Ob BILD gefährlich ist oder nicht, darüber streiten sich ja schon lange die mehr oder weniger Gelehrten. Meist wird darauf hingewiesen, dass das Blatt den Anspruch hat, Politik mitzugestalten. Der Oberbildkritiker Wallraff glaubt das und belegt es mit gewissen Momenten in Axel Springers Biografie, die wirklich den Charakter von Aha-Erlebnissen haben, allen voran Springers Besuch in Moskau und die schroffe Abweisung durch Chruschtschow. Andere - darunter auch BILD selbst - behaupten, BILD würde als Boulevard-Blatt einfach nur das aussprechen, was das Volk denkt, im Sinne einer hohen Auflage. Populismus oder Pop-Journalismus, das ist hier die Frage.
Diese Frage kann man an zwei Fällen aus jüngster Zeit aufrollen: Guttenberg und Wulff. Die offensichtliche Parteinahme für Guttenberg trotz eindeutiger Sachlage gegen ihn kann man als einen Versuch sehen, Politik zu beeinflussen, ganz einfach, weil Guttenberg für eine politische Linie steht, die BILD gefällt. Andererseits handelte es sich bei Guttenberg um einen beim Volk ausgesprochen beliebten Politiker, und selbst bis zum Rücktritt hatte er eine deutliche Mehrheit hinter sich. Es kann also auch sein, dass BILD einfach nur Volkes Stimme Gehör verschaffen wollte: "Scheiß auf den Doktor", es haben doch ohnehin nur die wenigsten schon mal eine Universität von Innen gesehen.
Auch der zweite Fall lässt sich von zwei Seiten betrachten. Manche sagen, BILD hätte in Wulff einfach nur einen Story-Lieferanten gesehen, egal, ob es im Interesse des Betroffenen war oder eben nicht. Zusammen im Fahrstuhl rauf, zusammen runter, Hauptsache, es gibt was zu schreiben. (Wobei "zusammen runterfahren" natürlich feist gelogen ist - BILD selbst fährt natürlich nicht mit runter, und es wird auch nicht gefahren, vielmehr ist es ein unsanfter Fall). Andere, beispielsweise Wallraff, meinen, die Kehrtwende bei BILD habe politische Gründe gehabt. Sie habe verdächtig nahe zu Wulffs Aussage gestanden, der Islam gehöre zu Deutschland.
Ich glaube nicht, dass BILD auf aktuelle politische Ereignisse kurzfristig Einfluss nehmen kann. Gefährlich sind die langfristig angelegten Kampagnen, die als solche nicht erkennbar sind, weil sie getreu dem Motto "Steter Tropfen höhlt den Stein" laufen und bestimmte Ressentiments und Leitbilder schüren und festigen: Faule Hartz4-Empfänger, faule Griechen, heldenhafte Afghanistan-Soldaten, und so weiter. Doch selbst wenn man Wallraffs Ansicht, BILD wolle aktiv in die Politik eingreifen, nicht folgen mag, so muss man zumindest festhalten, dass das gezielte Benutzen von Menschen, ihre Herabwürdigung bis hin zur Vernichtung überhaupt nicht zu einer Gesellschaft passt, die sich auch nur ein Mindestmaß an Menschlichkeit und ethischen Grundsätzen zugute halten möchte.
Die Gratis-BILD habe ich heute zusammen mit dem anderen Werbemüll ungerührt ins Altpapier geworfen, gerade so, wie ich das am Wochenende immer tue.