Der einzige Grund, warum sich heute Vereinzelte nach wie vor erlauben dürfen, Mollath als "gemeingefährlich" zu bezeichnen, ist doch jener, dass sie sich nach der Nomenklatur richten, die von Teilen der bayrischen Justiz und Regierung etabliert worden ist. Sie ignorieren indes mutwillig die Erkenntnisse, die schon längst von anderen Bereichen der gleichen Justiz aufgearbeitet worden sind – und die Mollath vollständig entlasten.
Während die Staatsanwaltschaft Augsburg mittlerweile festgestellt hat, dass Mollath entlastende Sachverhalte durchweg zutreffen bzw. ihn
belastende Sachverhalte sich erledigt haben – also die mutmaßlichen Hintergründe, die auch der Diagnose Mollaths zur
ausschließlichen Grundlage dienen –, tut das Unterbringungsgericht nach wie vor so, als gäbe es die erhellenden Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft nicht.
Der mutmaßliche Wahn Mollaths, der staatsanwaltlich abgesichert keiner ist, wird also weiterhin als Wahn gewertet – und zwar entgegen gesicherter Erkenntnislage und psychiatrisch fachlicher Qualifikation wie rechtlicher Legitimität. Dies betrifft sowohl die Anzeigen
von wie
gegen Mollath.
Bergbesteigers Ausführungen sind diesbezüglich richtig, lassen aber noch einen schwer wiegenden Aspekt aus, den ich hiermit anfügen möchte.
KollegInnen des juristischen Fachbereichs sind einhellig zu der Überzeugung gelangt, das Unterbringungsgericht geht so weit, diese wahnwitzige Situation aufrecht zu erhalten, weil die illegalen Aktenlagen-Gutachten über Jahre hinweg schon akzeptiert worden sind – also weil Mollath
von Beginn an unrechtmäßig forensisch untergebracht war. Der schwerwiegende Rechtsbruch wird also lediglich verschleiert.
Um aus der Misere zu kommen, hat man nun ein neuerliches Gutachten in Auftrag gegeben und will damit den Anschein erwecken, es gäbe den grundlegend von Beginn an bestehenden Rechtsbruch nicht; ein Rechtsbruch, der von Beginn an staatlich gedeckelt sein muss, da die Offensichtlichkeit keiner ernsthaft sachlichen Überprüfung standgehalten hätte, wie wir heute wissen; die Staatsanwaltschaft Augsburg brauchte gerade mal
einen Monat, um wesentliche Fragwürdigkeiten zu ermitteln.
Allein dieses Vorgehen stellt also lediglich einen weiteren bzw. fortgesetzten Rechtsbruch dar. Noch einmal zur Klarstellung: Bereits die Inhaftnahme Mollaths wie auch die ursprüngliche gutachterliche Beurteilung hinsichtlich ihres Zustandekommens wie ihrer Auswirkung waren rechtlich nicht zulässig!
Die Justiz selber hat sich also schuldig gemacht – und zwar hinsichtlich der anhaltenden Akzeptanz eines nicht rechtskonformen Gutachtens und der Fortsetzung eines von Beginn an illegalen Freiheitsentzugs eines Bürgers! Dieser Umstand soll von dem irrwitzigen Versuch überblendet werden, die bereits an sich illegale Methodik zu wiederholen (das liest sich so wahnsinnig, wie es ist).
Indes dürfte man an dieser Stelle wohl die Weitsicht der Betreiber von Mollaths Haft attestieren. Denn die psychiatrische Diffamierung geht vollends auf. Dem vermeintlich unverständigen Volk reicht der Begriff der "Gemeingefährlichkeit", um Vorbehalte gegen Mollath zu schüren und damit die vollständige Illegalität seiner Unterbringung zu überspielen – also angesichts einer psychiatrischen Diffamierung, die jegliche Entrechtung rechtfertigen soll.
Die derzeitige Revision erledigt aber weder die Illegalität des ursprünglichen Zustandekommens noch die anhaltende Illegalität der forensichen Unterbringung Mollaths – und zwar völlig unabhängig davon, ob Mollath einen seltsamen Charakter haben mag oder ob die ihm vorgeworfenen Delikte sogar stimmten.
Entsprechend konsequent war die Anzeige von RA Strate bzgl. der Freiheitsberaubung seines Mandanten (eine Anzeige, die sich ein solcher Rechtsanwalt nicht erlauben würde, wenn er damit seine Reputation beschädigen würde):
http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Strafanzeige-2013-01-04.pdf
Rechtlich, so sollte jedem hinsichtlich des Falles einigermaßen Informierten aufgehen, ist der Skandal darum auch wesentlich weitreichender, als ein flüchtiger Blick oder akzeptierte Ressentiments vermitteln können. Denn die völlige Rehabilitierung Mollaths ist hinsichtlich der ermittelten Sachverhalte schon längst erwirkt worden. RA Garcia führte das bereits in Ansätzen aus:
http://blog.delegibus.com/2013/03/24/fall-mollath-die-rehabilitierung-kam-fruher-als-erwartet/
Der einzige Umstand, warum die Rehabilitierung noch nicht rechtswirksam gemacht worden ist, ist die Räson eines gefahrenträchtig korrumpierten Justiz- und Staatsapparates. Dr. Schlötterer kann es sich nicht umsonst folgenlos erlauben, dies auch öffentlich vorzutragen, denn die Schlagzeilen sind ja voll von den zugehörigen Skandalen:
http://www.merkur-online.de/lokales/freising/freising/staat-einem-kritischen-punkt-2914113.html
Persönlich kann ich indes nicht mehr nachvollziehen, wie jemand meinen kann, Mollaths Anzeigenschriften (das einzige, was wir Unbeteiligte von ihm effektiv kennen) als Anlass zu der Meinungsäußerung zu nehmen, der Mann habe aber wenigstens "einen an der Klatsche".
Wie wir selber wohl reagierten, wenn uns jemand ankündigt, die Existenz vollständig zu ruinieren, und man nur noch zusehen kann, wie dies schließlich konsequent von einem Umfeld umgesetzt wird, das – so wissen wir heute gesichert durch die Ermittlungen der Justiz – geschäftlich wie privat eng verbunden ist und sich in einem koordinierten Vorgehen über jedes Recht hinwegsetzt und es sogar für die eigenen niederen Beweggründe aus den institutionellen Umfeldern heraus missbraucht?
In dieser verzweiflungswürdigen Lage hat sich Mollath nach allen Seiten gerichtet Hilfe gesucht – und zwar nach anhaltendem Psychoterror, der von seiner Frau ausging. Bergbesteiger hat diesbezüglich bereits skizziert, wie weit diese Frau dabei ging; und selbst dann nicht locker ließ, als Mollath bereits weggeschafft war. Genau diese ausweglose Grundsituation atmet aus den Texten Mollaths; eben die eines Menschen, der sich hinwenden konnte, wo er nur wollte – seine Wegschaffung mitsamt seiner vollständigen Entrechtung war abgemachte Sache und von vernetzten Akteuren in Staat wie Justiz subventioniert; anders ist der Umfang hinsichtlich derzeitiger Faktenlage zumindest nicht zu erklären.
Ich denke, wir können gespannt sein, was da noch alles ans Tageslicht kommen wird. Leider vermittelt Horst Seehofer wenig Bereitschaft, konsequent dem Rechtsstaat zu dienen – die vermeintlich 'Anständigen' und 'Rechtschaffenen' geben in Bayern derzeit ihren Offenbarungseid ab:
http://www.sueddeutsche.de/bayern/g...zichtet-auf-personelle-konsequenzen-1.1678396