Es ist lächerlich, wie hier einige Leute krampfhaft versuchen, Aussagen zu verdrehen, aus ihren Kontexten und dem Diskussionsverlauf reißen. Einfach nur neudeutsche Kleingeistigkeit oder ist das bereits Teil jenes Verdrängungsaspektes, der beim Gesamtthema kein deutsches Einzelphänomen ist und entsprechend hier diskutierten Strafrahmen erst ernötigt? Wer weiß...
Noch mal für ein, zwei extreme Langsamdenker. Das von jemand anderem eingeführte Interview von Friedmann und Mahler war der Anlass, mit Friedmann einen Finger wedelnden, effektreißerischen Moralisten zu benennen, der selber aber absolut unmoralisch ist. Das ist kein Vergleich. Das war erst einmal lediglich eine Feststellung darüber, dass es lächerlich ist, wenn sich einer über jemanden echauffiert, während er selber mächtig Dreck am Stecken hat. Ekelhafte Doppelmoral in einer Gesellschaft, die einen stellvertretend Sühnenden braucht, weil sie sich selber nicht weiter aufdecken lassen und sich sonst keine tieferen Gedanken über 'kollektive Schuld' machen möchte?
Herr Friedmann ist in diesem Sinne übrigens ein hervorragendes, stellvertretendes Phänomen. Denn bei den Frauen, die zwangsprostituiert von ihm missbraucht worden sind, hat er sich nicht entschuldigt und wurde auch nicht zur Rechenschaft gezogen. Warum nicht? Weil es die deutsche Gesellschaft anscheinend nicht beachtenswert und nötig fand. Zufällig waren es auch noch verschleppte Osteuropäerinnen. Da beginnt die Verächtlichkeit vieler deutscher Männer erst recht. Und dieser Mann hebt plötzlich (eigentlich ja ständig) die Finger - stellvertretend, wie es scheint, für eine ganze Nation, die in Doppelmoral versinkt. Das ist das irritierende Phänomen. Und noch mal zur Klarstellung: Herr Mahler hat keine sieben Millionen Menschen getötet. Er leugnet lediglich, die historische Tatsache dieser Morde. Er ist kein Mörder. Er ist allenfalls ein Dummkopf. Ein Volksverhetzer? Ja, genau das hätten wir gerne. Auch heute noch. Und das ist das eigentliche Problem und die abgründigste, abscheulichste Tragödie der ganzen Geschichte. Noch nicht aufgegangen?
Denn es gibt keine Volksverhetzung, so wie wir uns das gerne wünschten! Es gibt nur seit über sechzig Jahren Deutsche, die ums Verrecken nicht zugeben wollen, dass sie über Generationen Blut an den Händen haben und dieses stetig weitergeben. Wie war das? Man habe ja nichts gewusst. Und wenn Hitler nicht so ein Verbrecher gewesen wäre... Ja ja. Aber die Verbrecher waren und sind alle, die mitgemacht, geduldet und weggesehen haben. Und die Verbrecher sind wir, wenn wir sonst nichts weiter gelernt haben. Aber das wollen wir uns heute nicht mehr vorhalten lassen. Also kommt uns so einer wie Mahler ganz gelegen. Und für Alltagssachen so einer wie Friedmann, den man bashen kann, der halberzig Reue tut, ohne auch nur im geringsten tatsächlich seine Vergehen anzusprechen, geschweige denn wieder gut zu machen - und dann wird kollektiv verziehen. So gemütlich macht man es sich in Deutschland. Das sind die Obszönitäten deutscher Männer in den Nachkriegsgenerationen. Auch und erst recht noch heute, wie man aus jedem zweiten, unreflektierten Post lesen kann. Wir wollen eben wieder wie bei der EM unschuldig tuend die Fahnen wedeln. Partystimmung mit Leichen im Keller.
Das war der eine Aspekt. Darüber hinaus (ich will den ordinären 'deutschen Mann' ja nicht überfordern) finde ich es persönlich aber schlicht lächerlich, wenn ein alter Mann, der augenscheinlich unbelehrbar ist, für die bloße Leugnung eines historischen Gegenstandes eine, wie ich finde, zumindest unverhältnismäßig hohe Strafe erhält. Strafe? Ok. In Frankreich kann man für ein Jahr in den Bau wandern. Aber gleich sechs Jahre für einen über Siebzigjährigen, ist etwas anders als beispielsweise für einen Zwanzigjährigen. Ersterer wird potentiell eher in Haft verscheiden als Letzterer. Und somit bekommt die Haftzeit einen ungünstigen Geruch von 'lebenslänglich'. Wem das nicht klar ist, dem kann man in Dingen der 'Verhältnismäßigkeiten' wohl nicht weiter auf die Sprünge helfen. Des weiteren aber auch unverhältnismäßig deshalb, weil er erst einmal nur eine bloße Meinung von sich gibt. Wie dumm diese ist, muss wohl nicht weiter geklärt werden. Wie oft er diese wiederholt hat, ist genau so unrelevant - er wird am Ende des Tages nicht mehr Unsinn von sich gegeben haben, wie einige hier oder so mancher Politiker. Dass seine 'Meinung' unerhört ist, ist ebenso klar. Aber wir benehmen uns, als hätte Herr Mahler selber sieben Millionen Menschen des jüdischen Volkes getötet und müsse nun dafür büßen. Soll er auch. Für uns. Auch wenn er lediglich die historische Tatsache öffentlich leugnet, dass eben diesen systematischen Massenmord gab. Ich finde es persönlich, höchst befremdlich, wenn Menschen jemanden dann dermaßen überzogen aburteilen. Psychologisch -besonders unter Berücksichtigung der gesamten Verarbeitung des Holocousts in Deutschland und unter Berücksichtigung des ersten Absatzes- zeugt das alles andere als von gesunder Aufarbeitung eines Volksverbrechens, das meiner Meinung ungebrochen in deutschen Gemütern nicht verarbeitet worden ist und weiterhin Unheil stiftet. Die Empfindlichkeit deutscher Gemüter kann es gar nicht besser darstellen. Auch hier nicht. Die Jämmerlichkeit eines Gesetzes, eines alten Mannes und ganzer Generationen aufgeklärt tuender Doppelmoralisten. Jämmerlicher Alltag in Deutschland.