Du meinst, ein Politiker ohne eine feste Mehrheit sollte abtreten. Eine Mehrheit, die aus den Regierungsfraktionen besteht und per Fraktionszwang gesichert wird – unabhängig von der Meinung und dem Gewissen der einzelnen Abgeordneten.
Ja, so war das bisher Brauch in Deutschland....
...Aber das, was führende Politiker jetzt nach der Wahl von Kraft als neue "Rote-Socken-Kampagne" archaus Verfall nennen.
Genau das meinte ich ! In der NRW-Landesregierung muss jetzt mit real bezogenen Inhalten gearbeitet werden. Da kann sich keine Fraktion leisten, eine Klientelpolitik zu betreiben, weil es zwangsläufig dazu führen würde, dass so etwas nicht durchkommt und das wäre in der Tat ein sehr wünschenswerter Anfang ! Denn dieses blockartige Abstimmen unter Fraktionszwang ist eigentlich nur eine ziemlich miese Perversion des demokratischen und parlamentarischen Systems, der endlich der Garaus gemacht werden sollte. Okay, Letzteres ist zu idealistisch, aber ich bin einfach immer mehr davon angewidert, wie sich die Fraktionen bei Abstimmungen verhalten. Abweichlertum ist dafür ein sehr oft verwendeter Begriff seitens unserer politischen Eliten, ich nenne das freie Meinung ! Wenn das nicht endlich einmal aufhört, dass Abgeordnete immer nach der Parteilinie abstimmen, braucht sich die Politik in Berlin und auch in keinem anderen Bundesland wundern, wenn sich immer weniger Menschen an die Wahlurne bewegen. Merken die Wähler aber, wie sie Einfluss nehmen können - und das finde ich, zeigt das Beispiel NRW sehr gut ! - dann wird auch die Wahl wieder beliebter in der breiten Masse. Gestern erst meinte ein Freund von mir, dass er immer weniger Menschen in der jungen Altersklasse bis 30 kennt, die wählen gehen. Das ist bedrohlich meiner Meinung nach. Und hier in NRW sehe ich endlich einmal wieder die Chance, dass die Politik ein wenig geerdet und auf den Boden der Tatsachen geholt wird, denn hier zeigt sich, dass letztendlich doch das Volk entscheidet. Die Parteien stehen jetzt unter Druck, und das schöne ist: Alle !
Wie spoege schon so schön zerlegt hat, kann sich derzeit keine Fraktion aus der Opposition - da zähle ich die Linken dazu - leisten, zu sehr ihr eigenes Ding zu drehen, weil jeder Ausreisser zwangsläufig das ganze Regierungsgebäude einfallen lassen würde. Neuwahlen brächten aber, nach dem was ich gestern dazu gelesen habe, laut Umfragen derzeit eine 53% Mehrheit für Rot-Grün, vor allem die Grünen haben nochmals um 5 Punkte zugelegt und die FDP müsste sogar um den Einzug in den Landtag bangen. Also werden es CDU und FDP partout nicht riskieren, bei den derzeitigen Werten, eine Blockade-Politik zu fahren.
Interessant finde ich den geradezu kometenhaften Aufstieg der Grünen bei dieser Wahl. Es wurde ja schon oft gesagt, dass die Grünen mittlerweile eher das bürgerliche Lager abbilden als die CDU und unter der Berücksichtigung wundert es mich nicht einmal, wenn die hohe Zustimmung für die Partei auch aus den berühmten Wechselwählern der CDU/FDP resultiert. Vor allem denen, die eben mit der Politik in Berlin sehr unzufrieden sind und waren. Insofern finde ich es sehr interessant, dass SPD und Grüne hier so gut zusammenarbeiten können und wollen, weil das im Endeffekt nichts anderes als die Koalition der so oft geplagten Mittelschicht darstellt. Und das halte ich auch für äusserst wichtig, dass diese Gruppe wieder wesentlich mehr politisches Gewicht bekommt, denn sie sind die "Leistungsträger" (wie ich dieses Wort hasse, aber es passt einfach) der Gesellschaft. Die, die die höchsten Belastungen tragen und unsere Renten und Krankenversicherungen finanzieren. Die, die in den letzten Jahren immer mehr unter der Aufspaltung zwischen Arm und Reich leiden mussten und denen alle Kosten aufgebürdet wurden. Wir müssen nicht immer nur oben und unten entlasten, sondern endlich einmal bei denen ansetzen, die auch wirklich den Bärenanteil tragen.