Wahlen in NRW

Also wird es lebhafte Debatten geben in NRW und lebhafte Verhandlungen, ein immer neues Ringen um wechselnde Mehrheiten, ja nach Sachlage. Alle müssen Farbe bekennen und Argumente bringen.
Darin kann ich beim besten Willen keinen "Verfall" erkennen, im Gegenteil.

Hoffentlich behälst du damit Recht. Liege ich da gerade falsch, oder hat es in der BRD nur einmal eine Minderheitsregierung geschafft während der vollen Amtsperiode im Amt zu bleiben?

Die Gefahr die ich sehe ist halt immer eine Art der Verschacherung von Stimmen, da eine Minderheitsregierung immer mehr Zugeständnisse machen muss, um im Gegenzug für eigene Vorstösse eine Mehrheit zu finden.
 
Ich weiß nicht, was du mit "verschachern" meinst. Es ist eine negative Bezeichnung für handeln, im Sinne von jemanden "über`s Ohr hauen, feilschen".

Natürlich muss eine Minderheitenregierung mehr Zugeständnisse an die anderen Fraktionen machen als eine Regierung, die eine absolute Mehrheit hat. Das ist ja grade das Gute.
Und natürlich kann eine Oppositionspartei dann auch Bedingungen stellen, als Preis ihrer Zustimmung für ein Gesetz. Auch daran ist erstmal nichts Schlechtes.

So kann es durchaus dazu kommen, dass eine Minderheitenregierung die Breite der Auffassungen im Wahlvolk in ihrer Politik letztlich besser abbildet – bzw. abbilden muss – als eine Regierung, die von der Zahl ihrer Abgeordneten her fest im Sattel sitzt, wie etwa, sagen wir mal, die schwarzgelbe Bundesregierung.
 
Hoffentlich behälst du damit Recht. Liege ich da gerade falsch, oder hat es in der BRD nur einmal eine Minderheitsregierung geschafft während der vollen Amtsperiode im Amt zu bleiben?

Berlin | Richard von Weizsäcker (11. Juni 1981 − 9. Februar 1984)

...scheiterte nicht nach 3 Jahren, sondern ging nachdem die FDP auf Bundesebene zur CDU gewechselt war, eine Koalition mit der Berliner FDP ein.

Sachsen-Anhalt | Reinhard Höppner - SPD-Minderheitsregierung (1998 - 2002), volle Wahlperiode
 
Ja, das sollte schon einen negativen Touch haben :D

Sicherlich -möglicherweise- kann durch das Mehr an Verhandlungen ein breiter Teil der politischen Richtungen/Meinungen abgebildet werden. Somit kann man bei dieser Regierung aber auch nicht von einem Richtungswechsel sprechen und allzu grosse Reformen werden wir mit dieser wohl auch nicht erleben.
 
Versprechen können alle Politiker was!
Aber machen tun nur die wenigen!
 
Du meinst, ein Politiker ohne eine feste Mehrheit sollte abtreten. Eine Mehrheit, die aus den Regierungsfraktionen besteht und per Fraktionszwang gesichert wird – unabhängig von der Meinung und dem Gewissen der einzelnen Abgeordneten.
Ja, so war das bisher Brauch in Deutschland....

...Aber das, was führende Politiker jetzt nach der Wahl von Kraft als neue "Rote-Socken-Kampagne" archaus Verfall nennen.

Genau das meinte ich ! In der NRW-Landesregierung muss jetzt mit real bezogenen Inhalten gearbeitet werden. Da kann sich keine Fraktion leisten, eine Klientelpolitik zu betreiben, weil es zwangsläufig dazu führen würde, dass so etwas nicht durchkommt und das wäre in der Tat ein sehr wünschenswerter Anfang ! Denn dieses blockartige Abstimmen unter Fraktionszwang ist eigentlich nur eine ziemlich miese Perversion des demokratischen und parlamentarischen Systems, der endlich der Garaus gemacht werden sollte. Okay, Letzteres ist zu idealistisch, aber ich bin einfach immer mehr davon angewidert, wie sich die Fraktionen bei Abstimmungen verhalten. Abweichlertum ist dafür ein sehr oft verwendeter Begriff seitens unserer politischen Eliten, ich nenne das freie Meinung ! Wenn das nicht endlich einmal aufhört, dass Abgeordnete immer nach der Parteilinie abstimmen, braucht sich die Politik in Berlin und auch in keinem anderen Bundesland wundern, wenn sich immer weniger Menschen an die Wahlurne bewegen. Merken die Wähler aber, wie sie Einfluss nehmen können - und das finde ich, zeigt das Beispiel NRW sehr gut ! - dann wird auch die Wahl wieder beliebter in der breiten Masse. Gestern erst meinte ein Freund von mir, dass er immer weniger Menschen in der jungen Altersklasse bis 30 kennt, die wählen gehen. Das ist bedrohlich meiner Meinung nach. Und hier in NRW sehe ich endlich einmal wieder die Chance, dass die Politik ein wenig geerdet und auf den Boden der Tatsachen geholt wird, denn hier zeigt sich, dass letztendlich doch das Volk entscheidet. Die Parteien stehen jetzt unter Druck, und das schöne ist: Alle ! :) Wie spoege schon so schön zerlegt hat, kann sich derzeit keine Fraktion aus der Opposition - da zähle ich die Linken dazu - leisten, zu sehr ihr eigenes Ding zu drehen, weil jeder Ausreisser zwangsläufig das ganze Regierungsgebäude einfallen lassen würde. Neuwahlen brächten aber, nach dem was ich gestern dazu gelesen habe, laut Umfragen derzeit eine 53% Mehrheit für Rot-Grün, vor allem die Grünen haben nochmals um 5 Punkte zugelegt und die FDP müsste sogar um den Einzug in den Landtag bangen. Also werden es CDU und FDP partout nicht riskieren, bei den derzeitigen Werten, eine Blockade-Politik zu fahren.

Interessant finde ich den geradezu kometenhaften Aufstieg der Grünen bei dieser Wahl. Es wurde ja schon oft gesagt, dass die Grünen mittlerweile eher das bürgerliche Lager abbilden als die CDU und unter der Berücksichtigung wundert es mich nicht einmal, wenn die hohe Zustimmung für die Partei auch aus den berühmten Wechselwählern der CDU/FDP resultiert. Vor allem denen, die eben mit der Politik in Berlin sehr unzufrieden sind und waren. Insofern finde ich es sehr interessant, dass SPD und Grüne hier so gut zusammenarbeiten können und wollen, weil das im Endeffekt nichts anderes als die Koalition der so oft geplagten Mittelschicht darstellt. Und das halte ich auch für äusserst wichtig, dass diese Gruppe wieder wesentlich mehr politisches Gewicht bekommt, denn sie sind die "Leistungsträger" (wie ich dieses Wort hasse, aber es passt einfach) der Gesellschaft. Die, die die höchsten Belastungen tragen und unsere Renten und Krankenversicherungen finanzieren. Die, die in den letzten Jahren immer mehr unter der Aufspaltung zwischen Arm und Reich leiden mussten und denen alle Kosten aufgebürdet wurden. Wir müssen nicht immer nur oben und unten entlasten, sondern endlich einmal bei denen ansetzen, die auch wirklich den Bärenanteil tragen.
 
Es wurde ja schon oft gesagt, dass die Grünen mittlerweile eher das bürgerliche Lager abbilden als die CDU und unter der Berücksichtigung wundert es mich nicht einmal, wenn die hohe Zustimmung für die Partei auch aus den berühmten Wechselwählern der CDU/FDP resultiert.
Das "bürgerliche Lager" hat sich verändert: Etliche ehemalige Umweltschützer, die jetzt ehrbaren Berufen nachgehen und Familien gegründet haben, sind dazugekommen.
Ich denke nicht, dass Wechselwähler dabei eine große Rolle spielen. Die Grünen haben eine vergleichsweise starke und stabile Stammwählerschaft.
Das ist bei der nächsten Konkurrenz, der FDP, deutlich anders. Die ist in der Tat auf unzufriedene Wechselwähler aus dem Unionslager angewiesen, vor allem aus dem rechten Rand.
 
Ich denke, den Begriff Wechselwähler habe ich da vielleicht auch zu leichtfertig verwendet. Die klassischen Wechselwähler im Sinne des Stimmenleasings zwischen CDU und FDP meinte ich jetzt weniger. Das ist noch eine andere Spezies ;)

Ich meinte eher die Variante, dass sich eben viele, die sich heute im gutbürgerlichen Lager befinden nicht mehr in der Klientel der CDU stehen, obwohl sie eigentlich schon eher eine konservative Einstellung haben mögen, aber dennoch eher den Grünen zugeneigt sind, weil sie eben ein deutlich höheres Umweltbewusstsein haben. Tschernobyl, Seweso und all die anderen Umweltkatastrophen der letzten Jahrzehnte sind bei diesen Menschen ganz anders im Bewusstsein verankert, als bei der Generation 50+. Da herrschen noch andere gesellschaftliche Themen für Nachwirkungen.
 
Interessant finde ich den geradezu kometenhaften Aufstieg der Grünen bei dieser Wahl. Es wurde ja schon oft gesagt, dass die Grünen mittlerweile eher das bürgerliche Lager abbilden als die CDU und unter der Berücksichtigung wundert es mich nicht einmal, wenn die hohe Zustimmung für die Partei auch aus den berühmten Wechselwählern der CDU/FDP resultiert.

...Die Grünen haben ihre Wurzel im christlich bürgerlichen Lager. Warum sollte es also verwundern, dass sie heute, stärker denn je, diese abbilden?
 
...Die Grünen haben ihre Wurzel im christlich bürgerlichen Lager. Warum sollte es also verwundern, dass sie heute, stärker denn je, diese abbilden?

Wie bitte?

Soweit ich in Geschichte und Politik aufgepasst habe, kamen die Grünen Anfang der Achtziger Jahre eher von der SPD... :confused:
 
Wie bitte?

Soweit ich in Geschichte und Politik aufgepasst habe, kamen die Grünen Anfang der Achtziger Jahre eher von der SPD... :confused:

...auch, aber es gab ende der 70er genauso viele aus dem bürgerlichen Lager. Leute um den ehemalige umweltpolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion Herbert Gruhl (gründete später die ÖDP), sowie:

Bei der Landtagswahl am 15. Oktober 1978 in Bayern bildeten die Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD), die GAZ und die von ehemaligen CSU-Mitgliedern gegründete „Grüne Liste Bayern“ (GLB) ein Wahlbündnis, das sich erstmals den Namen „Die Grünen“ gab. Die ursprünglich nationakonservative AUD (in Hessen „Aktion Umweltschutz und Demokratie“) trat mit dem Thema „Lebensschutz“ seit Mitte der 1970er Jahre als Umweltpartei auf und konnte prominente Persönlichkeiten als Kandidaten gewinnen, wie den Düsseldorfer Künstler Joseph Beuys, der bei der Bundestagswahl 1976 als parteiloser Spitzenkandidat angetreten war.
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_von_Bündnis_90/Die_Grünen
 
Insofern finde ich es sehr interessant, dass SPD und Grüne hier so gut zusammenarbeiten können und wollen, weil das im Endeffekt nichts anderes als die Koalition der so oft geplagten Mittelschicht darstellt. ... Die, die die höchsten Belastungen tragen und unsere Renten und Krankenversicherungen finanzieren. Die, die in den letzten Jahren immer mehr unter der Aufspaltung zwischen Arm und Reich leiden mussten und denen alle Kosten aufgebürdet wurden. Wir müssen nicht immer nur oben und unten entlasten, sondern endlich einmal bei denen ansetzen, die auch wirklich den Bärenanteil tragen.

Da muss ich dir ein wenig widersprechen. Grade die, die am stärksten betroffen sind von der sich öffnenden Schere Arm/Reich werden eben nicht von Rot/Grün vertreten, im Gegenteil. Wie man am Beispiel der Leiharbeit sieht werden grad die, die mit ihren Beiträgen zur Sozialversicherung den Landen am Laufen halten, aber ansonsten ständig bnachteiligt werden von Rot/Grün aufs
Übelste gefickt. SPD und Grüne vertreten die gehobene Mittelschicht z.B im öffentlichen Dienst, oder in der IGM dominierten Industrie Festangestellte, aber für den "kleinen Mann" hat Rot/Grün genau wie Schwarz/Geld nichts als Hass und Verachtung über.
 
Das kommt jetzt wieder darauf an, wo man die Grenzen zur Definition der Mittelschicht setzt. Insofern will ich Dir da nicht widersprechen. Aber wenn man mal die Grenze weit zieht, dann sieht man an Deinem Beitrag wunderbar das Problem, das ich meinte. Die "Mittelschicht" erodiert gewaltig. Der "kleine Mann", wie Du ihn nennst, zähle ich persönlich eher zum unteren Rand der Mittelschicht. Das ist aber auch das Problem. Die Bevölkerungsschicht, die sich im Bereich der kalten Progression der Steuern bewegt ist nicht mehr homogen genug verteilt, es gibt zu viele am unteren Rand und zu wenige am oberen Rand. Alles darüber hinaus ist eh nicht Thema der Diskussion. Ich persönlich bin ein großer Gegner von Zeitarbeit, weil an diesem Modell nur noch ein Marktteilnehmer zwischen dem Anbieter der Arbeitskraft und dem Abnehmer gesetzt wird, der sich nicht gerade in Bescheidenheit bei seinem Anteil am Gewinn zeigt. Hier muss man leider auch über den Kündigungsschutz sprechen, so ungern ich den auch aufweichen wollen würde. Aber vielleicht ist das wirklich ein probates Mittel diesen modernen Sklaventreibern ein wenig den Schneid abzukaufen und wieder mehr Menschen in direkte Arbeitsverhältnisse zu bringen, die relativ besser entlohnt werden und damit auch einen besseren Anteil an den Sozialsystemen leisten können. Da hätten dann alle was davon. Aber ich bin kein BWL oder VWL-Fachmann...das zu beurteilen überlasse ich lieber Fachleuten.
Die prozentual höchsten Belastungen tragen aber dennoch die Menschen, die sich so in Richtung oberer Rand der Steuersätze bewegen. Bei ihnen sind die Beitragssätze meistens am höchsten. Das soll kein Klagelied sein, dass diese Menschen so arm sind, denen bleibt ja noch einiges übrig, um ein gutes Leben zu führen, also gibt es da auch keinen Grund zu jammern. Was meiner Meinung nach aber den Vogel nicht nur abschiesst, sondern regelrecht in der Luft zerfetzt ist die Deckelung dieser Sätze an Grenzen, die vielleicht vor 30 Jahren horrend waren, heute aber nicht mehr sind. Ich wäre sehr dafür, mal eine Nivellierung der Progressionsgrenzen durchzuführen, sprich die Gerade mal deutlich nach oben zu verschieben. KK-Beiträge müssten IMHO auch nicht so früh gedeckelt werden, da kann es ruhig auch noch bei der prozentualen Berechnung bleiben. Privatkassen gehören in meinen Augen sowieso abgeschafft, aber das ist ein anderes Thema.

Ich bin im Hinblick auf NRW jetzt dafür, dass man erstmal abwarten muss, was die Regierung jetzt macht. Ich denke, es ist schwer abzuschätzen, wohin sich das jetzt bewegt. Herr Laumann hat ja gestern schon angedeutet, dass Totalblockade auch kein Mittel sei und genau diese Haltung erwarte ich auch bei allen Fraktionen. Redebereitschaft, Kompromissbereitschaft und Überzeugungsarbeit bei wirklich wichtigen Themen, um etwas zu erreichen, nicht um Fraktionscouleur durchzudrücken. Dafür ist die Lage zu ernst und in der Konstellation auch zu deutlich für die Öffentlichkeit, als das sich ein Abgeordneter hinter seiner Fraktionsfratze verstecken könnte. Jetzt heisst es im Zweifelsfalle: Farbe bekennen.
Ich bin gespannt. In NRW haben wir jetzt die Chance, eine echte Weiterentwicklung der Politik zu sehen, auch wenn die Randbedingungen sicher nicht optimal im Sinne einer Mehrheitsdemokratie sind, so sind sie vielleicht gerade der notwendige Motor für diesen Schritt. Ich kann mich aber auch irren und alles geht den Bach runter...keine Ahnung. Ich hoffe jetzt wirklich auf kluge Politiker (haha, ich weiss), die sich mal wieder auf das besinnen, wozu sie dort sitzen, nämlich um wirklich ernsthaft etwas für die Menschen im Land zu machen und nicht nur einzelne Gruppierungen zufrieden zu stellen. Diese Regierung hat dazu jetzt eine wirklich einmalige Chance.
 
…viele, die sich heute im gutbürgerlichen Lager befinden, stehen nicht mehr in der Klientel der CDU, obwohl sie eigentlich schon eher eine konservative Einstellung haben mögen, aber dennoch eher den Grünen zugeneigt sind, weil sie eben ein deutlich höheres Umweltbewusstsein haben.
Die Grünen haben die Wählerschichten erobert, die die FDP unter Flach mit den Freiburger Thesen erreichen wollte, dann aber unter Genscher und Westerwelle eiligst wieder verlassen hat: Gebildete Menschen, die durchaus moralische Vorstellungen von Politik haben. Nicht nur, was unser Verhältnis zur Umwelt angeht, sondern auch zu Bürgerrechten, Friedenspolitik und mehr. Das kann man schon eine konservative Einstellung nennen, da hast du recht.

Die Grünen sind momentan sehr geschickt in ihrer Aussendarstellung: Sie vermeiden jede öffentliche ideologische Diskussion, die Funktionsträger treten staatsmännisch-seriös und abwägend auf, nur Claudia Roth mit ihrer schreiend-orangenen Frisur und ihren immer hoch emotionalen Stellungnahmen zur Lage sorgt noch für ein bißchen altgewohnte Farbigkeit. (Was ja auch wichtig ist für die grüne Identität.)

Von allen Parteien sind die Grünen derzeit in ihrer PR die professionellsten. Und gleichzeitig machen sie Punkte mit der Koalition in NRW, die, wie man mittlerweile weiß, vor allem auf Drängen der Grünen zustande gekommen ist. Ich schätze, Rüttgers und die zerstrittene und desorientierte FDP-Riege kann dort keiner mehr sehen.

Mal sehen, wie lange das hält. Aber ich denke, die Leute wollen jetzt Taten sehen, und keine politischen Grabenkämpfe. Und das Lied von den roten Socken kann wahrscheinlich auch keiner mehr hören.
 
Die Grünen haben die Wählerschichten erobert, die die FDP unter Flach mit den Freiburger Thesen erreichen wollte, dann aber unter Genscher und Westerwelle eiligst wieder verlassen hat: Gebildete Menschen, die durchaus moralische Vorstellungen von Politik haben. Nicht nur, was unser Verhältnis zur Umwelt angeht, sondern auch zu Bürgerrechten, Friedenspolitik und mehr. Das kann man schon eine konservative Einstellung nennen, da hast du recht.

Genau so möchte ich das auch verstanden wissen ! Ich sehe das insbesondere in den doch recht untreschiedlichen Generationen, aus denen sich die Wählerschaft der CDU und der Grünen rekrutieren. Wie ich schon geschrieben hatte, sind für viele CDU-Wähler immer noch Themen von höherer Priorität als der Nachkriegsgenerationen. Themen wie AKWs, Pershing, die Friedensbewegung der 80er oder auch die Auftritte der Umweltaktivisten in dieser Zeit gegen Verklappung und so manch anderes Geschehen usw. das sind alles für konservative Wähler im Sinne der älteren Gesellschaftsmitglieder nur Randerscheinungen. Konservativ im Sinne der Grünen-Wähler empfinde ich als eine andere Form. Es geht, wie Du schon sagst, um andere, neu gelebte Werte, in meiner Meinung nach modernerer Form. Dagegen wirkt die CDU einfach hoffnungslos veraltet.

Die Grünen sind momentan sehr geschickt in ihrer Aussendarstellung: Sie vermeiden jede öffentliche ideologische Diskussion, die Funktionsträger treten staatsmännisch-seriös und abwägend auf, nur Claudia Roth mit ihrer schreiend-orangenen Frisur und ihren immer hoch emotionalen Stellungnahmen zur Lage sorgt noch für ein bißchen altgewohnte Farbigkeit. (Was ja auch wichtig ist für die grüne Identität.)

Woran sich die anderen Parteien ruhig mal eine Scheibe abschneiden können ! Diese ideologischen Diskussionen bringen nichts und sind in der Realität dann eh nicht weiter umsetzbar.

Von allen Parteien sind die Grünen derzeit in ihrer PR die professionellsten. Und gleichzeitig machen sie Punkte mit der Koalition in NRW, die, wie man mittlerweile weiß, vor allem auf Drängen der Grünen zustande gekommen ist. Ich schätze, Rüttgers und die zerstrittene und desorientierte FDP-Riege kann dort keiner mehr sehen.

Mal sehen, wie lange das hält. Aber ich denke, die Leute wollen jetzt Taten sehen, und keine politischen Grabenkämpfe. Und das Lied von den roten Socken kann wahrscheinlich auch keiner mehr hören.

Ganz sicher nicht ! Aber auch das scheint beim altkonservativen Block noch nicht angekommen zu sein. Den Menschen geht es heute in der Mehrheit nicht um die Schönfärberei und diese schon polemischen Formulierungen a la "Die anderen sind schuld, wählt uns" sondern um klare Linien mit aus Volkessicht vernünftigen Zielen. Und da punkten die Grünen wirklich, weil sie einfach für eine verantwortungsvolle Politik für die Menschen stehen. Im Grunde berühren sie mit ihren thematischen Schwerpunkten vor allem das, was uns betrifft, das gesellschaftliche Zusammenleben und die Sicht in die Zukunft Selbiger. Nicht diese oftmals eindimensional wirkende Sichtweise der anderen Parteien.
 
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