Das Raubkopierportal kino.to ist abgeschaltet, zwölf Beschuldigte sitzen in Untersuchungshaft. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen insgesamt 21 Beschuldigte wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Es ist eines der bisher größten Verfahren gegen die Szene, die mit Werbung und Abzock-Angeboten Millionen kassiert haben soll. Maßgeblich vorangetrieben hat die Ermittlungen die Filmbranche selbst. Die von ihr gegründete Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverstößen hat wichtige Hinweise geliefert. Die SZ sprach mit der Sprecherin der Organisation.
Frau Ehlers, wie ist Ihr Verband auf die Spur der Betreiber von kino.to gekommen?
Wir sind seit Mai 2008 an dieser Sache dran. Wir hatten früh Verdachtsmomente, dass Personen dabei sind, die wir schon aus anderen Verfahren kannten. Der Verdacht allein genügt aber nicht, wenn man der Staatsanwaltschaft handfeste Beweise an die Hand geben möchte. In diesem Fall waren unsere Recherchen besonders schwierig, weil die Betreiber von kino.to alles unternommen haben, um nicht gefunden zu werden. Ende 2009 dachten wir zunächst, es geht nicht weiter, weil sich alle Namen und Adressen bei genauer Überprüfung als gefälscht herausgestellt haben.
Wie ging es dann weiter?
Anfang 2010 erschien dann ein sehr umfangreicher Artikel in der „Wirtschaftswoche“ zu kino.to, woraufhin sich diverse Personen bei uns gemeldet haben, um uns Hinweise auf die Hintermänner zu geben. Es schien sich um sehr intime Kenner der Szene zu handeln. Wir haben dann, wie wir es immer machen, deren Angaben mit unseren Ermittlungsergebnissen im Internet abgeglichen, um zu sehen, wie seriös die Informationen sind. Anfang dieses Jahres erlangten wir dadurch den entscheidenden Durchbruch.
Zahlt Ihr Verband Geld an solche Informanten?
Es gibt unterschiedliche Motive, sich an uns zu wenden. Teilweise sind es Aussteiger aus der Raubkopierer-Szene, teilweise gab es Streit untereinander. Es kommt auch schon vor, dass Hinweisgebern im Falle der erfolgreichen Einleitung eines Strafverfahrens eine Prämie gezahlt wird, aber das ist nicht die Regel.
Die Justiz hat kino.to abgeschaltet. Genügt Ihnen das?
Kino.to ist bei Weitem nicht die einzige Streaming-Portalseite, die wir auf der Uhr hatten. Zum Schluss hatten wir insgesamt 19 Seiten unter Beobachtung. Kino.to war allerdings mit Abstand die größte, bekannteste, durchstrukturierteste und professionellste Seite. Sie war deshalb auch unser wichtigstes Ziel. Kino.to hat für unsere Mitglieder den größten wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Vergleichsweise kleinere, unbekanntere Portale, von denen manche auch nur zeitweise funktionieren, stellen für unsere Mitglieder keine so große Bedrohung dar.
Wird es bald neue, illegale Angebote für kostenlose Filme geben?
Uns ist aufgefallen, dass im Netz insbesondere eine weitere illegale Filmseite existiert, die allerdings ein wesentlich kleineres Angebot bereithält. Beide scheinen miteinander verquickt zu sein. Die Seite war einige Zeit nach der Razzia der Generalstaatsanwaltschaft Dresden bei kino.to plötzlich offline. Inzwischen funktioniert sie wieder.
Sprechen Sie von movie2k?
Ja, genau. Es gibt nun verschiedene Mutmaßungen. In den Foren und sozialen Netzwerken wird häufig darauf hingewiesen, man solle doch jetzt zu movie2k wechseln. Vielleicht war wegen der Verhaftungen der Betreiber von kino.to zunächst niemand mehr da, der diese kleinere Seite betreuen konnte, und nun haben sich neue Leute gefunden, die das Geschäft weiter betreiben. Insofern liegt für uns der Verdacht nahe, dass die Beziehungen zwischen den beiden illegalen Portalen sehr eng sind.
Wer sind die Betreiber von kino.to?
Es handelt sich ausschließlich um Beschuldigte aus Deutschland, die logischerweise sehr technikaffin sind. Einige von ihnen sind uns schon in früheren Ermittlungsverfahren über den Weg gelaufen. Es sind keine Robin Hoods, die aus sozialem Engagement heraus der Welt das ganze Entertainment kostenlos zur Verfügung stellen wollen. Hinter ihrem Tun verbergen sich handfeste finanzielle Interessen. Nicht selten haben sie als Jugendliche spielerisch angefangen und sind dann in das Geschäft hineingewachsen.
Wie funktioniert das Geschäft?
Unserer Auffassung nach handelt es sich um ein System bestehend aus Internetportal und Hostern. Auf den Hostern liegen die Dateien. Von dem Internetportal werden die Nutzer auf die Hoster geleitet. Hinzu kommen die sogenannten Uploader, also die Zulieferer, die die illegalen Daten auf die Hoster hochgeladen haben. Diese haben regelmäßig für Raubkopien-Nachschub gesorgt, der über die Portalseite von anderen gefunden werden konnte. Zum Schluss waren es rund 30000 Filme und Serien. Es sieht so aus, als ob die Betreiber von kino.to auch einige der Speicherplätze, also der Hosts, selbst betrieben haben. Die Zulieferer wurden dafür bezahlt, dass sie immer neue Ware heranschafften.
Wie kommen die Zulieferer an die Raubkopien?
Es gibt die sogenannten Release-Gruppen, in denen jeder für einen Arbeitsschritt zuständig ist. Sie arbeiten häufig mit Personen zusammen, die zum Beispiel illegale Mitschnitte aus Kinos anfertigen oder Kontakte ins Ausland haben. Es gibt regelrechte interne Wettkämpfe zwischen den Gruppen: Wer schafft es, als Erster eine illegale Kopie eines neuen Films zu besorgen? Wer liefert die beste Qualität? Manchmal gelingt ihnen das auch über Kontakte in die Kopierwerke hinein oder zu Film-Journalisten, die sehr früh eine Kopie bekommen. Sogar ein Mitglied der Oscar-Jury hat vermutlich aus mangelnder Vorsicht vor Jahren die Weitergabe einer Kopie verschuldet.
Was wissen Sie über diese Gruppen?
Es gibt unter den Raubkopierern Anhänger der sogenannten Old School, die ursprünglich aus der Hackerszene stammen und gern mit ihrem technischem Können prahlen. Sie verstehen sich als Teil einer Subkultur und haben keine erkennbaren kommerziellen Interessen. Es gibt aber auch diejenigen, die nur Geld damit verdienen wollen. Zwischen diesen beiden Fraktionen gibt es auch häufig Streit, von denen wir dann in Form von Informationen profitieren. Hin und wieder schießen sich die Gruppen auch untereinander ab mit gezielten Sabotageakten.
Welche Strafen können gegen die Beschuldigten im kino.to-Verfahren verhängt werden?
Wir haben in unserem Strafantrag Verstöße gegen das Urheberrecht geltend gemacht. Die Generalstaatsanwaltschaft hat daraufhin ermittelt und aufgrund des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur gewerbsmäßigen Begehung von Urheberrechtsverletzungen durchsucht. Dieser Vorwurf wiegt noch um einiges schwerer. Die gesamte Filmwirtschaft hofft auf möglichst drakonische Strafen, weil die Branche das System von kino.to für wirklich schlimm hält. Das Urheberrecht sieht bei gewerbsmäßigen Verstößen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vor. Es kommt aber natürlich auf den einzelnen Beschuldigten und dessen Einsichtsfähigkeit an. Bei denen, die schon einmal vor Gericht standen, nehmen wir an, dass Bewährungsstrafen nicht mehr ausreichen.
Juristen streiten darüber, ob es verboten ist, sich illegale Streams von Filmen anzusehen, oder ob nur der Download illegal ist. Was sagen Sie?
Es geht darum, ob technisch eine Vervielfältigung stattfindet oder nicht. Wenn sie den Stream starten, nehmen Sie bereits eine Zwischenspeicherung vor. Unsere Juristen sagen, das ist schon eine Vervielfältigung. Andere sagen, das reicht nicht. Man sollte sich einmal die Frage stellen, wozu das Urheberrecht eigentlich geschaffen worden ist. Es geht doch darum, den Urhebern, also Autoren oder Filmproduzenten, das Recht zuzugestehen, selbst zu entscheiden, wann und wie sie ihr Werk verwerten. Es ist doch sehr die Frage, ob es mit dem Zweck des Urheberrechts vereinbar ist, den kostenlosen Konsum im Internet zu ermöglichen.
Werden Sie auch gegen die Konsumenten vorgehen?
In erster Linie halten wir das Handeln der Anbieter für verwerflicher als das der Nutzer. Wer unter den Nutzern jedoch einen PremiumAccount abgeschlossen hat, muss anders behandelt werden als jemand, der sich nur ein- oder zweimal einen Film angesehen hat. Für zivilrechtliche Schadensersatzforderungen können die Filmfirmen eigene Anwälte beauftragen. Dafür sind wir nicht zuständig.