Das Fazit nach der Wahl:
Die Mutti der Nation gewinnt, weil sie keine Positionen hat, keinen Fahrplan und einfach nur verwaltet. Aber natürlich, wer nichts verspricht und einfach nur behauptet, dass alles ja irgendwie ganz gut sei, der wirkt natürlich beruhigend. Erschreckend, wie viele Wähler ihr das abgekauft haben und damit fast ein Desaster ausgelöst hätten; ein Glück wurde die absolute Mehrheit ja noch verfehlt, denn sonst hätten wir in 4 Jahren:
-Vorratsdatenspeicherung
-flächendeckendes CCTV
-immer noch das elendige Betreuungsgeld
-eine fragwürdige Europolitik inkl. persönlicher Bereicherung an verendenden Staaten und ein am Leben erhalten eines maroden und pervertierten Bankensystems
-immer noch ein asymmetrisches und ungerechtes Steuersystem
Jetzt wird's wohl nur ein (großer) Teil davon.
Ein Abstrafen der SPD war ja fast absehbar, aber was will man auch erwarten, wenn man einen Polteranton zum Spitzenkandidaten erklärt, der lieber laut das erste hinaus posaunt, was ihm in den Sinn kommt, an Stelle erst einmal nachzudenken. Das traurige ist: welche Alternative innerhalb der SPD hätte sich denn angeboten? Gabriel? Nahles? Allesamt keinen Deut besser. Aber zumindest wirtschaftlich tut das Ergebnis wenig zur Sache - als wenn Steinbrück eine in irgendeiner Weise andere Wirtschaftspolitik betreiben würde als Mutti. Insofern ist auch eine kleine "Große Koalition" kaum besser als eine absolutistische Alleinherrschaft der Union. Vielleicht gibt es mit der SPD einen halbwegs brauchbaren Mindestlohn, vielleicht hier und da ein paar soziale Punkte, die Merkel wohl eh schon auf der Agenda hat, um in den 4 Jahren den Bürger bei der Stange zu halten, abgesehen davon wird eine Koalition aus SPD und Union keinen Unterschied machen. Höchst wahrscheinlich wird es dennoch die Vorratsdatenspeicherung geben, wird es dennoch Kameraüberwachung geben, werden weiter im Geheimen Rüstungsexporte in fragwürdige Länder getätigt und am von Innen heraus verfaulenden System wird nichts geändert werden.
Am schlechten Abschneiden der Grünen ist wohl vor allem Herr Trittin schuld, der sich mit inhaltlich zwar nicht so ganz falschen Themen zu profilieren versuchte, am Ende aber einfach nur an dilettantischer Kommunikation scheiterte. Wahrscheinlich ging er in die selbe Schule wie Herr Steinbrück, die Parallelen zwischen Kanzlergehaltsdebatte, Veggie-Day und Steuererhöhungsdiskussion sind frappierend. Allerdings wäre es auch zu einfach, einfach nur Trittin zum Sündenbock zu ernennen, denn neben seinen schlechten Kommunikationsfähigkeiten litten die Grünen auch mal wieder unter dem üblichen Problem: grundsätzlich sinnvolle Ideen einfach mal mit Gesetzen, Verboten und Vorschriften durchzuboxen. Ist ja auch einfacher als funktionierende Konzepte anzubieten, die Anreize schaffen könnten, die sinnvollen Ideen freiwillig umzusetzen. Dieser autoritäre Oberlehrerhabitus geht ständig schief, nur leider lernen sie nichts daraus. Schwarz/Grün? Wahrscheinlich ergiebiger, wenn auch unbequemer als Schwarz/Rot, denn somit müssten sich beide Seiten signifikant in diversen Themen bewegen. Das mag der Kernklientel zwar teilweise sauer aufstoßen, dürfte aber neue Impulse bringen - naja, so ganz neue vielleicht auch nicht. Auf der anderen Seite wäre es bedauerlich, wenn die Grünen die sich nun bietende Chance auf eine personelle und politische Erneuerungskur verpassen würde, denn wenn sich die Grünen und allen voran Trittin noch an eine Regierungskoalition hängen können, dann war es das mit der Erneuerung.
Einzig die Linkspartei kann wirklich zufrieden sein. Sicherlich, sie sind mit so einigen Standpunkten nicht regierungsfähig, wie Trittin es schon am Abend treffend auf den Punkt brachte (eigentlich ein kleines Wunder, dass er so präzise sein konnte), aber sie sind ein gesunder und wichtiger Gegenpol zum bisherigen Klüngel und seitdem Oskar aus der Tonne nicht mehr das Sagen hat, sondern sachliche und kluge Menschen wie ein Herr Gysi, kann und muss man sie in weiten Teilen sehr ernst nehmen. Wenn sich dann bei Zeiten die Westlinken auch mehr an die Genossen aus dem Osten annähern und sich auf eine realistischere Basis einigen, dann wird auch eine Regierungsbeteiligung irgendwann nicht mehr abwegig sein. Bis dahin ist aber jede Rot/Rot/Grüne Regierung vom Tisch.
Apropos vom Tisch: das einzig gute Ergebnis an dieser Wahl (zumindest aus gesamtpolitischer Sicht) war ja nun das Abschneiden der "Liberalen", die ja nun leider schon lange nicht mehr viel mit liberaler Politik zu tun hatten und nur noch einen neoliberalen Wirtschaftskurs fuhren. Üblicherweise ist man diese Einthemenpolitik ja eher von den Neuen gewohnt. Einzig das stoische Verhindern der Vorratsdatenspeicherung durch eine kompetente Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger kann man wohl als positives Ergebnis der letzten 4 Jahre FDP-Politik bezeichnen. Es ist nur zu befürchten, dass in 4 Jahren neue Gesichter den alten Mist erzählen und so mancher wieder auf sie hereinfällt. Die Reaktionen von so manchem Parteimitglied auf das Wahlergebnis war jedenfalls mal wieder bezeichnend.
Achja, die Einthemenparteien. Erschreckend, wie viele Menschen auf populistische, nationalistische und tendenziöse Rechtsaußen-Stammtischenparolen hereinfallen. Die Wortwahl führender Parteifunktionäre ließ immer wieder tief blicken und machte schnell sehr deutlich, von woher der Wind in der AFD wehte. Ausländer? Ja, aber nur die netten und nicht die bösen Kriminellen. Flüchtlinge? Ja, die brauchen Hilfe, aber nicht bei uns. Den letzten Ausfall hatte Lucke ja erst Wahltag, als er von "Entartungen der Demokratie" sprach. Zum Henker, wie kann man nur so unüberlegt (oder vielleicht ja doch sehr überlegt) solche tendenziösen Worte wählen, auf die ein Goebbels damals sicher stolz gewesen wäre?! Ein Glück ist Deutschland auch hier knapp an einer Katastrophe vorbei gerutscht.
Und zu guter letzt die Piraten: nach dem letztjährigen Höhenflug tat man ja alles, um mit dämlichen internen Streitigkeiten auf Kindergartenniveau rund um zu verteilende Ämter sämtliche Vorschusslorbeeren zu verspielen. Was hat man denn von ihnen wirklich inhaltliches gehört? Sie waren ja nicht einmal in der Lage die Spionageskandale auszunutzen und der Masse näher zu bringen. Aber gut, man war ja mit sich selbst beschäftigt, kann ja mal vorkommen. Wenn sie dann irgendwann mal fertig sind sich gegenseitig vulgär zu beschimpfen, Ämter endlich mit einer gewissen Konstanz besetzt wurden und sie schließlich mal gelernt haben, erst das Hirn zu benutzen und nicht mehr auf den ersten, schnellsten Tweet aus zu sein, dann wird's vielleicht auch was mit einem solideren Ergebnis. Ein gewisses Potenzial ist ja in der Idee vorhanden - es versteckt sich nur gekonnt zwischen all den Shitstorms.
Und das Ende vom Lied? Ein beängstigendes Wahlergebnis, das nur wieder beweist, dass sich am Ende doch wieder nur jeder selbst der Nächste ist und der durchschnittliche Wähler häufig wohl nicht bis über die Nasenspitze hinaus denken kann. Wie haben wir es noch gleich bis zu diesem Tag geschafft? Irgendwie scheint das weniger mit Kompetenz zu begründen sein als mit verdammtem Glück - oder auch Unglück, je nach Blickwinkel.
Ich glaub, ich such mir einen einsamen Planeten …