Ob du nun Shakesepeares Hamlet besser verstehen würdest, wenn der autor (neues thema) in neuer deutscher rechtschreibung geschrieben hätte, wäre mal interessant.
Du willst's nicht verstehen, oder?
Englisch hat eine formale Grammatik (sag ich mal so, Linguisten mögen mir den mutmaßlichen Missbrauch der Begriffe verzeihen), die keine Groß-/Kleinschreibung verlangt. Deutsch ist völlig anders strukturiert. Verlangt also auch andere Lösungen.
Wenn ich chinesische Texte transkribieren würde, wäre Groß-/Kleinschreibung belanglos, dafür müsste ich schauen, die Töne deutlich zu machen (weshalb die üblichen Transkriptionen wie Mao Tse-tung auch absolut nicht nützlich sind, das sind drei Silben, dien jeweils vier Töne zur Auswahl haben könne, und jede Variante kann etwas völlig anderes bedeuten).
Nebenbei: wir können Shakespeare in der Übersetzung angeblich besser lesen (wenn auch umständlich formuliert) als die Engländer, denn die Sprache hat sich in den letzten knapp fünfhundert Jahren weit entwickelt. Den Engländern fehlen aber wohl - hab ich nur gelesen - viele Wörter, die wir, dank der nur 200 Jahre zurückliegenden Übersetzungen, noch gut verstehen.
Übrigens ein Argument, das ich neulich mal in einem Buch über's Latein gelesen habe - die Unveränderlichkeit der Begriffe und Formen, weil die Sprache tot ist und sich nicht mehr entwickelt, als Argument, sie weiter zu benutzen. Weil man sie auch in tausend Jahren so lesen wird wie zu Ciceros Zeiten, als sie wohl weitgehend die Weiterentwicklung einstellte.
Nicht meine Sache, aber ein bedenkenswertes Argument.
So wie der Vorteil der chinesischen Schrift. Wenn man mal ein paar tausend Idiogramme gelernt hat, kann man sich - schriftlich - mit mehr als einer Milliarde Menschen verständigen, die einen nicht verstehen, wenn man mit ihnen spricht. Voraussetzung dabei natürlich, daß man eine chinesische Sprache spricht, denn "chinesisch" gibt es nicht, das ist ein Sammelbegriff für ähnliche Sprachen, die die gleiche Schrift benutzen können, also auch die gleiche Grammatik. Kantonesen verstehen Pekinesen nicht oder nur annäherungsweise (sorry, der Gag musste jetzt sein). Das ist ähnlich wie im Deutschen, nur daß wir aufgrund der anderen Schrift gleichzeitig mit der Schreibwiese auch eine übergreifende Hochsprache eingeführt haben, mit der sich Südtiroler, Deutschschweizer, Oberhessen, Holsteiner und selbst archaisch-deutsch sprechende aus nordamerikanischen oder brasilianischen Kolonien noch gut oder wenigstens halbwegs gut unterhalten können. Die Chinesen müssen angesichts der übergreifenden, aber die Aussprache nicht wiedergebenden Zeichen, sich nie von ihrem heimatlichen Aussprache entfernen.
Und bei den europäischen Sprachen gibt es ähnliche Unterschiede. Viele kommen bequem ohne Groß-/Kleinschreibung aus, weil eben, wie etwa im Lateinischen, die Abfolge der Wörter schon vieles aussagt oder weil Endungen, Beugungen, all diese Umformungen klarere Verhältnisse schaffen. Die Angelsachsen benutzen dafür kleine Wörtchen davor. Drum ist das nicht vergleichbar.
Wenn du du dem Deutschen die Groß-/Kleinschreibung nehmen willst - bei schnellem Verständnis - dann probier mal, dem Lateinischen die Beugung, die Endungen zu nehmen und schau dann. Die Chance aufs Verständnis oder Missverständnis dürfte ähnlich hoch sein.
Die für mich aktuell interessante Frage wäre übrigens, wie genau der olle Shakespeare das mit der Schreibung gehandhabt hat. Gab's damals im Englischen schon sowas? Oder noch? Auch rudimentäre G-/K-Schreibung, sowie jetzt, muß ja mal aufgetaucht sein. Wann?
Ein ungeheuer interessantes Thema.