende chinesische Markt stark ein, dann gefährdet das trotz der starken Wettbewerbsfähigkeit im Inland Arbeitsplätze und Unternehmen insgesamt.
Weiterhin ist diese extensiv auf den Export ausgelegte Wirtschaftspolitik mit dem Ziel einen möglichst hohen Überschuss zu erzielen ein Grund warum andere Länder ein Defizit haben und somit in eine Schieflache geraten. Nun kann man hingehen und sagen das diese dann halt gezwungen sind ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit in Relation zu Deutschland zu stärken, doch das würde unweigerlich zu einem direkten Konkurrenzkampf um die schlechtesten Bedingungen in Sachen Arbeit, Umwelt und Sozialstandards führen um die Kosten zu senken und dadurch Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: macjosbert
Ja, aber deine Verweigerung anzuerkennen das mit der Einführung von Hartz4 die Voraussetzungen gelegt wurde damit die Gewerkschaften selbst in starken Jahren des Wirtschaftlichen Erfolges bereit waren eine übertriebene Lohnzurückhaltung zu akzeptieren ist Deiner nicht würdig.

H4 ist ein kleines "Puzzleteilchen", die Gewerkschaften haben aus ganz anderen Gründen mitgemacht.
Im übrigen liegt Deutschland bei den Lohnkosten durchaus im Mittelfeld in der EU.
Ich kann auch Dir nur den Tip geben, das Thema Wettbewerbsfähigkeit näher zu beleuchten, das ist viel mehr als Lohn-Gehalt- oder H4.
Natürlich ist es für den einen oder anderen viel einfacher und bequemer eher emotional aufgeladene Gründe wie H4 nach vorne zu schieben.
In der Regel wird das auch eher von Leuten praktiziert die nie ein Unternehmen gegründet, geführt oder bei manchen darin gearbeitet haben.
 
Ja, aber deine Verweigerung anzuerkennen das mit der Einführung von Hartz4 die Voraussetzungen gelegt wurde damit die Gewerkschaften selbst in starken Jahren des Wirtschaftlichen Erfolges bereit waren eine übertriebene Lohnzurückhaltung zu akzeptieren ist Deiner nicht würdig.



Die Tarifautonomie ist eine Eigenschaft des deutschen Wirtschaftssystems, aber hier wird mit der zunehmenden Dezentralisierung ein besonderer Aspekt angesprochen. Was bedeutet die zunehmende Dezentralisierung? Nun, den Arbeitgebern wurden immer mehr die Mittel in die Hand gegeben um imm kleinteiliger und differenzierte Verträge mit den Gewerkschaften für ihr Unternehmen oder auch nur für Teile ihres Unternehmens abzuschließen. Die Folge war das statt eines flächendeckenden Branchentarifvertrages oftmals Haustarifverträge in diversen Formen gang und gäbe wurden. Viele Arbeitgeber nutzen dieses um für sie günstigere Verträge abzuschließen, da die stärke der Arbeitnehmerseite entscheidend vom Organisationsgrad und der Fähigkeit zum wirkungsvollen Arbeitskampf abhängt. Je kleiner um so weniger Durchsetzungsfähig waren dir Forderungen der Gewerkschaften. Die Arbeitgeber zogen letztlich damit die Konsequenz aus der Vergangenheit, wo die noch starken Gewerkschaften harte Auseinandersetzungen führten, wie zum Beispiel um die Einführung der 35-Stunden-Woche Anfang der 1980er.
Die Aufsplitterung der Tariflandschaft wurde nach dem Jahre 2002 von der Einführung von Hartz4 zusätzlich flankiert und verstärkt, hatte ihren Ursprung aber schon in der Regierungszeit Kohl. Der Kündigungsschutz wurde unter der CDU/FDP-Regierung eingeschränkt durch die Schaffung befristeter Arbeitsverträge und gleichzeitiger Flexibilisierung der Arbeitszeit. Zu erwähnen ist auch der § 116 AFG, wo die Kohlsche Bundesregierung die Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen zu Gunsten der Arbeitgeber beseitigte. Nicht zu vergessen die in der Kohl-Regierung beschlossenen Kürzungen im Sozialwesen.
Die Neugliederung der Sozialsysteme trug dazu bei das die Absicherung des Lebensstandards im Falle einer Arbeitslosigkeit deutlich verkürzt bzw. gar nicht mehr vorhanden ist. Das eigentlich genannte Prinzip des "Fördern und Fordern" wurde vielfach durch die Regelungen zu einem schlichten Fordern verkürzt. Die fehlende Absicherung erhöhte den Druck auf Arbeitnehmer, weil ihnen damit im Falle eines Arbeitsplatzverlustes der Sturz ins soziale und finanzielle Nichts drohte. Entsprechend war die Bereitschaft Konflikte mit den Arbeitgebern auszutragen deutlich beschnitten, was man letztlich auch an den viel zu niedrigen Tarifabschlüssen in den folgenden Jahren gemessen an der Wirtschaftsleistung sehen kann. Während die Einkommen aus Arbeit immer mehr zurückfielen stiegen die Einkünfte aus Kapitalinvestitionen in Unternehmen und die Unternehmensgewinne stark. Die Boom-Jahre gingen an den Arbeitnehmern vorbei ohne das sie von ihrer Leistung profitieren konnten.
Die Aufsplitterung der Tariflandschaft ist zudem von den Arbeitgebern auch dadurch verstärkt worden das eine große Anzahl sich von den Arbeitgeberverbänden gelöst haben und ohne Tarifbindung dastehen, was in vielen Fällen die Folge hat das sie sich noch unter den eh schon niedrigen Tariflöhnen eingruppieren. Interessanterweise wird bei Streiks von noch schlagkräftigen Gewerkschaften gleich nach einem Tarifeinheitsgesetz gerufen, wie es die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, nur weil hier eine Spartengewerkschaft die Interessen ihrer Mitglieder vertritt. Andersherum schert es aber niemanden in der Regierung wenn Arbeitgeber Betriebsteile ausgliedern um diese dann unter einem schlechteren oder gar keinen Tarifvertrag weiter zu beschäftigen.
Die Regierungen erleichterten zudem den Unternehmen in vielen Bereichen die Position der Arbeitnehmer weiter zu schwächen, zum Beispiel durch die Stärkung der Leiharbeit und Werkverträge. Diese zunehmende Prekarisierung der Arbeitswelt ist einer der wesentlichen Gründe warum die Gewerkschaften so schwach sind, und die Arbeitnehmer nicht vom wirtschaftlichen Erfolg den sie erarbeiten profitieren. Das zu verleugnen heißt das verschließen der Augen vor der Realität.
Der wirtschaftliche Erfolg des Landes ist also ein äußerst zweischneidiges Schwert. Besonders auch wenn man betrachtet das dieser Erfolg weitgehend auf der Exportwirtschaft basiert die durch die erwähnten Maßnahmen gestärkt wurde, während der Binnenmarkt weitgehend schwach blieb. Diese extreme Orientierung auf den Export als tragende Säule hat einiges an Risiken. Zum einen ist man beständig gezwungen darauf zu achten das man in internationalen Wettbewerb in einem Konkurrenzwettbewerb nicht zurückfällt, also die Wettbewerbsfähigkeit stärkt durch niedrige Lohnkosten (in Relation zur Produktivität und zu Lasten der Arbeitnehmer und der Binnenwirtschaft) und zugleich schafft man eine starke Abhängigkeit von den Märkten. Bricht also wie jetzt zu befürchten der entscheidende chinesische Markt stark ein, dann gefährdet das trotz der starken Wettbewerbsfähigkeit im Inland Arbeitsplätze und Unternehmen insgesamt.
Weiterhin ist diese extensiv auf den Export ausgelegte Wirtschaftspolitik mit dem Ziel einen möglichst hohen Überschuss zu erzielen ein Grund warum andere Länder ein Defizit haben und somit in eine Schieflache geraten. Nun kann man hingehen und sagen das diese dann halt gezwungen sind ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit in Relation zu Deutschland zu stärken, doch das würde unweigerlich zu einem direkten Konkurrenzkampf um die schlechtesten Bedingungen in Sachen Arbeit, Umwelt und Sozialstandards führen um die Kosten zu senken und dadurch Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen.
Klasse Beitrag, der hätte es absolut verdient in unseren Qualitätsmedien veröffentlicht zu werden. Solch fundierte Beiträge liest man selten.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: BlueFalcon
H4 ist ein kleines "Puzzleteilchen", die Gewerkschaften haben aus ganz anderen Gründen mitgemacht.
Im übrigen liegt Deutschland bei den Lohnkosten durchaus im Mittelfeld in der EU.
Ich kann auch Dir nur den Tip geben, das Thema Wettbewerbsfähigkeit näher zu beleuchten, das ist viel mehr als Lohn-Gehalt- oder H4.
Natürlich ist es für den einen oder anderen viel einfacher und bequemer eher emotional aufgeladene Gründe wie H4 nach vorne zu schieben.
In der Regel wird das auch eher von Leuten praktiziert die nie ein Unternehmen gegründet, geführt oder bei manchen darin gearbeitet haben.

So klein ist das Puzzelteilchen nicht. Es fügt sich aber nahtlos in die Reiher vieler ein und ergibt damit ein Gesamtbild. Das die Wettbewerbsfähigkeit mehr ist als nur das Lohngefüge und H4 ist klar, und habe ich auch so geschrieben, wie meine Erwähnung der Produktivität. Jedoch steht die Produktivität inzwischen in einer ganz anderen Relation zu den Einkommen der normalen Arbeitnehmer als früher. Die Produktivitätzuwächse die letztlich ja durch die Leistung der Arbeitnehmer entstehen, wurden nicht entsprechend auch an diese in angemessener Form weitergegeben sondern bedienten zu weitaus überwiegenden Teil die Renditen und letztlich die verteilten Gewinne der Anteilseigner.
Es wurde in der deutschen Wirtschaft zunehmend das Shareholder-Prinzip verwirklicht und nicht das Stakeholder-Prinzip das einen gerechten Ausgleich zwischen den Ansprüchen aller Interessengruppen verfolgt. Das, so habe ich auch schon geschrieben, begann eben nicht mit Hartz4, sondern startete schon Beginn der 80er in der Ära Kohl. Wobei auch schon vorher erste Ansätze erkennbar waren und auf die Regierungsbeteiligung der FDP zurückzuführen waren. Ich erinnere da mal an das Lambsdorff-Papier "Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit" aus dem Jahre 1982. Drei Wochen nach der Vorlage dieses Papiers, das auf Ablehnung der SPD unter Schmidt stieß (O-Ton Schmidt: "Dokument der Trennung"), zerbrach die Koalition und Kohl wurde mit den Stimmen der FDP zum Kanzler gewählt.
Unter Kohl erfolgte dann auch mit der Finanzierung der Einheit weitgehend zu Lasten der Sozialkasten der nächste Schritt. Da diese die Kosten der Sozialkassen erhöhten wurden anschließend mit dem Verweis auf die Lohnnebenkosten dazu übergegangen Leistungen der Kassen zu kürzen. Das die "Marode" Situation der Rentenkasse und weiterer Sozialkassen direkte Folge der Politik der Kohlschen Regierung war spielte keine Rolle, sondern wurde billigend in Kauf genommen, um anschließend das Soziale Netz der Absicherung weiter auszudünnen. Ohne dieses Netz jedoch haben Arbeitnehmer wie ein Vorredner geschrieben hat nicht die Kraft ihre Interessen gegenüber denen der Sahreholder und Unternehmensleitungen durchzusetzen.
Letztlich kann man ohne Einschränkungen sagen das seit Beginn der 80er Jahre das Augenmerk in Sachen Wettbewerbsfähigkeit weitgehend auf den Aspekt der preislichen Wettbewerbsfähigkeit, also den Kosten der Entstehung und der Rendite auf das eingesetzte Kapital gelegt wurde. Die Nichtpreisliche Wettbewerbsfähigkeit (Qualität, Zuverlässigkeit, Design, u.ä.)wurde zwar nicht vollkommen über Bord geworfen, trat jedoch in den Hintergrund.
 
Zuletzt bearbeitet:
Letztlich kann man ohne Einschränkungen sagen das seit Beginn der 80er Jahre das Augenmerk in Sachen Wettbewerbsfähigkeit weitgehend auf den Aspekt der preislichen Wettbewerbsfähigkeit, also den Kosten der Entstehung und der Rendite auf das eingesetzte Kapital gelegt wurde. Die Nichtpreisliche Wettbewerbsfähigkeit (Qualität, Zuverlässigkeit, Design, u.ä.)wurde zwar nicht vollkommen über Bord geworfen, trat jedoch in den Hintergrund.

Welche (erfolgreichen) deutschen Exportprodukte sind denn billiger und dafür aber schlechter als die des Wettbewerbs?
 
Welche (erfolgreichen) deutschen Exportprodukte sind denn billiger und dafür aber schlechter als die des Wettbewerbs?
Habe ich das behauptet? Ich sagte diese Dinge traten in den Hintergrund, nicht das sie total vernachlässigt wurden. Aber ein Beispiel wäre in der Autoindustrie die mangelnde Beachtung von Zukunftstechnologien. Die Asiatischen Hersteller sind immer wieder Vorreiter gewesen was zum Beispiel die Umwelttechnologien angeht. Hybridfahrzeuge kamen von dort in den Markt. Vieles an Innovationen, auf die wir ja so stolz sind, kamen in den letzten Jahren und Jahrzehnten von Außerhalb in den Markt, selbst wenn die eigentliche Entwicklung hier in Deutschland stattgefunden hatte.
Aber deine Frage ich eher eine Fangfrage. Du spielst auf ein Konkretes Beispiel dafür an wo deutsche Produkte billiger und schlechter waren als die des Wettbewerbs. Es mag durchaus solche Einzelbeispiel geben, doch es geht nicht um solche Einzelbeispiele sondern um das Gesamtbild. Der Preis spielt beim Verkauf von Produkten eine entscheidende Rolle, und das kann niemand abstreiten. Wenn also die deutschen Produkte durch die massive Kostenreduktion im Verhältnis (!) zu den Produkten anderer billiger wurden, heißt das nicht das wir sie zum Schleuderpreis unterhalb des Niveaus der Konkurrenz verscheuerten. Es heißt das zum Beispiel der Qualitätsvorsprung nicht im Preis widergespiegelt wurde weil die Lohnkosten anteilig niedriger waren und so die eigentliche Differenz schrumpfte. Somit konnte man leichter verkaufen ohne mühselig zum Beispiel mit Qualität argumentieren zu müssen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn also die deutschen Produkte durch die massive Kostenreduktion im Verhältnis (!) zu den Produkten anderer billiger wurden, heißt das nicht das wir sie zum Schleuderpreis unterhalb des Niveaus der Konkurrenz verscheuerten


Kannst Du das mal etwas genauer erläutern?
Die deutschen Lohnkosten in der Industrie liegen 30% über dem EU Schnitt und belegen den Rang 4 innerhalb der EU.
Nur durch die sehr hohe Produktivität, der Qualität und der Innovation ist Deutschland konkurrenzfähig.
Das momentan der Eurokurs, der Ölpreis und noch einige andere Faktoren eine erhebliche Rolle spielen ist wohl unbestritten.
 
Wenn wir ein Produkt A zum Preis für 100 erstellen, es aber dank der massiven Kostenreduktion (Die Lohnentwicklung der letzten 15 Jahre sind ja nichts anderes) für 80 auf den Markt bringen, dann steht es zu denjenigen die ihre Produkte mit deutlich schlechterer Qualität für 75 anbieten müssen weil ihre Kosten keinen günstigeren Preis zulassen. Wir führen den Wettbewerb eben nicht nur über die Qualität (oder andere nicht tarifäre Merkmale) sondern auch über den Preis.
 
Dem hat hier keiner widersprochen. Das ist aber eben auch nur ein Faktor.
Und die Löhne (auch die sind nur ein Faktor im Preis) sind im Vergleich mit den anderen Industrieländern in der EU, wie ich bereits gepostet habe, 30% über dem EU Schnitt.
Das ist viel zu kurz gesprungen.
 
Es bleibt dann die Frag was wäre wenn die Löhne in Deutschland in den letzten Jahrzehnten nicht unter der vergleichbaren Entwicklung in den Nachbarländern geblieben wären, und das Lohnniveau eben nicht so massiv unter Druck gekommen wäre. Auch wenn es die Arbeitgeber nicht gern zugeben, und immer Jammern das man doch hier viel verdienen würde und das die Lohnkosten viel zu hoch seinen. Die Zahlen sprechen eben eine andere Sprache. Schauen wir doch mal auf die Reallohnentwicklung in den Jahren 2000 bis 2008:

Da hatten vergleichbare Länder eine positive Entwicklung, wie z.B. Groß Britannien von +26,1%, Frankreich von immerhin 9,6% und Österreich immerhin noch 2,9% in diesen 8 Jahren, was ja mager erscheinen mag. Deutschland hingegen hatte eine beeindruckende Entwicklung von -0,8% bei den Realeinkommen pro Kopf aus unselbstständiger Arbeit einschließlich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung! Das zeigt eindeutig das die Arbeit in Deutschland deutlich billiger wurde, und damit ein Mittel wurde um den Wettbewerb darüber auszutragen. Da mögen die Arbeitskosten je geleisteter Arbeitsstunde im Mittelfeld der europäischen Staaten liegen, wenn wie behauptet in Deutschland jedoch so viel bessere Qualität gefertigt wird und auch die anderen Faktoren für unsere Produkte sprechen, dann müssten sie an der Spitze liegen. Die Arbeitskosten pro geleisteter Arbeitsstunde in der Privatwirtschaft für 2010 lagen da in Deutschland hinter denen von Belgien, Dänemark, Schweden, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden auf Rang 7, nur geringfügig über dem Schnitt der Euro-Zone, wohl aber nahe 30% über dem der gesamten EU die eben auch Länder wie Bulgarien, Rumänien Litauen oder Lettland. Sollen die letztgenannten Vergleichsmaßstab sein? Es ist so das selbst die sonst immer arbeitgeberfreundliche Welt schreiben musste :"Löhne in Deutschland sind im EU-Vergleich niedrig"!
Sehr interessante Zahlen liefert übrigens auch Eurosatt selbst: Für 2014 lagen die Arbeitskosten in Deutschland bei 31,4€/h im Schnitt der Euro-Zone bei 29,2€/h! Also wahrlich kein bedeutender Unterschied, oder? Belgien lag im übrigen bei 39€/h und Dänemark bei 40,3€/h! Jetzt mag man sagen das Deutschland kein Niedriglohnland ist wenn man irgendein Land aus dem ehemaligen Ostblock heranzieht wie Lettland mit 6,6€/h, doch dann muss man auch mal fragen welchen Vergleichsmaßstab wir anlegen wollen, denn es gibt in Afrika Länder gegenüber die selbst Lettland ein Hochlohnland ist.
Und dann schaut man sich mal die Entwicklung der letzten Jahrzehnte an, und nimmt mal zum Beispiel Dänemark. Dort lag die Arbeitsstunde im Jahr 2000 bei 27€/h während sie in Deutschland bei 24,6€/h lag. Fällt dir da etwas auf? Genau, unsere Arbeitskosten sind gestiegen, aber bedeutend langsamer als zum Beispiel bei unserem nördlichen Nachbarn. Und dieses zieht sich wie ein roter Faden quer durch nahezu alle unserer Wettbewerber auf ähnlichem Leistungsniveau. Folglich haben wir uns einen Wettbewerbsvorteil erkauft auf dem Kostensektor zu lasten der Arbeitnehmer in diesem Land. Eben jenen Arbeitnehmern die die vielbeschworene tolle Qualität abliefern, dafür aber nicht in gleichem Maße profitierten wie jene die als Investoren und Unternehmer die Gewinne einstrichen in die letzten Jahren.

Quellen:
http://www.eu-info.de/deutsche-europapolitik/Umfragen-Statistiken-Deutschland/reallohn/

Die Welt 12.12.2011: http://www.welt.de/wirtschaft/artic...Deutschland-sind-im-EU-Vergleich-niedrig.html

Zahlen jeder Art bei Eurostat: http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=lc_lci_lev&lang=de
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: macjosbert und WanTan
Zurück
Oben Unten