Hallo!
In der Tat, die Mechanismen bei Unternehmen sind emotionslos, wenn es Abrechnungen betrifft, die Teil eines (fast) automatisierten Prozesses sind und wo ein persönliches Empfinden auf der Strecke bleibt. Wichtig ist bekanntlich nur, dass für beide Seiten die gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben in einer Rechnung ersichtlich sind. Doch es ist nicht verboten, das starre und übliche Gefüge zu erweitern, sei es nur aus Höflichkeit, aus Respekt oder als Dankeschön. Letztendlich kommen Rechnungsunterlagen zu den Akten, aber auch das kann mit Stil oder dem Ausdruck einer persönlichen Note geschehen, denn man weiß als Absender nie, ob nicht doch eine Person das Dokument in seine Hände erhält, die sich Gedanken darüber macht.
Ein zurück liegendes Praxisbeispiel (von mir zelebriert):
Ein Fotograf konnte seiner "Zahlungsaufforderung" in Höhe von damals 13.400 DM nicht ordnungsgemäß nachkommen, obwohl die von uns erstellte Computeranimation auf der Messeveranstaltung präsentiert wurde und unser Auftraggeber mit dem Ergebnis mehr als zufrieden war. Wir sendeten ihm 8 Tage nach der Präsentation unsere Rechnung und diese war ebenso schlicht und üblich, wie man den Inhalt von anderen Rechnungen kennt – und kaum mehr beachtet. Vom Fotografen gab es keine Reaktion, weder mündlich noch schriftlich. Wir wurden von einer Dame am Telefon dahin gehend vertröstet, dass sich der Fotograf im Ausland befinde – zwecks eines anderen Auftrags. Angaben, die nicht stimmten, denn wir kannten die freien Mitarbeiter des Fotostudios und wussten, das der Fotograf am Tag unseres Anrufes mit der Abrechnung des Messeteams zu kämpfen hatte, denn in seiner Kostenplanung hatte er sich verkalkuliert und offensichtlich nicht genug Geld, um alle beteiligten Subunternehmen zu bezahlen. So meldeten wir uns erst 4 Wochen später bei ihm und ich sendete ihm statt einer "kalten" Mahnung ein freundliches Erinnerungsschreiben mit der Bitte, unser Anliegen nicht zu vergessen. Aber anstelle einer üblichen Mahnung und vorgefertigten Sätzen, die jede Software parat stellt, mit der man das Mahnwesen verwaltet, war meine Erinnerung als Kurzgesichte formuliert und brachte auf emotionaler Ebene zum Ausdruck, was den Fotografen später dazu bewogen hatte, unsere Forderung vor allen anderen Forderungen zu bezahlen.
Es war um Ostern herum und der Fotograf wurde Vater. Was lag also näher, als die Mahnung als Ostermärchen zu verpacken, ohne den Anschein zu erwecken, man wäre als Unternehmen kalt und herzlos und bestünde nur auf Geld? Ich möchte das Märchen nicht wortgetreu veröffentlichen, aber es beinhaltete die direkte Ansprache aus der Sicht des Osterhasen, der die Kinder in dem Jahr enttäuschen muss, weil dieser keine Eier verstecken kann, weil es keine Eier gibt. In voller Absicht von mir rührselig geschrieben und mit der emotionalen Betonung auf den Verlust des Osterfestes für die lieben Kinder, weil ein "böser Zauberer" (mit dieser Rolle habe ich den Fotofragen belegt) den Schlüssel für die Schokoladentruhe verloren hat, in dem alle Eier waren. Und der Osterhase wendete sich nun an den Zauberer, um ihn davon zu überzeugen, den Schlüssel herauszugeben, denn er hatte sich doch solche Mühe damit gegeben, das Osterfest zu dekorieren.
Wir erhielten ein Feedback vom Fotografen, das er niemals zuvor so eine freundlich verpackte Mahnung erhalten hatte und es vergingen keine 8 Tage, als die Summe auf unserem Konto gut geschrieben war. Ausschlaggebend für seine freundliche Reaktion, war unsere freundliche Aktion, ihn nicht wie einen säumigen Kunden zu behandeln, denn dazu gaben ihm bereits anderen Subunternehmen Gelegenheit. Als neuer Vater war er ohnehin stark in Anspruch genommen. Die privaten Lebensumstände spielen immer eine zentrale Rolle im Umgang mit Menschen. Das wollten wir zum Ausdruck bringen und hatten Erfolg damit. Wir zeigten Verständnis für ihn und er bescheinigte Verständnis für uns. Ohne Mahnwesen, ohne Anwälte, ohne Gerichte.
Sicher, bei einem großen Unternehmen hätte das nicht so funktioniert, aber schon die Tatsache, das man mehr über die Hintergründe seiner Kunden in Erfahrung bringt, als es andere Auftragnehmer tun, macht ein Geschäft erfreulich, wenn trotz aller Startschwierigkeiten beide Seiten zufrieden sind und beim 2. Auftrag alles bestens läuft. Wir mussten den Fotografen seitdem nie wieder mahnen, denn wie schon gesagt: Im Business geht es zwar um Zahlen, aber hinter jeder Ziffer steht ein menschliches Schicksal. Das verlieren wir als Anbieter niemals aus den Augen und deshalb vermeiden wir die üblichen Floskeln, die jedem geläufig sind und behalten uns bei Kunden in guter Erinnerung - bis zum nächsten Auftrag. Wer von Ideen lebt, kann und sollte dies auch in Rechnungen zum Ausdruck bringen.
Keine Frage, sollte sich mal ein Fuchs im Hühnerstall verirren, dann können wir auch anders, aber bisher hat sich noch kein Fuchs zu erkennen gegeben – zumindest nicht in der Form, das man auf ihn anlegen und schießen müsste. Liegt es an den Füchsen? Nein, aber die Hühner begegnen ihm so charmant, da vergessen Füchse glatt ihren Hunger.
- Sterling