Nein, man hätte nicht zwingend den Russen eine Vormachtstellung in Osteuropa garantieren müssen. Sondern nur, dass die NATO sich nicht weiter nach Osten ausdehnt. Oder anders formuliert: Dass sie keine neuen Mitglieder aufnimmt.
In der Sichtweise blendet man aber wieder aus das es nicht nur eine "sich ausdehnende" NATO gibt und ein Russland dass das aus welchem Grund auch immer nicht mag, sondern das da auch noch die Staaten sind, die ihren Beitrittswillen zur NATO bekunden.
Das Staaten des ehemaligen Ostblocks offenbar ein gewisses Sicherheitsbedürfnis empfinden, dem sie durch ihren NATO-Beitritt Rechnung tragen, hat durchaus etwas mit der früheren Vormachtstellung Russlands zu tun.
Die Erinnerung ist halt noch da das Russland in Form der Sowjetunion auch mal hat Panzer rollen lassen, um diejenigen Staaten, die sie als Teil ihrer Einfluss-Sphäre betrachteten wieder auf Linie zu bringen. Die NATO hatte so etwas nie nötig und das macht dann auch wieder verständlich, dass die vormaligen Ostblockstaaten die NATO nicht einfach nur als Warschauer Pakt in Blau verstehen, frei nach dem Motto "in so einen Verein war ich schon mal, nie wieder".
Also Staaten die aus freien Stücken den NATO-Beitritt suchen, diesen zu verwehren, weil man damit Russland brüskiert, sehe ich dennoch weiter als Zementierung einer Vormachtstellung Russlands für die es keine Grundlage mehr gibt. Und definitiv auch nicht dafür die NATO zum Erfüllungsgehilfen russischer Befindlichkeiten zu machen, in dem sie beitrittswilligen Staaten diesen verweigert.
Und dann bleibt ja immer noch die Assoziierung EU zu NATO. Wenn niemand mehr der NATO beitreten darf, gilt das dann auch für die EU? Also weder einem militärischen Verteidigungsbündnis beitreten dürfen, noch einem nach wie vor überwiegend auf wirtschaftlichen Wohlstand ausgerichteten Staatenbund? Wem nutzt das? Und warum schadet es Russland, wenn ein Staat wie die Ukraine sich der EU annähert (um einen Beitritt gehts ja noch gar nicht). Schließlich macht auch Russland Geschäfte mit dem Westen, zumindest bevor die Sanktionen in Kraft traten...
Noch richtiger wär's gewesen, wenn man die NATO komplett aufgelöst hätte, so wie den Warschauer Pakt auch. Denn für beide Bündnisse entfiel die "Geschäftsgrundlage" gleichermaßen, der Kalte Krieg war zuende. Das hätte Europa eine Perspektive gegeben.
Dann wäre die Konsequenz aber auch gewesen das alle vormaligen NATO-Staaten militärisch wieder ihr "eigenes Ding" durchziehen. Ich weiß nicht, ob das die Welt sicherer machen würde.
Ich sehe die NATO halt auch nicht als zwingendes Gegenstück zum Warschauer Pakt, die ohne diesen keine Daseinsberechtigung mehr hat. Die Welt hat sich verändert, es gibt keine zwei großen Blöcke mehr, aber das bedeutet nicht das die NATO nicht weiterhin den Sicherheitsinteressen ihrer Mitglieder Rechnung tragen kann. Wenn, für wen auch immer, die Existenz der NATO bedeutet, das man sich mit ihren Mitgliedsstaaten lieber nicht militärisch anlegt, dann erfüllt sie weiterhin einen Zweck.
Man muss sich auch klar machen: Der Warschauer Pakt löste sich auf, weil keiner mehr mitmachen wollte. Das Konstrukt war in sich kollabiert. Auf die NATO traf das nicht zu. Also warum auflösen? Macht man dadurch die Welt wirklich sicherer?