Dem kann ich mich nur anschließen...
Der Fall Herrn Mollaths ist doch auch letztlich ein gutes Beispiel, wie unterschiedlichste Faktoren zusammenwirken können, die schließlich auch differenziert zu bewerten sind.
Einerseits waren dort zuletzt augenscheinlich absolut akkurat arbeitende Staatsanwaltschaften, die nach gründlichen Ermittlungen allerdings zu den selben Ergebnissen gelangen, wie die Verteidigung. Nur gibt es dann auch plötzlich Einwirkungen von Seiten etablierter Politik und von hoch vernetzten Hierarchien innerhalb der Justiz, die sich bislang außerordentlich verdächtig machen. Es ist selbst formaljuristisch unstrittig, dass systematisch und zielgerichtet gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen wird (siehe Revisionierung des Wiederaufnahmeantrages gegen Herrn Mollath, siehe angewiesene Nichtberücksichtigung neuer Faktenlage angesichts der weiteren Unterbrinung Herrn Mollaths). Das wogt hin und her. Die Verstöße sind aber unstrittig. Juristen, die diese feststellen, machen sich doch nicht gezielt zum Affen, wenn sie darauf hinweisen. Schon gar nicht das Bundesverfassungsgericht... Nur die Motivationen bei den Akteuren im Fall Mollath sind noch offen...
Bei den ersten Prozesshergängen ist wiederum zu beobachten, wie beispielsweise psychiatrische Institutionen plötzlich völlig unfachliche Arbeit abliefern und eindeutig Machtmissbrauch zu attestieren ist. Andererseits sind da dann auch wieder psychiatrische Gutachter, die formell akkurat arbeiten, die aber von einer Justiz, die (wie im Falle Brixners nunmal augenfällig) bereits ein Urteil vorgefasst hat, ungehört und übergangen bleiben. Auch dort gibt es beide Seiten. Im Fall Herrn Mollaths hat sich leider jene Seite durchgesetzt, der man formal nur schlechte Noten ausstellen kann. Und dies unter dem Vorsitz eines Richters, dessen nachgewiesene Verfahrensvergehen überhaupt nicht mehr geleugnet werden können.
Darum ist gewiss nicht die ganze Justiz im Unrecht versunken. Aber anscheinend fehlen Kontrollinstanzen, die massives Unrecht und seine Haftbarmachung vorbeugen... Genau dies ist doch auch exemplarisch am Fall Herrn Mollaths: Es kommen u.a. auch systemische Schwächen zum Tragen (siehe Instanzen-Überprüfung der Urteile vor 2012, Überprüfungen der rechtsstaatlich formalen Hergänge, Gutachtenüberprüfung usw.), die schon seit Jahren von Juristen angemahnt werden. Es steht hier an, dass extrem schicksalhafte Probleme behoben werden müssen, um eben Fälle, wie den Herrn Mollaths, vermeiden zu können. Kurioser Weise gibt es bei den etablierten Parteien aber keinen Willen, hier aus Fehlern zu lernen und entsprechende Justiz-Reformen einzuleiten. Auch das ist bedenklich. Denn letztlich werden Grundrechte ausgeschaltet. Herr Mollaths Fall belegt dies eindeutig. Ob hier 'System' am Werk ist oder nur z.B. die Zaghaftigkeit der Politik und Reformunwillen der etablierten Hierarchien, ist letztlich dann auch bedeutungslos: die Schieflagen sind vorhanden und sie sind schicksalhaft für Menschen, die durchs Raster fallen (oder auch Opfer gezielter Aktionen sind, siehe die Steuerfahnder in Frankfurt...).
Besonders aus der Innenansicht der Justiz und der Ministerien (Insider wie Dr. Schlötterer sind ja nicht umsonst besorgt) gibt es des gleichen zu wenig demokratische Kontrolle der festgefügten Hierarchien. Da ist nichts alles schlecht, aber vieles ist dringend reformbedürftig. Und vieles wird auch schlicht verbrecherisch ausgenutzt. So ist das nunmal in jedem System: Lücken werden von einigen Leuten genutzt... Auch im Rechtsstaat. Wenn die Lücken jedoch groß wie Scheunentore sind, dann ist das Problem ein ernstes. Und besonders das System in Bayern ist in der Tradition der Amigo-Affären noch schwer verhaftet. In Frankfurt sieht man das gleiche. Unangehme Steuerfahnder auszuschalten, ist doch keine Kleinigkeit... Und die Jungs sind heute noch nicht vollständig rehabilitiert, obwohl selbst gerichtlich festgestellt worden ist, dass man ihnen ganz übel mitgespielt hat (und zwar konzertiert von unterschiedlichsten Seiten, die für den Rechtstaat schließlich auch den GAU bedeuten können). Genau dies kommt leider auch über den Fall Herrn Mollaths ans Tageslicht. Und genau das schockiert dann ja auch. Denn viele glaubten doch, es sei überwunden; also jenes verbrecherische Klientel-System, das u.a. auch unter Strauß in Bayern etabliert worden ist. Pustekuchen.
Am interessantesten finde ich aber letztlich auch das Verhalten vieler Menschen, die den Fall Herrn Mollaths mal so lässig rezeptionieren. Dort sehe ich auch das größte Problem für unsere Demokratie. Denn alles Unrecht ist doch nur möglich, weil sich allzu viele Menschen selbst mit übelsten Plattheiten zufriedengeben. Auch diesbezüglich ist der Fall Herrn Mollaths ein Musterfall. Denn wer sich allein mit bislang selbst von der Staatsanwaltschaft gesicherten Erkenntnissen beschäftigt, wird nicht mehr mal so lapidar behaupten können: Der Mollath sei ein Spinner, weil es der Brixner den Steuerbehörden mal so übermittelt hat … und weil ein Psychiater, der nie Herrn Mollath anamnestisch exploriert hat, behauptet, der Mann sei verrückt. Aber gewisse Leute sind anscheinend selbst von staatsanwaltlich gesicherten Sachlagen nicht mehr zu bewegen, ihre Eindrücke zu korrigieren (oder ihre blanken Herablassungen zu zügeln).
Wie wir heute nachgewiesen wissen: Frau Merk, bay. Justizministerin, hat genau mit diesen charakterlichen Mängeln gespielt. Obwohl sie es nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft längst besser wusste, hat sie bis zum Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts öffentlich unablässig von der vorgeblichen Gemeingefährlichkeit Herrn Mollaths schwadroniert. Nur wusste sie längst: die gibt es garnicht, ja, es gab nicht einmal einen rechtsstaatlich formal abgesicherten Prozess gegen Herrn Mollath. Das wusste sie alles… und sie log selbst vor laufender Kamera, vor dem Landtag, in öffentlichen Gesprächsrunden...
Entsprechende Kommentatoren könnten das ebenso wissen. Zumindest stünde es ihnen außerordentlich gut an, die derzeitige Sachlage zu berücksichtigen. Da bricht man sich keinen Zacken aus der Krone. Alles andere ist nämlich nicht nur blöd, sondern lässt auch daran zweifeln, ob man noch irgend etwas von entsprechenden Leuten ernst nehmen könnte. So wenig Berücksichtigung von Realität sollte doch von Menschen zu erwarten sein, die von einem anderen behaupten, er sei irre…