Mehr Demokratie - Gegen Wahlen

Mich würde mal interessieren, wo du die Grenze zwischen "antipolitischem kleinbürgerlichen Milieu" und "Mitte" ziehen würdest. Ich wüsste da kaum zu trennen.
Unter "Mitte" verstehe ich die Wählerschicht, die Merkel wählen. Das ist keine politische oder gar programmatische Position, sondern eine unscharfe, gleichzeitig konservative wie soziale und von christlicher Ethik geprägte Grundhaltung. Diese "goldene Mitte" sagt "einerseits, aber andererseits auch", ist sehr vorsichtig und vertritt eigentlich unvereinbare Standpunkte gleichzeitig, weil sie sich ungern festlegt.

Unter "antipolitischem kleinbürgerlichen Milieu" verstehe ich die Angehörigen des unteren Mittelstandes, die sich unverstanden, abgehängt und von den Eliten betrogen fühlen. Sie sind weit weit weniger politisch informiert als "die Mitte" und stärker von Ressentiments und Ängsten vor Besitzstandsverlust und sozialem Abstieg geprägt. Ihre politischen Positionen sind die der AfD, sie neigen zu Ausgrenzung und Abschottung, sie wollen einen Staat, der mehr durchgreift (in ihrem Sinne natürlich). Das Deutschsein ist für sie eine Frage der Abstammung, nicht des Lebensmittelpunktes.

Aber klar, eine scharfe Grenze lässt sich zwischen diesen Wählerschichten nicht ziehen, sie gehen ineinander über. Und interessanterweise haben viele Menschen aus dem apolitischem kleinbürgerlichen Milieu bisher die Linke gewählt. Natürlich möchte die Partei diese Stimmen nicht an die AfD verlieren.

Diese Wählerwanderungen zeigen mE auch, dass die Einteilung der politischen Haltungen in links, rechts und Mitte inzwischen kaum noch brauchbar ist. Die Bevölkerung spaltet sich zunehmend, die Parteien werden zu politischen Marken und betreiben Marketing nach Wähler-Zielgruppen.

Dabei werden alle zusammen immer populistischer – was ihre Wahlprogramme angeht. Was sie dann an Politik wirklich umsetzen, wenn sie tatsächlich in Regierungsverantwortung kommen, ist eine andere Frage.
 
Deine Behauptung zeigt das Dilemma. Sie verzerrt unter anderem die Realität, indem sie Merkels historische Fehlentscheidung verkürzt auf "musste Kriegsflüchtlinge aufnehmen". Es ist gut, wenn ein Land Kriegsflüchtlinge aufnimmt, aber das ist hier nicht die ganze Story. Der Hauptanteil der ins Land strömenden Massen besteht überhaupt nicht aus Kriegsflüchtlingen sondern aus Migrationswilligen, die gehört haben, dass man in Deutschland alles bekommt, was man braucht und will.

Ich habe keine Ahnung, wo die alle herkamen, und ich kenne jetzt auch keine verlässliche (unvoreingenommene) Quelle dazu. Allein deshalb schon möchte ich hier darüber nicht diskutieren. Erst recht nicht über ethische Aspekte, denn da hat jeder so eine eigene Meinung, die auf allzu Persönliches zurückgeht (Lebenserfahrungen, die man gemacht bzw. nicht gemacht hat). Darüber zu diskutieren bringt nix.

Es ist für diese Diskussion auch egal, wo die Menschen herkamen und ob ihre Einreise im Einzelfalle berechtigt war oder nicht. Sie standen zu Hunderttausenden auf dem Balkan herum, und sie mussten irgendwo hin. Zurückgegangen wären sie nicht, wenn Merkel dichtgemacht hätte. Und dann? Das wären ziemlich heftige Bilder gewesen, die wir uns Tag für Tag hätten anschauen müssen. Und Europa - damals ohnehin schon zerstritten - hätte es endgültig zerissen.
Merkel hat in den Jahren ihrer Kanzlerschaft immer darauf geachtet, die Mitte zu bedienen, und ihr wäre es nicht einmal im Traum eingefallen, sie derart zu verprellen wie mit ihrer "Wir schaffen das"-Politik. Sie musste es jedoch tun, sie hatte schlicht keine andere Wahl. Und damit sind wir dann bei meiner Einschätzung, dass die AfD deshalb so stark ist, weil die Regierung den Wünschen der Mitte in zentralen Punkten (Sicherheit, Wohlstand) nicht mehr nachkommen konnte.
 
Es spricht vieles dafür, dass die "Flüchtlingskrise" und die "Eurokrise" gar keine echten Krisen sind, sondern nur Symptome einer ganz anderen realen Krise. Dass sie nur deshalb "Krisen" genannt werden, um davon abzulenken, dass es eine Krise der Politik selbst gibt, die letztlich eine Krise der Gesellschaft ist. Ein kranker Zeitgeist. Dazu passen dann Phänomene wie Politikverdrossenheit, bizarre Forderungen und Verächtlichmachen anderer Meinungen. Vielleicht wird die WHO bald einen Namen dafür haben. Irgendetwas mit Selbsthass hat es auf jeden Fall zu tun.
 
Hallo Forum,
... Er plädiert für ein Parlament, welches sich aus einem durch Losverfahren ausgewählte Bürger zusammensetzt wie es in der Rechtssprechung heute schon teilweise der Fall ist.

...

Was haltet ihr von dieser Idee?

Da in diesem Parlament wohl auch mehrheitlich beschlossen wird, wird das das Problem der "Diktatur der Mehrheit", die du ansprichst, nur bedingt lösen.

Generell ist das natürlich eine interessante Idee. Ich denke mal der Ansatz ist hierbei, dass es bei diesem "Zufallsparlament" einfach nur darum geht eine Miniaturausführung der Gesellschaft zu kriegen, die dann, stellverstretend für die Gesellschaft, entscheidet. Bei den herrkömmlichen Wahlen geht, je nach Wahlsystem, zwar auch oft darum so eine Miniaturausführung der Gesellschaft zusammenzustellen, vor allem bei Verhältniswahlrecht, aber es geht vor allem um SELEKTION. Der Wähler wählt (nicht weil er "dumm" ist, sondern weil er menschlich ist) Politiker aus, die ihm "geeignet" erscheinen. Das kann dazu führen, dass ein supertolles, "fachlich eigentlich super geeignetes Genie" höhere Chancen hat gewählt zu werden. Es kann aber auch dazu führen, dass ein "fachlich eigentlich super geeignetes Genie" überhaupt keine Chancen hat, weil er oder sie zwar genial ist aber total nervig rüberkommt im TV usw. Das heißt, die Selektion, die zwar eigentlich positiv sein soll, führt auch dazu, dass es bestimmte Arten von Menschen nie ins Parlament schaffen. Zum Beispiel würde man niemanden wählen der "nicht still sitzen kann". Klar, was soll der im Parlament, wo man die meiste Zeit da sitzt und zuhören muss. Verständlich irgendwie. Aber führt halt auch dazu, dass selten Politik für "Leute, die nicht stillsitzen können" gemacht wird.

Meine These: Das derzeitige Wahlsystem sorgt dafür, dass sich eine bestimme Art von Menschen im Parlament einfindet. Aber es wär vielleicht auch mal sinnvoll wenn ab und zu mal ein "nicht stillsitzendes Genie" da rein kommt, dass dann zwar 4 Jahre rumnervt aber einfach mal einen sinnvollen Gesetzesvorschlag für Bestuhlung in öffentlichen Räumen liefert, weil er/oder sie darin logischerweise Experte ist. Zufallsdemokratie würde natürlich die Chance eröffnen, dass auch solche Leute ins Parlament kommen, die sonst nie eine Chance hätten, weil sie keiner wählt.

Probleme könnten sein: 1. Ein solches "Laienparlament" könnte leicht beeinflussbar, weil unerfahren, sein (das gilt aber auch für direkte Demokratie). 2. Der Zufall sorgt nicht für eine repräsentative sondern für eine zufällige Abbildung der Gesellschaft im Parlament. Wenn die Gesellschaft aus 50% Frauen und 50% Männern besteht, dann wäre es unglaublicher Zufall (wie ironisch...) wenn auch im Zufallsparlament 50% Frauen ausgelost wurden. Viel wahrscheinlicher ist, dass ein Geschlecht die Mehrheit stellt. Zufall eben. Ich kann das kurz demonstrieren indem ich mit nem beliebigen Zufallsgenerator aus dem Netz generiere: 1904277692627587 Das sind 16 zufällige Zahlen. Wenn ich 0 mal zu den geraden Zahlen zähle, dann müssten dort (repräsentativ) je 50% gerade und ungerade Zahlen sein. Wenn ich zähle dann finde ich aber 8 ungerade und 8 gerade. Und deswegen muss ich jetzt eine neue Zahl generieren und meine These zu belegen: Und zwar 4336364361305063 Ähm, Na toll... Ich geh mal anders vor: Ich generiere eine 20 stellige Zahl: 51424371819402070614 Wenn das ganze repräsentativ sein soll, dann müsste die 4 zwei mal (10%) vertreten sein. Aber die 4 ist (da reiner Zufall) ganze vier mal vertreten! Die 5 dagegen (rein zufällig) nur ein mal. Heißt: obwohl die 4en und die 5en je 10% der "Bevölkerung" stellen sind die 4en in diesem "Zahlenparlament" oder "Zahlenausschuss" stark überrepresentiert. Und die geraden Zahlen sind in diesem Beispiel mit 11 auch mehr als die ungeraden. Rein zufällig...
 
Da in diesem Parlament wohl auch mehrheitlich beschlossen wird, wird das das Problem der "Diktatur der Mehrheit", die du ansprichst, nur bedingt lösen.

Das Problem, das ich sehe, ist , dass die Parteien von Anfang an daran gearbeitet haben, das Grundgesetz in ihrem (Macht-) Sinne zu verbiegen. Ein Beispiel ist der Fraktionszwang. Man lese einmal, was in GG steht:
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Dass das Verfassungsgericht den Fraktionszwang für Zulässig erklärt hat, ist m.M nach eines der größten Versagen dieses Gerichtes.

Ein anderer Punkt sind die angeblich in der Verfassung nicht vorgesehenen Volksabstimmungen. Art. 20 Abs 2 GG lautet:

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(Hervorhebung von mir)
Selbst ein Richter am Bundesverfassungsgericht, den ich einmal zufällig im Urlaub kennenlernte, konnte mir nicht schlüssig erklären, was mit "Abstimmungen" gemeint sei, wenn nicht Volksabstimmungen.

Ansonsten muss man sich nur einmal ansehen, wie sich alle Parteien in Hamburg gegen das neue Wahlrecht stemmen und es regelrecht unterlaufen.
Diese Parteien haben gar kein Interesse am Volk.
 
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Waren hier nicht mal politische Themen untersagt...? ^^
Bei allem Respekt gegenüber meinem Vorredner (bzw. "Vorposter"): Was mich ja immer wieder erstaunt, nicht nur in diesem Forum, ist diese monotone und fast schon gleichgeschaltet wirkende Argumentation der üblichen, ich nenn sie mal, "Mehr Demokratie Bürger".
Kritik an Parteien (und Eliten). Kampf für Volksabstimmungen. Immer das selbe. Und dann? Die Frage wie das "politische Alltagsgeschäft" über Volksabstimmungen geregelt werden kann bleiben diese Menschen mir meist schuldig. Wie soll das in der Kommunalpolitik denn aussehen? Bei jedem Fahrradweg wird eine Volksinitiative durchgeführt, Unterschriften gesammelt, Unterschriften geprüft, dann Wahlkampf geführt und eine Volksabstimmung? Nein? Volksabstimmungen sollen also doch nur als Ergänzung zum bisherigen System dienen? Das heißt, die Hauptarbeit sollen weiter die gewählten (Partei-)Politiker machen? Ich denke das (Parteien-)System ist total schlimm? Oder wie, oder was? Deswegen find ich das Thema des Themenerstellers mit der Zufallsdemokratie auch so erfrischend, weil es mal aus dem üblichen ("Böse Eliten! Gutes Volk!") ausbricht und mal ne Andere Alternative vorgestellt wird. Schade, dass offenbar nur wenige auf das eigentliche Thema eingehen.
 
Die Frage wie das "politische Alltagsgeschäft" über Volksabstimmungen geregelt werden kann bleiben diese Menschen mir meist schuldig. Wie soll das in der Kommunalpolitik denn aussehen? Bei jedem Fahrradweg wird eine Volksinitiative durchgeführt, Unterschriften gesammelt, Unterschriften geprüft, dann Wahlkampf geführt und eine Volksabstimmung? Nein? Volksabstimmungen sollen also doch nur als Ergänzung zum bisherigen System dienen? Das heißt, die Hauptarbeit sollen weiter die gewählten (Partei-)Politiker machen?

Du meinst, für einen (neuen) Radweg braucht man Politiker?
Dazu reicht eine funktionierende, nicht korrumpierte Verwaltung völlig aus, Politiker stören da nur mit ihrem Nicht-Wissen und ihrem Gefallens-Geklüngel.

Für einen neuen Radweg benötigt es Bürger die diesen später dann auch nutzen und Einsicht was wo geplant und erweitert werden muss.
Hast Du dir das palavern der Partei-Politiker zum Beispiel in einem örtlichen Stadtrat mal angeschaut. Ich schon und ich wusste nicht ob ich lachen oder denen den Mülleimer über den Kopf stülpen sollte.
 
Ich denke das (Parteien-)System ist total schlimm?

Das Parteiensystem ist nicht per se schlimm, schlimm ist nur der Machtdünkel, die Kaderkungelei (die vom hamburger Wahlsystem eingeschränkt werden soll, sehr zum Missfallen unseres Bürgermeisters), und die Verflechtungen mit der Wirtschaft (Parteispenden!).
Mit anderen Worten, den Politikern fehlt es an Dehmut vorm wahren Souverän, dem Volk.
 
Du meinst, für einen (neuen) Radweg braucht man Politiker?
Dazu reicht eine funktionierende, nicht korrumpierte Verwaltung völlig aus, Politiker stören da nur mit ihrem Nicht-Wissen und ihrem Gefallens-Geklüngel.
Stell dir mal vor, dass allein Verwaltungsbeamte entscheiden dürften, wo ihre Kommune investiert. Eine neue Schule oder ein neues Gewerbegebiet? Wie soll die Schullandschaft des Kreises in Zukunft aussehen? Die Bücherei schließen oder die Müllgebühren erhöhen? Bekommt das Dorfgemeinschaftshaus einen Zuschuss? Wie geht die Stadt mit den Leerständen in der Einkaufsstrasse um? Wird eine Siedlung an die zentrale Abwasserversorgung angeschlossen? Und so weiter. Diese Fragen willst du einigen wenigen und über Jahrzehnte denselben FachreferatsleiterInnen überlassen?

Noch ein Hinweis: Wir sind es, die die von dir pauschal geschmähten PolitikerInnen wählen. Und wir selbst können uns genauso zur Wahl stellen. Grade auf kommunaler Ebene könnte ein universal gebildeter Fachmann wie du viel Gutes bewirken, er muss nicht mal in einer Partei sein, er kann sich einer Wählergemeinschaft anschliessen oder einfach eine Einzelkandidatur anmelden. Und wenn er so berechtigte Kritik übt wie du und konstruktive Vorschläge macht, wird er garantiert auch gewählt.
 
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Du meinst, für einen (neuen) Radweg braucht man Politiker?
Dazu reicht eine funktionierende, nicht korrumpierte Verwaltung völlig aus, Politiker stören da nur mit ihrem Nicht-Wissen und ihrem Gefallens-Geklüngel.
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Wow, ihr könnt euch aber auch nicht einigen wohin es gehen soll... Der eine fordert
"Dehmut" von Politikern "vorm wahren Souverän, dem Volk.", der andere fordert eine technokratische Elitenherrschaft. Und ja, ich hab mir das alles mal "angeguck" um es mal vorsichtig auszudrücken. Und eigentlich beschreibst du ja den existierenden Zustand in den meisten Kommunen ganz passend. 99% der Vorschläge der Verwaltung werden von den Politikern abgenickt. Klar, die jeweiligen Dezernenten werden ja von der Mehrheit der Kommunalpolitiker gewählt. Denn die Frage ist ja, wer sucht diese " funktionierende, nicht korrumpierte Verwaltung" aus? Wer benennt sie? Sie sich selber? Der König? Nein, es wird gewählt, es werden Politiker gewählt und die wählen dann die Verwaltung. Und das was die Verwaltung macht wird dann meist als gut befunden, manchmal aber auch nicht (Wenn die Mehrheitsparteien Angst haben, dass das Fällen der Bäume, was die Verwaltung vorschlägt, Wählerstimmen kostet). Du forderst jetzt quasi, dass diese Verwaltung unabhängig von der Politik wird. Was wäre das dann? Ein Bauderzernent, der unabhängig von Politik ist und nicht von dieser benannt wurde sondern... ja von wem? Vom Volk? Dann wäre das genauso ein Politiker der auf Wählerstimmen achtet. Gibts übrigens schon: Direkt gewählte (Ober-)Bürgermeister. Aber klingt jetzt schräg wenn man sagt direkt gewählte Oberbürgermeister sind unabhängig von Politik oder? Oder man müsste das Kommunalparlament abschaffen. Dann wird der (Ober-)Bürgermeister einmal in 4 Jahren vom Volk gewählt, benennt dann die restliche Verwaltung und kann dann "durchverwalten" ohne den "Rat" oder wie das jeweilige Kommunalparlament heißt, fragen zu müssen... Aber wie gesagt, die Direktwahl ist zu politisch und zu populistisch um deinen Anforderungen zu genügen. Also müsste folgendes her: Kommunalparlament abschaffen. Oberbürgermeister als Chef der Verwaltung wird unabhängig von jeglicher Politik bennant, und zwar rein nach fachlichen Kriterien! Aber wer benennt ihn dann? Wer entscheidet ob ein Kandidat die fachlichen Kriterien mitbringt die Verwaltung zu leiten? Natürlich ICH! Also die Lösung ist: Ich wähle aus wer in meiner Stadt die Verwaltung leitet, und diese Verwaltung darf dann ungestört von Politik durchverwalten. Schön, dass wir diese Frage auch gelöst haben.
 
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Unter "Mitte" verstehe ich die Wählerschicht, die Merkel wählen. Das ist keine politische oder gar programmatische Position, sondern eine unscharfe, gleichzeitig konservative wie soziale und von christlicher Ethik geprägte Grundhaltung. Diese "goldene Mitte" sagt "einerseits, aber andererseits auch", ist sehr vorsichtig und vertritt eigentlich unvereinbare Standpunkte gleichzeitig, weil sie sich ungern festlegt.

Diesen Abschnitt kann man mehrere Male lesen, und man wird trotzdem nicht gewahr, was deiner Ansicht nach "Mitte" sein soll. Allein schon die Sache mit der "christlichen Ethik": Darunter kann man ziemlich viel verstehen, die Bandbreite reicht von spießbürgerlicher Doppelmoral bis hin zu Leuten, die sich für andere engagieren.

Das soll jetzt kein Vorwurf sein. Es ist wirklich schwierig zu bestimmen, was "Mitte" eigentlich ist. Ich sehe einen brauchbaren Ansatz eigentlich nur darin, zu schauen, mit welchen Themen die Parteien seit Gründung der Bundesrepublik Wahlen gewonnen haben, und da fallen mir eigentlich nur zwei Punkte ein: Wohlstand und Sicherheit (nicht im Sinne von Landesschutz, sondern es geht um persönliche Lebenssicherheit: Arbeitsplatz usw.). Es fällt mir wirklich schwer, dieser Mitte, die eigentlich nur ihre eigenen Interessen im Blick hat, irgendwelche politischen Grundeinstellungen wie "sozial" oder "konservativ" oder beides zuzuordnen.

Aber klar, eine scharfe Grenze lässt sich zwischen diesen Wählerschichten nicht ziehen, sie gehen ineinander über.

Aus meiner Sicht tun sie dies so fließend, dass es keinen Sinn hat, zu differenzieren. Je geringer das Einkommen und je unsicherer der Arbeitsplatz - an dem alles hängt - desto größer das Gefühl, nicht gehört zu werden und abgehängt zu sein, und desto größter auch die Neigung, AfD zu wählen. Ich sehe das also als ein "Mehr oder weniger". Von der neoliberalen Politik der letzten 20 Jahre ist jedenfalls die komplette Mittelschicht betroffen. Sie hat sich auch die Ellenbogenmentalität zu Eigen gemacht, die mit Schröders "mutigen" Reformen in Deutschland Einzug hielt: Wir haben nichts zu verschenken, wir sind nicht das Welt-Sozialamt. Gerade dieser Haltung hat Merkel ja lange Zeit entsprochen, man denke nur an das deutsche Eurokrisen-Management. Und wurde dafür auch wiedergewählt, mit beeindruckenden 40+ Prozent.
 
Es ist wirklich schwierig zu bestimmen, was "Mitte" eigentlich ist. Ich sehe einen brauchbaren Ansatz eigentlich nur darin, zu schauen, mit welchen Themen die Parteien seit Gründung der Bundesrepublik Wahlen gewonnen haben, und da fallen mir eigentlich nur zwei Punkte ein: Wohlstand und Sicherheit (nicht im Sinne von Landesschutz, sondern es geht um persönliche Lebenssicherheit: Arbeitsplatz usw.). Es fällt mir wirklich schwer, dieser Mitte, die eigentlich nur ihre eigenen Interessen im Blick hat, irgendwelche politischen Grundeinstellungen wie "sozial" oder "konservativ" oder beides zuzuordnen.
Ja, mir fällt das auch schwer. Das ist auch immer nur eine momentane Beschreibung, die sich wenige Jahre später wieder ändern kann, weil der typische Mittewähler je nach aktuellen Geschehnissen umherglibbert und widersprüchliche Standpunkt gleichzeitig vertritt. Diese Mitte ist jedenfalls die Mehrheit, ungefähr zwei Drittel der Wählerschaft. Und ich finde, Merkel verkörpert sie ideal.
 
Ja, mir fällt das auch schwer. Das ist auch immer nur eine momentane Beschreibung, die sich wenige Jahre später wieder ändern kann, weil der typische Mittewähler je nach aktuellen Geschehnissen umherglibbert und widersprüchliche Standpunkt gleichzeitig vertritt. Diese Mitte ist jedenfalls die Mehrheit, ungefähr zwei Drittel der Wählerschaft. Und ich finde, Merkel verkörpert sie ideal.

Ist die "Mitte" vielleicht einfach nur das was wir gemeinhin als "Normalbürger" bezeichnen? Der "Durchschnitt"? Und die Mehrheit ist eben "normal" und "durchschnittlich". Menschen die von der Norm abweichen sind bezeichnenderweise "Einzelfälle" ^^. Dass eine Mehrheit Merkel gewählt hat ist einleuchtend, sonst wär sie wohl nicht an der Macht. Ob dieses "umherglibbern" nur auf die Merkel wählende Mehrheit zutrifft? Auch Merkelkritiker widersprechen sich, wollen oft einfach nur "gegen die da oben" sein. Besonders offensichtlich bei manchen "Gabrielkritikern". Die selben Leute kritisieren Sigmar Gabriel weil er Freihandel und "mehr freien Markt" will. Wenn er (wie im Fall Edeka-Tengelmann) allerdings die Hüter des "freien Marktes" (Kartelbehörde) verägert, sind die selben Leute auch gegen ihn ^^. Hauptsache gegen "die da oben". Da sind auch viele Widersprüche zu finden. Generell hab ich aber fast schon das Gefühl, dass diese ganzen "Merkel muss weg Leute" den Ton angeben, also auch eine Art "Mitte" darstellen. Dementsprechend haben wir mindestens zwei Gruppen von Menschen die sich jeweils als "Mitte der Gesellschaft" sehen (ob sie es sind, ist eine andere Frage). Einerseits können die Wähler der Regierung sagen "Wir sind die Mitte, die Mehrheit". Auf der anderen Seite sagen die "Merkelkritiker" auch "wir sind die Mitte und Merkel ist Elite also Minderheit"^^. Ein Kampfbegriff um die Deutungshoheit ganz offenbar.

Was die "links und rechts" Problematik angeht: Ich finde es inzwischen passender wenn von "Anti-establishment" gesprochen wird. Wenn ein Oppositionspolitiker zum Beispiel "mehr nationale Sozialstandards und mehr Jobs in unserem Land" fordert, und die Massen ihm zujubeln, dann kann das ein "linker" sein (sozial...) aber auch ein "rechter" (national...). Die Forderung bleibt die selbe, je nach Etikett ist es dann aber links oder rechts??? Wie gesagt, viel passender fand ich da als sowohl der Erfolg von Bernie Sanders als auch von Donald Trump als Erfolg einer "Anti-establishment" Bewegung gedeutet wurde. Beide bauen sich als Alternative zum "Establishment" (Clinton...) auf. Natürlich mit feinen Unterschieden (aber auch Gemeinsamkeiten wie "Jobs for all Americans".) und mit so seltsamen Blüten wie, dass der angeblich "rechte" Kandidat plötzlich sich als Kandidat der Homosexuellenszene darstellt, der das "tolerante America" (gegen den Terrorismus) verteidigt... Ist das jetzt rechts oder links oder liberal oder konservativ oder was? Offenbar scheißegal, hauptsache eine Mehrheit jenseits des "Establishment" finden.... Und wenn er so eine bunte Mehrheit aus Waffennarren UND Homosexuellen findet, ist das dann auch "Mitte"??? Oder wie oder was? In deutsch übersetzt hieße das ganze (Anti-Establishment) vielleicht am ehesten "Protestwähler". Teilweise die selben Leute wählten früher Piraten oder Linke, heute AfD. Hauptsache gegen "die da oben"? Sind die jetzt wankelmütig? Ich dachte nur die "Mitte" ist wankelmütig? ^^ Oder konsequent weil sowohl Piraten als auch AfD als "Gegen die da oben" interpretiert werden können? Nicht so einfach das ganze...

PS: Früher, im "alten links rechts Schema" war es klar: Mehrheit gibt es nur in der Mitte. Die Ränder (links und rechts) können zusammen nicht koalieren, deshalb werden Wahlen in der Mitte gewonnen. Wenn man allerdings links und rechts nicht als Feinde sondern beides als "Anti-Establishment" sieht, dann wäre es theoretisch möglich eine Wahl zu gewinnen indem man sowohl rechts als auch links anspricht. Ein "Anti-Establishment" Kandidat kann also, wenn er in der Mitte keine Chance hat (siehe Trump) versuchen sowohl rechte (national.. Waffen.. Protektionismus.. Gegen Islam...) als auch linke (für Jobs... gegen "die da oben", für gesellschaftliche (westliche..) Freiheiten... für "die da unten") Elemente zu vereinen. Manche nennen das dann auf deutsch "Querfront". Das wäre dann eine brisante "Mehrheit jenseits der Mitte". Oder wäre es sogar eine "neue Mitte"??? :-/ Und wenn ich dann "für das (ehemalige) Establishment" bin, bin ich dann ein "Sonderling", ein "Feind der Mitte"? Auf jeden Fall interessant aber auch ein bischen beunruhigend.
 
Wenn man allerdings links und rechts nicht als Feinde sondern beides als "Anti-Establishment" sieht, dann wäre es theoretisch möglich eine Wahl zu gewinnen indem man sowohl rechts als auch links anspricht. Ein "Anti-Establishment" Kandidat kann also, wenn er in der Mitte keine Chance hat (siehe Trump) versuchen sowohl rechte (national.. Waffen.. Protektionismus.. Gegen Islam...) als auch linke (für Jobs... gegen "die da oben", für gesellschaftliche (westliche..) Freiheiten... für "die da unten") Elemente zu vereinen. Manche nennen das dann auf deutsch "Querfront". Das wäre dann eine brisante "Mehrheit jenseits der Mitte".
Ob das schon eine Mehrheit jenseits der Mitte ist, sei dahingestellt, auf jeden Fall ist sie so stark, dass die etablierten Parteien versuchen, in diesem Protestfundus Stimmen zu fischen, bzw. zu verhindern, dass ihre Stammwähler dahin abwandern. Die Linke und die CSU haben mit der Abwanderung von ProtestwählerInnen naturgemäß am meisten Probleme, sie übernehmen deshalb Forderungen der "Querfront", z.B. im Bereich Flüchtlingspolitik/ Integration oder innere Sicherheit.

Grundsätzlich neigen Linke wie AfD&Co ohnehin eher zu einem autoritärem Staatswesen, das Recht und Ordnung mit harter Hand durchsetzt, als SPD und Grüne, die sich noch den alten libertären 68er Idealen verpflichtet fühlen. (Auffällig ist das gemeinsame Bemühen auf linker und rechter Seite, Putin, ein Idol des Protestlagers, nicht zu kritisieren.)

Die Neigung zu autoritärer Politik und Intoleranz, der Wunsch nach einem homogenen Volkskörper, der Einwanderung rigoros begrenzt und auf deutsche Leitkultur verpflichtet, ist zutiefst konservativ. Er entspringt der Angst vor Veränderung, vor Besitzstands- und Orientierungsverlust. Und die wächst auf allen Seiten des politischen Spektrums, sie ist mE eher vom Bildung- und Informationsstand abhängig als von der politischen Grundeinstellung.

Inzwischen haben alle Parteien diese Stimmungsveränderungen bei den WählerInnen aufgenommen und setzen sie, mehr oder weniger, in ihren Forderungen um. Wobei die CDU es am einfachsten hat, sie muss sich nur auf ihren alten Markenkern besinnen. So wie de Maizière es vormacht.

Ich gehe davon aus, dass wir im Bundestagswahlkampf nächstes Jahr jede Menge nationalgesinnter und mit Heimatschutz-Ideologie aufgeladenen Politikerreden hören werden. Der Vorwurf, die Parteien hörten nicht die Stimme "des Volkes", wird sich als falsch erweisen. Wählerstimmen sind ein gewaltiges Druckmittel.
 
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... Der Vorwurf, die Parteien hörten nicht die Stimme "des Volkes", wird sich als falsch erweisen. Wählerstimmen sind ein gewaltiges Druckmittel.

Mal schauen, vielleicht plakatiert die CDU (oder zumindest die CSU) ja bald "Merkel muss weg!" in dem Wunsch wieder "volksnäher" zu werden und "Protestwähler" zurückzuholen... :rolleyes::D:confused:
 
Ich finde die Ergebnisse der letzten Kommunalwahlen in Niedersachsen interessant: Die AfD hat dort weit weniger "ProtestwählerInnen" abschöpfen können als beispielsweise bei den Landtagswahlen im benachbarten Meck-Pomm. Der Grund dafür ist mE die große Vielfalt an Wählergemeinschaften, die sich in den niedersächsischen Kommunen neben den Altparteien etabliert und mancherorts 15 und mehr Prozent der Stimmen bekommen haben.

Diese Wählergemeinschaften bestehen, wie der Name schon sagt, aus politisch interessierten und ehrenamtlich arbeitenden normalen BürgerInnen, die sich in den Programmen und im Politgeschäft der Parteien nicht wiederfinden. In nicht wenigen Kommunen stellen sie sogar die Mehrheit und haben das Bürgermeisteramt inne. Damit konnten und können sie "regieren".

Da wäre dann schon die Frage, warum ein eigenes BürgerInnen-Parlament nötig sein soll oder Wahlen sogar "abgeschafft" werden müssen. Denn auch im bestehenden (und in weiten Teilen bewährten) parlamentarischen System können sich engagierte BürgerInnen organisieren und die Gestaltungsmacht übernehmen.

Das eigentliche Problem wäre in beiden Fällen dasselbe: Bürger, die sich zwar nicht genug gesehen und gegenüber dem Establishment machtlos fühlen, aber keine Lust haben, sich mit Politik auch nur ansatzweise selbst zu befassen. Denen reicht es dann, "denen da oben" mit einem Kreuz bei einer Protestpartei eins auszuwischen und weiter Glotze zu gucken.
 
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In der letzten NZZ am Sonntag hatte es auch ein Interview mit van Reybrouk. In der Tat sehr interessante Aussagen. Ironischerweise dürfte die Idee daran scheitern, dass das Volk das Recht, wenigstens noch seine Räpresentanten bestimmen zu dürfen, kaum (demokratisch) aus den Händen geben möchte.
 
Uns geht es super in Deutschland. Wir haben das ausgeklügelste System von allen, der breit aufgestellte Luxus bis in die unteren Schichten macht ruhig und zufrieden. Eigentlich sollten wir in Deutschland die Ruhe weg haben.

Aber die allgemeine Unruhe ist gewollt, denn sie bremst. Entweder erreicht einen das TV, das Radio oder halt die Zeitung und wenn man diesen Dingen abschwört dann merkt man in seinem Umfeld wie die Leute sich immer mehr und mehr einfangen lassen.

Neid zum Beispiel bremst in der Schule, auf der Arbeit oder im privaten. Nur die Leute die sich komplett auf sich selbst konzentrieren und kein rechts und links haben, sondern nur geradeaus kommen auf der Leiter weiter nach oben. Das was viele nicht sehen ist das man auf einer Leiter von unten gezogen und von oben getreten wird.

Wie Steve Jobs einmal sagte: "Das System kann nur das System hervorbringen."

Ab Stufe X der Leiter machst du fein mit oder du bist raus. Und das was bestimmte Leute für unser Land wollen oder hier sehen wollen wird geschehen, da werden dann 600 Leute in Berlin nichts dran ändern.
 
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