In der Jauche-Debatte am letzten Sonntag kam mir viel zu oft das Argument vor, dass Frauen sich in so einer Situation ja wehren könnten. Ich frag mich, was das für eine Gesellschaft ist, in der es normal erscheint, dass sich die die eine Hälfte der Bevölkerung ständig gegen die andere wehren können muss. Mir scheint, dass es immer noch „normal“ ist, dass Männer Frauen gegenüber übergriffig werden - ganz egal, ob Politiker, Chef, Bauarbeiter oder wer auch immer. Nur dann, wenn es um einen Prominenten geht, gerät diese Normalität in den Blickwinkel der Öffentlichkeit. Der alltägliche Sexismus ist unsichtbar - wir nehmen ihn nicht wahr, weil er „normal“ ist, weil er Alltag ist. Was ich jeden Tag sehe, fällt mir nicht besonders auf.
Die Diskussion muss deshalb weiter gehen: in welcher Gesellschaft leben wir? Wie kann es in dieser unserer aufgeklärten Gesellschaft notwendig sein, über Frauenquoten überhaupt zu reden? Ist es nicht fraglos selbstverständlich, dass jeder Mensch die gleichen Rechte und Chancen hat? Dass die zufällige Zugehörigkeit zu einer Hälfte kein Grund dafür ist, dass sich jemand eine Position erkämpfen muss, die der anderen Hälfte von allein zugestanden wird? Aber so lange die eine Hälfte, die aus historischen, religiösen oder unreflektierten anderen Gründen sich besser, leistungsfähiger, wertvoller fühlt, der anderen Hälfte den Zugang zum „normalen“ Leben verweigert, und so lange dies von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung als völlig „normal“ angesehen wird, so lange bedarf es nicht nur der Quoten und diverser Gleichstellungsgesetze, sondern auch der ständigen öffentlichen Auseinandersetzung.
In einer perfekten Gesellschaft, in der Gleichstellung verwirklicht ist und in der die Geschlechtszugehörigkeit nicht mehr ist als eben das, können Anmachsprüche und Macho-Attitüden das sein, was sie sind: schlechtes Benehmen, unangemessenes Verhalten, peinliche Ausrutscher. Aber nicht mehr Anlass für Grundsatzdiskussionen.
In dieser Gesellschaft fielen die Brüderles und DSKs dadurch auf, dass sie einfach nicht mehr zeitgemäß wären. Mit achselzuckender Nichtachtung verschwänden sie im Orkus der Nichtbeachtung. Und niemand käme auf die Idee, ihnen politische Macht zu überlassen...
Also: wo fangen wir an?