Hallo allerseits,
macht Ihr Euch auch manchmal Gedanken darüber, wie es mit Apple im Allgemeinen und dem Macintosh im Besonderen längerfristig weitergeht? Das heißt, weit über Spekulationen um einen 3 GHz G5 hinaus?
Wer sagt denn, daß Apples Zukunft im Computermarkt liegt? Zur Zeit gibt es deutliche Zeichen für eine massive Umorientierung von Apple hin zum Musikmarkt und "Premium"-Unterhaltungselektronik, sprich dem iPod. Und diesmal sind sie offenbar wirklich erfolgreich.
Mal Hand aufs Herz liebe Leute: Der Macintosh war - nach klassischen kapitalistischen Erfolgskriterien betrachtet - doch nie ein richtig erfolgreicher Computer, sondern stets ein Nischenprodukt. Selbst der iMac G3 vermochte nie mehr als ein paar Prozent des Marktes für sich zu gewinnen. Der Marktanteil bleibt gleich - trotz Switch-Kampagne/OS X/gutem Image hier und Spyware/Virenterror/schlechtem Image dort.
Apple hat mit dem Mac drei schwerwiegende Fehler gemacht:
- Sie haben die Architektur viel zu spät lizenziert. Als sie es taten, hatte der PC schon gewonnen und die Verkäufe der Clones drückten auf die Verkäufe der Originale.
- Sie haben viel zu lange für Copland/Rhapsody/OS X gebraucht. Wenn man 1998 noch kein preemptives Multitasking hat, ist das ist einfach schlecht. Seht euch System 7.5 an im Vergleich zu Mac OS 9.2, zwischen den beiden Versionen hat sich aus meiner Sicht nichts großes getan.
- Der G4 saß viel zu lange auf demselben Entwicklungsstand fest.
Die installierte Basis an Macintosh-Computer beträgt, wenn man Jobs Angaben auf der Keynote glauben will, etwa 23 Millionen Rechner (9 Mio. sind ca. 40 % von 23 Mio.). Mal kurz gegoogelt - Leute, das ist in etwa dieselbe Basis wie 1996!
*Kein Wachstum* in *acht* Jahren!
Zitat dazu aus dem erstbesten Link (http://members.aol.com/MacGui/hypfeb96.html): "The Macintosh computing platform has an installed base of some 20 million machines, with over 50 million users, according to Apple."
Ich wäre nicht überrascht, wenn Apple den Macintosh über kurz oder lang einstellen würde. Denkt daran, Jobs sagte anno 97, nachdem er wieder zu Apple kam: "I would milk the Macintosh as long as possible, until the next big thing shows up" (oder so ähnlich, aber sinngemäß).
Und wieder schnell ergoogelt: http://archive.scripting.com/1997/06/11 (recht weit unten ist Jobs Spruch)
Ich nehme an, daß Jobs im Musikgeschäft das "next big thing" sieht und er gefällt sich in seiner Rolle als "Big Player" im Markt, das war während der Keynote am 7. Januar wohl offensichtlich ("Endlich einmal mehr als die üblichen 5 % Marktanteil...").
Hier meine Theorie, wie Apples Unternehmensstrategie seit 1997 ausgesehen haben könnte:
Seit 1997 versucht Jobs aus dem Mac-Geschäft auszusteigen, wobei er allerdings noch rausholt, was drin ist. *Langfristige* Investitionen in die Zukunft bleiben aus, es gibt keine *langfristigen* Ankündigungen mehr.
Gleich am Anfang wurde alles eingestampft, was kurzfristig nicht lukrativ erschien (z.B. Digitalkameras, PDAs - beides heute Massenmarkt!).
1998: Es gibt kein "next big thing". Also was tun? Wir packen die Rechner in durchdesignte Gehäuse und machen auf Lifestyle. Der iMac bringt uns über die Runden.
Auch 2000 ist nichts in Sicht, aber man hatte ja etwas in petto: Aus dem jahrelangen Gewürge um das Mac OS der nächsten Generation wird schließlich OS X. OK, das hört Ihr nicht gern, aber wo war Apples Innovation dabei? Die Systemkomponenten von NeXT gekauft, der Kernel von der Open Source Gemeinde und das Ganze mit einer schönen Benutzeroberfläche garniert. Denkt jetzt bitte nicht, daß ich OS X für schlecht halte. Im Gegenteil, meiner Meinung nach ist es das Beste, was zur Zeit an Desktop-Betriebssystemen auf dem Markt ist. Trotzdem hätte Apple die Chance gehabt, wie damals anno 84 ein völlig neues Konzept zu wagen, etwas das auch OS X in den Schatten stellt. Haben Sie aber nicht getan, denn der kurzfristige Gewinn war ihnen wichtiger.
2001: Inzwischen spricht es sich rum, daß MP3-Dateien so bequem aus dem Internet herunterzuladen sind. Jobs sieht seine Chance, beginnt mit der Entwicklung eines MP3-Players. Ihm ist klar, daß es Jahre braucht, bis aus Musik aus dem Internet eine ernsthafte Einnahmequelle wird, wenn überhaupt. Deshalb streckt er seine Fühler aus: wie weit kann man mit Lifestyle-Computern gehen? Der Cube kommt auf den Markt - und wird ein Flop. Die Leute wollen Leistung, kein Design.
IBM kommt ins Spiel: Sie wollen eine Desktop-Variante des Power4 Serverprozessors bauen. Apple verhandelt mit IBM: Der Desktop Power4 soll eine Vektoreinheit enthalten und dafür in Macintosh-Rechnern zum Einsatz kommen. IBM "klebt" daraufhin eine Vektoreinheit "dran", die sie in ihren eigenen Produkten gar nicht nutzen. Seht euch die Architektur des G5 im Vergleich zum G4 an: Die Vektoreinheit ist deutlich schlechter ins Gesamtkonzept integriert. Durch Taktratensteigerung gleicht man den Verlust glücklicherweise sehr gut aus.
2003 verabschiedet Apple sich vom teueren Design. Billig aber gut ist gefragt, Alu kleidet die neuen Rechner. Vorbei die Zeiten mit Titan und halbtransparenten Kunstoff-Metall-Gehäusen.
Die Ära Macintosh nähert sich dem Ende. Die letzten Jahre waren nur noch vom Warten auf das neue Ziel geprägt, mit dem Mac als Sprungbrett in eine neue Zukunft.
Jobs will die Puppen tanzen lassen. Er will seine Visionen in jedem Haushalt sehen, das Leben der Leute grundlegend ändern und nicht täglich am Rande der öffentlichen Wahrnehmung mit einem Nischenprodukt gegen übermächtige Konkurrenten ankämpfen.
Und das in einer Zeit, in der jeder Alternativen zu Windows sucht. Jetzt werdet Ihr Euch fragen: "Warum den Macintosh dann aufgeben?" Ganz einfach: Umstiegswillige Windows-Nutzer denken über Linux nach, nicht über Mac OS. Schon mal gelesen: "Stadtverwaltung steigt auf Mac OS um"? Eher nicht, oder? Kein Wunder, es ist teuer und riskant genug, neue Software anzuschaffen und alte Hardware teilweise weiterzuverwenden. Die Zukunft ist nicht "Windows", aber auch nicht "Macintosh".
Ist Linux die Zukunft? Ein Betriebssystem, das auf über 40 Jahre alten Konzepten basiert mit einem GUI-System, das aus den 80er Jahren stammt und im Desktop-Einsatz als Client-Server basiertes Modell keinesfalls ideal ist?
Ist Java die Zukunft? "Wohin mit der Prozessorleistung? Verbraten wir Sie in einer Emulation, wir haben ja genug!" Ist es damit womöglich egal, welchen Computer man verwendet?
Sind Desktop-Computer überhaupt die Zukunft? Sie sind wohl eher die Gegenwart.
Was auf uns zukommt wissen wir nicht, aber es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Wort "Macintosh" vielleicht schon bald dieselben wonnigen Nostalgiegefühle auslöst, wie heute "C64" oder "Amiga".
"Von Apple, das sind die, die heute auf Musik machen". Wenn sie Glück haben.
Das sind lediglich meine Gedanken zur Zukunft Apples, und da sie scheinbar noch niemand bislang so formuliert hat, tue ich es jetzt.
Aber wie es auch kommt, ich möchte Mac-User bleiben solange es geht - obwohl Corel aus dem Mac-Markt aussteigt, was ein verdammt schwerer Schlag für meine Arbeit ist.
Viele Grüße,
Simon
macht Ihr Euch auch manchmal Gedanken darüber, wie es mit Apple im Allgemeinen und dem Macintosh im Besonderen längerfristig weitergeht? Das heißt, weit über Spekulationen um einen 3 GHz G5 hinaus?
Wer sagt denn, daß Apples Zukunft im Computermarkt liegt? Zur Zeit gibt es deutliche Zeichen für eine massive Umorientierung von Apple hin zum Musikmarkt und "Premium"-Unterhaltungselektronik, sprich dem iPod. Und diesmal sind sie offenbar wirklich erfolgreich.
Mal Hand aufs Herz liebe Leute: Der Macintosh war - nach klassischen kapitalistischen Erfolgskriterien betrachtet - doch nie ein richtig erfolgreicher Computer, sondern stets ein Nischenprodukt. Selbst der iMac G3 vermochte nie mehr als ein paar Prozent des Marktes für sich zu gewinnen. Der Marktanteil bleibt gleich - trotz Switch-Kampagne/OS X/gutem Image hier und Spyware/Virenterror/schlechtem Image dort.
Apple hat mit dem Mac drei schwerwiegende Fehler gemacht:
- Sie haben die Architektur viel zu spät lizenziert. Als sie es taten, hatte der PC schon gewonnen und die Verkäufe der Clones drückten auf die Verkäufe der Originale.
- Sie haben viel zu lange für Copland/Rhapsody/OS X gebraucht. Wenn man 1998 noch kein preemptives Multitasking hat, ist das ist einfach schlecht. Seht euch System 7.5 an im Vergleich zu Mac OS 9.2, zwischen den beiden Versionen hat sich aus meiner Sicht nichts großes getan.
- Der G4 saß viel zu lange auf demselben Entwicklungsstand fest.
Die installierte Basis an Macintosh-Computer beträgt, wenn man Jobs Angaben auf der Keynote glauben will, etwa 23 Millionen Rechner (9 Mio. sind ca. 40 % von 23 Mio.). Mal kurz gegoogelt - Leute, das ist in etwa dieselbe Basis wie 1996!
*Kein Wachstum* in *acht* Jahren!
Zitat dazu aus dem erstbesten Link (http://members.aol.com/MacGui/hypfeb96.html): "The Macintosh computing platform has an installed base of some 20 million machines, with over 50 million users, according to Apple."
Ich wäre nicht überrascht, wenn Apple den Macintosh über kurz oder lang einstellen würde. Denkt daran, Jobs sagte anno 97, nachdem er wieder zu Apple kam: "I would milk the Macintosh as long as possible, until the next big thing shows up" (oder so ähnlich, aber sinngemäß).
Und wieder schnell ergoogelt: http://archive.scripting.com/1997/06/11 (recht weit unten ist Jobs Spruch)
Ich nehme an, daß Jobs im Musikgeschäft das "next big thing" sieht und er gefällt sich in seiner Rolle als "Big Player" im Markt, das war während der Keynote am 7. Januar wohl offensichtlich ("Endlich einmal mehr als die üblichen 5 % Marktanteil...").
Hier meine Theorie, wie Apples Unternehmensstrategie seit 1997 ausgesehen haben könnte:
Seit 1997 versucht Jobs aus dem Mac-Geschäft auszusteigen, wobei er allerdings noch rausholt, was drin ist. *Langfristige* Investitionen in die Zukunft bleiben aus, es gibt keine *langfristigen* Ankündigungen mehr.
Gleich am Anfang wurde alles eingestampft, was kurzfristig nicht lukrativ erschien (z.B. Digitalkameras, PDAs - beides heute Massenmarkt!).
1998: Es gibt kein "next big thing". Also was tun? Wir packen die Rechner in durchdesignte Gehäuse und machen auf Lifestyle. Der iMac bringt uns über die Runden.
Auch 2000 ist nichts in Sicht, aber man hatte ja etwas in petto: Aus dem jahrelangen Gewürge um das Mac OS der nächsten Generation wird schließlich OS X. OK, das hört Ihr nicht gern, aber wo war Apples Innovation dabei? Die Systemkomponenten von NeXT gekauft, der Kernel von der Open Source Gemeinde und das Ganze mit einer schönen Benutzeroberfläche garniert. Denkt jetzt bitte nicht, daß ich OS X für schlecht halte. Im Gegenteil, meiner Meinung nach ist es das Beste, was zur Zeit an Desktop-Betriebssystemen auf dem Markt ist. Trotzdem hätte Apple die Chance gehabt, wie damals anno 84 ein völlig neues Konzept zu wagen, etwas das auch OS X in den Schatten stellt. Haben Sie aber nicht getan, denn der kurzfristige Gewinn war ihnen wichtiger.
2001: Inzwischen spricht es sich rum, daß MP3-Dateien so bequem aus dem Internet herunterzuladen sind. Jobs sieht seine Chance, beginnt mit der Entwicklung eines MP3-Players. Ihm ist klar, daß es Jahre braucht, bis aus Musik aus dem Internet eine ernsthafte Einnahmequelle wird, wenn überhaupt. Deshalb streckt er seine Fühler aus: wie weit kann man mit Lifestyle-Computern gehen? Der Cube kommt auf den Markt - und wird ein Flop. Die Leute wollen Leistung, kein Design.
IBM kommt ins Spiel: Sie wollen eine Desktop-Variante des Power4 Serverprozessors bauen. Apple verhandelt mit IBM: Der Desktop Power4 soll eine Vektoreinheit enthalten und dafür in Macintosh-Rechnern zum Einsatz kommen. IBM "klebt" daraufhin eine Vektoreinheit "dran", die sie in ihren eigenen Produkten gar nicht nutzen. Seht euch die Architektur des G5 im Vergleich zum G4 an: Die Vektoreinheit ist deutlich schlechter ins Gesamtkonzept integriert. Durch Taktratensteigerung gleicht man den Verlust glücklicherweise sehr gut aus.
2003 verabschiedet Apple sich vom teueren Design. Billig aber gut ist gefragt, Alu kleidet die neuen Rechner. Vorbei die Zeiten mit Titan und halbtransparenten Kunstoff-Metall-Gehäusen.
Die Ära Macintosh nähert sich dem Ende. Die letzten Jahre waren nur noch vom Warten auf das neue Ziel geprägt, mit dem Mac als Sprungbrett in eine neue Zukunft.
Jobs will die Puppen tanzen lassen. Er will seine Visionen in jedem Haushalt sehen, das Leben der Leute grundlegend ändern und nicht täglich am Rande der öffentlichen Wahrnehmung mit einem Nischenprodukt gegen übermächtige Konkurrenten ankämpfen.
Und das in einer Zeit, in der jeder Alternativen zu Windows sucht. Jetzt werdet Ihr Euch fragen: "Warum den Macintosh dann aufgeben?" Ganz einfach: Umstiegswillige Windows-Nutzer denken über Linux nach, nicht über Mac OS. Schon mal gelesen: "Stadtverwaltung steigt auf Mac OS um"? Eher nicht, oder? Kein Wunder, es ist teuer und riskant genug, neue Software anzuschaffen und alte Hardware teilweise weiterzuverwenden. Die Zukunft ist nicht "Windows", aber auch nicht "Macintosh".
Ist Linux die Zukunft? Ein Betriebssystem, das auf über 40 Jahre alten Konzepten basiert mit einem GUI-System, das aus den 80er Jahren stammt und im Desktop-Einsatz als Client-Server basiertes Modell keinesfalls ideal ist?
Ist Java die Zukunft? "Wohin mit der Prozessorleistung? Verbraten wir Sie in einer Emulation, wir haben ja genug!" Ist es damit womöglich egal, welchen Computer man verwendet?
Sind Desktop-Computer überhaupt die Zukunft? Sie sind wohl eher die Gegenwart.
Was auf uns zukommt wissen wir nicht, aber es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Wort "Macintosh" vielleicht schon bald dieselben wonnigen Nostalgiegefühle auslöst, wie heute "C64" oder "Amiga".
"Von Apple, das sind die, die heute auf Musik machen". Wenn sie Glück haben.
Das sind lediglich meine Gedanken zur Zukunft Apples, und da sie scheinbar noch niemand bislang so formuliert hat, tue ich es jetzt.
Aber wie es auch kommt, ich möchte Mac-User bleiben solange es geht - obwohl Corel aus dem Mac-Markt aussteigt, was ein verdammt schwerer Schlag für meine Arbeit ist.
Viele Grüße,
Simon