Iphil - da haben wir beide Recht, irgendwo und irgendwann.
Denn das ganze ist durchaus komplizierter, als du und ich darstellen können.
Ich habe eine Seite beleuchtet und du die andere. Gemeinsam würde das ergeben, dass der Markt aus den Fugen geraten ist.
Dass der Hersteller unter Druck steht, sich der Kunde unter Druck setzen lässt. Am Ende keiner mehr weiß wohin es eigentlich geht.
Als Beispiel, weshalb ich der Meinung bin, dass keiner mehr weiß was eigentlich wahr und unwahr ist, erzähle ich dir von einer Begegnung mit der Koreanischen Delegation von Samsung. Ich war 2010 in Berlin eigentlich an der Spitze angekommen. Meine Verkaufszahlen konnte nur noch ein türkischer Mitarbeiter in Zehlendorf toppen. Der hat verkauft, als wäre er in Istanbul auf dem Markt - ich habe sowas noch nie gesehen und niemals wieder gesehen. Nicht einmal hier in Indien. Seine und meine Absatzzahlen im sales (Foto) waren zeitweise Richtlinie für den nationalen Markt.
Ich würde aber behaupten, dass sein Auftreten teilweise zu überzeugend war. Vielleicht ein Grund weshalb die zuständige Agentur und somit mein Auftraggeber die Delegation in den Weddinger Markt (Saturn) geladen hatte. Um einen von diesen Top-Verkäufern vorzustellen. Mir wurden von 1,5m kleinen Asiaten die Hand geschüttelt, mit den Worten: "Thank you for working for SAMSUNG."
Ich bin mir ziemlich sicher, dass man ihnen von meinem und dem italienischen Kollegen erzählte. Wir erzielten ein paar Tage zuvor fast eine Viertel Millionen Euro Umsatz für das Unternehmen. Mit einem Produkt. (Neueröffnung Saturn am Kuhdamm. NV 3 im Angebot. Über 2000 verkaufte Geräte in 7 Stunden - mein Bonus: 2000 Euro)
Aus was ich hinaus möchte: Diese Delegation, die wirklich was zu melden hat, immerhin ist sie das fünftgrößte Unternehmen der Welt, schaut mich an und lächelt. Erzählt mir dann: "Ah this Sony Cam is so nice, same like our product. Also this Nikon. We producing in same factory, just branding few meters, in other buildung."
Ich schaue den kleinen Mann aus Korea an und sage: "What do mean, we are producing in same factory."
Und er schaut mich an und sagt: "Ohh many times we making same product, less costly - finally just changing design. Very obviously, you don't know, Mr. Tsachouridis?"
Ich stand für Tage neben der Kappe und wusste nicht wie ich damit umgehen soll. Eigentlich begann ich ab diesem Zeitpunkt mehr über die Firmenphilosphie zu erfahren. Vom Reiskocher schaffte es Samsung zum großen Globalplayer und wenn einer von uns denkt, dass wir wissen was wirklich Grund für den Bug bei dem Apple sein sollte, oder ob jemals einer von uns denkt, er würde absehen können, ob Unternehmen erfolgreich bleiben oder nicht. Ich glaube da einfach nicht mehr daran.
Grund: Das System ist zu komplex. Auf der einen Seite werden die Kunden mit Werbung überhäuft, die ihnen die Einmaligkeit der Produkte vergewissern möchte, auf der anderen Seite haut die Creme de la Creme der fünftgrößten Firma vor laufender Kundschaft in einem Berliner Saturn Sätze raus, dass ich mich verarscht fühlte. Verarscht, weil ich Jahre lang auf Schulungen über die Einmaligkeit unserer Produkte belehrt worden war.
Diese Philosphie weiter an den Kunden getragen habe.
Heute sitze ich in Indien und besuche eine Mall und werde von den großen Namen erschlagen - spreche mit Inhabern von Geschäften die mir erzählen, dass teilweise schon Vertriebler für 5-6 !!! verschiedene, bekannte Brands im Einsatz sind?
Wie soll das gehen?
Wo ist die Firma und deren Philosophie? Die Mitarbeiter die diese kennen und leben?
Bullshit. Es geht um Absatz auf allen Bereichen und das wird durch eine massive, global vernetzte Werbeindustrie beschleunigt. Auf eine Geschwindigkeit, die du ja verstanden hast. Immer schneller und ohne Rücksicht. Am Ende leidet das Produkt. Dein Beitrag über Apple etc. sagt vieles. Vieles richtiges. Stimme dir da voll und ganz zu.
Ich denke da an ein PowerBook der G4 Serie... das war wirklich ein TopProdukt und hat in der Geschichte von Apple einen festen Platz.
Naja, schau her, ich habe selbst keine Lösung. Kann selbst auch nur durch meine Jahre im Handel ein Resultat ziehen: Der Markt frisst nur noch in sich hinein - kaum mehr fachkundige Beratungen, wenig bis kaum kundenorientiertes Verhalten. Ganz bis gar kein bewusstes kaufen mehr. Ich traf in Dhaka ein Mädchen das über 80 Mobiltelefone hatte und Freundinnen aus der Mitteklasse meinten: Wir haben auch so 40-50 Stück. Die sammeln sich an, Alexandros. Geht schnell, musste ich mir anhören.
Aber sieht doch in Europa nicht anders aus. Mein Land meckert über eine heftige Krise, doch das Iphone gibt keiner her, auch nicht den X5. Die Preise für Smarts steigen - Verzicht auf Auto, egal welches ist nicht drin. Anstatt über einen Rückzug aufs Land nachzudenken (ich spreche jetzt nur von meinen Freunden aus Athen und Thessaloniki und den Verwandten aus Evia, Chalkida) - wird überlegt nach Deutschland auszuwandern, da dort ein funktionierendes System existiert. So wird es ihnen zumindest von allen Seiten vermittelt.
Wie gesagt, ich habe nur eine Seite der Münze beleuchtet und du die andere. Aber leider ist es nicht mehr ausreichend, zwei Seiten zu sehen. Heute sind es tausende von Aspekten, während noch mal soviele im verborgenen bleiben, weil die Creme de la Creme das so will.
Würde meine damalige Agentur heute noch im Vertrag mit Samsung stehen, würde ich gar kein Wort über meine Jahre im sales verlieren. Da die Agentur aber nicht mehr existiert und jetzt eine der größten Agenturen die Aufträge von Samsung Deutschland bezieht, ist mir das egal und kann auch egal sein. Ich habe immer noch vor mit dem Rad um die Welt zu fahren und auch Korea ist auf der Liste - da werde ich auch Hände schütteln.
"Thanks that I could work for you Samsung. Now, I want a job in sustainable development ! "
Mal schauen, wenn ich diesen Wunsch äußere... hat alles noch Zeit. Vielleicht aber auch nicht. Geht ja alles jeden Tag noch schneller.
Aber solange die Bestellungen in den Shops ausreichend eingehen, sieht auch keiner Gründe um mal anzuhalten und das ganze Konzept zu überdenken.
Wie immer geht es volle Kanne weiter, bis wir alle an die Wand fahren... aber ob das im 21. Jahrhundert wirklich sein muss. I don't know.
Aus Indien, alles gute und danke dir Iphil für deinen sehr ausführlichen Beitrag.
Alexandros