Es gibt, wie gesagt, einen guten international anerkannten Maßstab: Die Menschenrechte.
Wenn also die Menschenrechte (nicht übermäßig) verletzt werden, dann hättest du damit kein Problem, wenn ein Volk beispielsweise eine Diktatur einführt?
Dann bist du doch sicher auch froh, dass wir die NPD nicht verboten haben? Andernfalls hätten wir ja auch die „Opposition unterdrückt“ (einige NPD-Mitglieder werden sicher vom Verfassungsschutz beobachtet, also „bespitzelt“) und somit wäre es in Ordnung gewesen, wenn beispielsweise Erdogan mit „politischen Maßnahmen“ (schließt das eigentlich Krieg ein?) dieses Unrecht korrigiert hätte. Ja ich weiß, „Oppositionelle“ werden hier nicht verfolgt oder eingesperrt und natürlich gibt es in der Türkei viele Dinge, die man nicht gut finden muss, der Vergleich sollte aber zeigen, dass die Forderung sich überall gleich mit „politischen Maßnahmen“ (welche denn konkret?) einzumischen, nicht leichtfertig getroffen werden sollte.
Und wenn ich dafür bin, verfolgten und eingesperrten Oppositionellen in der Türkei zu helfen, maße ich mir deshalb noch lange nicht an, zu wissen, was "gut für die Türkei" ist.
Naja, du maßt dir an zu wissen, dass Oppositionelle Einsperren „nicht gut für die Türkei“ ist.
Du versuchst, das Eintreten für Menschenrechte und demokratische Bürgerrechte als dumpfes "was uns nicht passt, muss weg" - also als selbstherrlichen Übergriff, der niemandem zustehe - zu diffamieren. Damit machst du es dir ziemlich einfach.
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Die Geschichte zeigt doch recht deutlich, dass in vielen Fällen im Namen der „Menschenrechte und demokratischen Bürgerrechte“ Eingriffe vorgenommen wurden, die letztlich wenig gebracht haben (um diese zu schützen) und bei denen diese Gründe meist nur vorgeschoben waren.
Wenn ich mir mal anschaue was die USA und auch Deutschland so gemacht haben, sollten wir den moralischen Finger vielleicht nicht ganz so weit ausstrecken. Die USA destabilisiert Regierungen und Regionen, führt Angriffskriege. Wir selbst haben Diktatoren mit Waffenlieferungen unterstützt, die damit wiederum (später) ihre Bevölkerung unterdrückt haben. Warum? Weil wir Menschenrechte oder demokratische Bürgerrechte geschützt haben?
Das ist dieselbe Argumentation, mit dem Diktatoren die Solidarität mit den von ihnen verfolgten oder angegriffenen Oppositionellen oder bestimmten ethnischen Gruppen als "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" zurückweisen.
Ich kann dieses Verlogenheit nicht ab. Klar, im Falle der Türkei wollen wir Menschenrechte und Demokratie schützen. Als in der Ukraine die Krim ihre „demokratischen Rechte“ wahrnahm, war das schon wieder nicht recht. Und als der Russe die „Wahrnehmung der demokratischen Rechte“ in der Krim verteidigen wollte, war das natürlich auch falsch. Aber wenn wir in der Türkei die Opposition unterstützen wollen und an Erdogans Stuhl sägen, ist das okay. Wir haben auch mal Waffen an Saddam Hussein verkauft. Wo waren da die Menschenrechte und Demokratie?
Wenn ich mir das so ansehe bin ich eher geneigt zu sagen, dass wir besser fahren, wenn wir uns generell nicht einmischen. Ja, dann passiert in den (wenigen) Fällen, in denen man wirklich Menschenrechte und Demokratie voranbringen kann und will, nichts. Umgekehrt kommt dann aber auch niemand auf dumme Gedanken und unterstützt Diktatoren oder destabilisiert ganze Regionen nur weil uns das (kurz- bis mittelfristig) Vorteile bringt.