Wer gut informiert ist und eine gewisse Intelligenz besitzt, kann sich natürlich auch besser vor Schädigungen seiner Gesundheit, seines Besitzes, seiner Privatsphäre, usw. schützen. Das heisst aber nicht, dass der Staat es den Bürgern selbst überlassen kann. Er hat eine Fürsorgepflicht auch gegenüber denen, die nicht über ausreichende Intelligenz und Bildung verfügen, um komplexe Zusammenhänge zu durchblicken.
Ich stimme mit Dir überein das der Staat eine gewisse Fürsorgepflicht gegenüber seiner Bürger hat.
Insbesondere hat er die Verpflichtung seine Bürger vor Gefahren und Risiken zu warnen.
Jedoch, gehört auch zur Freiheit einer Gesellschaft, den Bürgern nicht die Selbstverantwortung abzunehmen.
Denn Demokratie heißt auch Selbstverantwortung - Torheiten ausdrücklich eingeschlossen!
Das fängt beim rauchen, saufen, fressen an und hört natürlich auch bei der Telekommunikation nicht auf.
Die "informationelle Selbstbestimmung" ist ein Grundrecht.
1983 Im Zuge des Volkszählungsurteils befand das Gericht, dass Personen einschätzen können müssen, welche Informationen über ihr Verhalten gespeichert und vorrätig gehalten waren.
Es rechnete sicher nicht mit dem massiven freiwilligen „Zuarbeiten“ der Bürger, die quasi einen breiten „digitalen Trampelpfad“ quer durch den ursprünglichen Sinn dieses Rechts bahnten.
Diskretion und Datenschutz hatten 1983 noch einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft als heute.
Damals klagten sich die Bürger quer durch die Republik um die Volkszählung zu bekämpfen – danach kräht heutzutage kein Hahn mehr.
Heutzutage „Whatsappt“ sich ein Großteil der Smartphone User lieber über unsichere ausländische Whatsapp-Server, statt die paar Cent für ne deutsche Provider gesicherte SMS zu zahlen.
Wesentliche Teile der „informell selbstbestimmten“ Jugend leben längst nach dem Motto – Komfort für persönliche Daten zu erkaufen.
Das setzte doch schon vor Jahrzehnten, mit der albernen Kundenkartenmasche ein.
Wer auf strafrechtliche Grenzen verzichten und den Bürger/innen allein die Verantwortung für den Schutz ihrer Daten zuschieben will, propagiert de facto freie Hand für alle Schnüffelstaaten und professionellen Datensammler und -verwerter.
Wenn also ein Großteil der Kommunikation in digitalisierter Form durchgeführt wird, wenn massenhaft Personen bezogenen Daten quasi freiwillig als Austausch für obskure Vorteile, Komfort oder Bequemlichkeiten angeboten werden – dann stellt sich natürlich auch die Frage ob dieses Grundrecht im digitalen Zeitalter noch durchsetzbar und damit überhaupt wirksam ist, bzw überhaupt wirksam sein kann …
So ähnlich wie ein Grundrecht auf Glück, schön wenn man es hat, aber herrje - Pech wenn nicht.
Die zahlreichen Arten der Datenerhebung (von denen jede für sich harmlos erscheint, s. Thermostat) und deren Möglichkeiten zur Verknüpfung machen es dem Normalbürger fast unmöglich, seine Souveränität in Sachen Daten zu erhalten. Im Grunde müßte man sich wegen jeder Kleinigkeit umfassend informieren und erstmal darauf achten, erst gar keine Daten zu produzieren. dazu hat der Normalverbraucher gar keine Gelegenheit - und ist so automatisch Opfer.
Wenn man sich zudem den schleichenden Verlust der persönlichen „Datenhoheit“ und natürlich auch normative Bewertung dieses damit verbundenen Kontrollverlustes an Selbstbestimmung vor Augen hält – muss man sich da nicht Fragen: Leben wir nicht längst schon in einer „Post-Privacy“ Gesellschaft?
Möglicherweise fressen die digitalen Devices im privaten Alltag mehr Zeit als sie einsparen.
Also bei To-Do Listen ist das ganz sicher so …
Jegliche Erkenntnis über das Ausmaß des Verlustes der privatsphäre ging meines Wissens nach nicht initial von einem Anbieter aus, die ganze Pseudo-Empörung kam immer erst hinterher.
Ganz recht, jedoch ist diese Erkenntnis nicht wirklich neu oder überraschend.
Seit Jahrzehnten werden permanent Schnüffeleien aufgedeckt, mit der Folge das eher die Akzeptanz als die Entrüstung darüber gestiegen ist.
Komischerweise erwartet so etwas niemand wenn man ihm ein Auto verkauft, da meinen die Kunden meist mehr zu wissen als der Hersteller.
Wer kann den heute alle Facetten der Datenschutzthematik in unserer zunehmend vernetzten Welt überhaupt noch erkennen, geschweige den dies für die zukünftige Entwicklung seriös abschätzen?
So ist es, das bedeutet "Full Spectrum Dominance”. Und zwar bis in die letzten Ecken.
Exakt …
Es ist trotzdem ein Unterschied, ob es klare gesetzliche Regelungen, Aufklärungspflichten und Strafgesetze gibt, oder nicht. Es ist ein Unterschied, ob man von einem Unternehmen Rechenschaft verlangen und es gegebenenfalls anzeigen kann, oder nicht. Es ist ein Unterschied, ob es einen vertrag zwischen Staaten gibt, der gegenseitige Spionage untersagt, oder nicht.
Die Whistleblower wie Manning und Snowden werden hier als aufklärerische Helden gefeiert, die NSA hingegen verdammt.
Dabei haben Manning, Snowden und Keith Alexander doch prinzipiell dasselbe getan, nämlich massenhaft Daten gestohlen und Persönlichkeitsrechte verletzt.
Kann also "guter" Datendiebstahl von "bösem" Datendiebstahl immer fein säuberlich getrennt werden?
Die Antworten darauf fallen, je nach politischer Einstellung, ziemlich unterschiedlich aus.
Die eigenen Absichten und Zwecke werden glorifiziert, die der Gegenseite horrifiziert - und umgekehrt.
Dabei muss man zwei Sachlagen unterscheiden.
Zunächst einmal die Spionage - und die ist nicht Völkerechtswidrig, da sie jeder Staat betreibt.
Zum anderen die Persönlichkeitsrechte resultierend aus dem Recht auf Privatsphäre, im 3. Jahrtausend sind die digitalen Kommunikationswege international, was ein Mensch von sich gibt, kann er nicht mehr kontrollieren.
Verschlüsselungen werden entschlüsselt, Codes geknackt.
Dies ist ein diametraler Unterschied zum Zeitalter des Bürgertums, die sich für die Idee einer unabdingbaren und unteilbaren Privatsphäre zuerst erwärmten und dann später in die Gesellschaft rechtsverbindlich implementierten.
Das war das Zeitalter der Telegrafie, der Postzustellung - der offline Kommunikation ...
Der Staat konnte dieses Grundrecht auf Privatsphäre garantieren und entsprechend auch durchsetzen.
Mittlerweile kann der Staat nicht mal mehr das Handy unsere Bundeskanzlerin schützen.
Wie also kann und soll man ihn erst recht dazu zwingen, die Privatsphäre von 80 Millionen Individuen gegenüber den unendlichen Möglichkeiten der digitalen Zukunft zu schützen - die dazu, dass kommt erschwerend noch hinzu, es noch nicht einmal alle wollen.
Ganz abgesehen von den kriminellen Machenschaften global agierender Multimilliarden $ Konzerne und mit immensen Geld- und Machtmitteln ausgestatteter Nachrichtendienste.
Ja ich stimme dir zu, es macht einen Unterschied - aber der ist mit fortschreitender Entwicklung marginaler Natur.