Meine tiefpunkte haben, soweit ich weiß, keine direkte organische ursache. Ich habe eine ererbte chronische bauchspeicheldrüsenentzündung und diabetes, das ist lästig, aber nicht tödlich. Solange kein karzinom draus wird.
Wobei ein schlecht eingestellter Diabetes und chronische Schmerzen auch auf die Psyche gehen.
Meine höhen hole ich mir aus dem freundeskreis. selbst in der "maßnahme", in der ich gerade stecke, habe ich mehrere coole leute kennengelernt, die das leben ähnlich nach hinten geworfen hat. Ich mag die beiden mädels in meiner dreier-wg, die beide studieren und nicht verstehen, warum ich nur einen hauptschulabschluss habe. Ich lese viel und ich schreibe. Manchmal kaufe ich billig kaputte Apple-notebooks und baue heile daraus.
Das klingt gut. Dann hast Du keine Sozialphobie? Oder hast Du sie inzwischen kompensiert? So ganz kann ich Dein Problem nicht einordnen, oder habe ich etwas überlesen? Entschuldige bitte, falls ich zu direkt bin.
Schulabschluss und kognitive Leistungsfähigkeit passen nicht immer zusammen. Es gibt viele hoch intelligente Menschen, die wegen Unterforderung zum Klassenclown oder Schulverweigerer wurden und auf der Sonderschule landeten. Ich habe auch kein Abitur und war eine hochbegabte Schülerin.
Aufgaben zu haben, halbwegs regelmäßigkeiten im leben und gute menschen im umfeld scheinen mir am besten zu tun.
Das ist geht fast allen Menschen so, mir auch.
@ Flapy
Ja, das hat schon einiges an Überwindung gekostet, auf der anderen Seite war es auch befreiend. Es ging mir gestern gar nicht gut und nachdem ich das alles geschrieben hatte, konnte ich endlich mal wieder ein paar Stunden am Stück schlafen. Von daher hat die Medaille zwei Seiten.
Anderen Menschen einen Einblick in "meine Welt" zu geben, um aufzuklären, mache ich ja schon seit längerem immer mal wieder. Wenn alle kranken Menschen schweigen, kann sich kein gesunder Mensch vorstellen, welche Schwierigkeiten sich im Alltag ergeben. Verständnis, Akzeptanz, Sensibilität und/oder Mitgefühl könnten gar nicht entstehen. Und die eigene Isolation würde immer weiter zunehmen, egal, um was für ein Handicap es sich handelt.
@ Dosos
Also ich finds gut, dass Du hier bist, hast mir schon oft geholfen
Danke, das freut mich.
Wie geht denn Dein Sohn damit um? Oder gehts ihm ähnlich?
Meinen Sohn gehts gut. Er wurde eine Zeit lang massiv mit meinen Problemen überlastet. Da half nur Therapie - und zwar meine, damit er die Chance bekam, fit ins Leben zu gehen. Das haben wir geschafft. Eine Zeit lang hatten wir kaum Kontakt, weil er schlicht eine Pause brauchte. Das fand ich nachvollziehbar und völlig okay. Ich vertrete den Standpunkt, dass er mich nicht darum gebeten hat, bei mir groß zu werden; Und habe ihm das Recht eingeräumt, das schlimm zu finden. So hatte er immer die Möglichkeit, seinen Frust loszuwerden. Jetzt verstehen wir uns sehr gut und meine Probleme sind halt meine und da bleiben sie auch.
Die Organerkrankungen sind immer mal wieder Thema, aber das in einem gesundem Maß.
Ich gehöre nicht
mehr zu diesen egozentrierten Kranken, die über nichts anderes reden können. Im Gegenteil, ich bin froh, wenn es andere Themen gibt. Und davon gibt es viel mehr, als meine Erkrankungen je hergeben könnten. Aber auch das war ein Lernprozess und früher anders. Phasenweise konnte ich über nichts anderes reden, als meine Krankheiten und Medikamente. Das war schlimm, denn es nährt und konserviert sie.
Wenn ich es nicht will, merkt kaum einer, dass ich psychische Probleme habe, auch im direkten Kontakt. Das Rheuma sieht man leider auf den ersten Blick. Selbst Schmerzen kann ich gut kaschieren. Dass ich starke Medikamente nehme, bemerkt man auch nicht. Ich bin weder gedämpft, noch habe ich eine verwaschene Aussprache. Schlafmangel wirkt sich drastischer aus, den merkt und sieht man mir an.
@spoege
Was ich damit sagen will: Eigentlich kann man, glaube ich, nur mit Betroffenen entsprechend sensibel umgehen, wenn man von ihnen ins Vertrauen gezogen wird. Und grade das ist ja, wie ihr schreibt, enorm schwierig.
Ein respektvoller und einfühlsamer Umgang ist doch nicht von einer Erkrankung abhängig?! Ich möchte selbst entscheiden, wann ich wen ins Vertrauen ziehe. Traurig ist nur, dass es so viele Menschen abschreckt, überfordert, what ever… Psychisch Erkrankte sind doch keine Exoten, sondern haben eine verletzte Seele, so wie andere Menschen z.B. ein gebrochenes oder „appes" Bein haben. Wenn beides zusammenkommt, fühlen sich viele Mitmenschen leider überfordert, oder haben Angst, ausgesaugt zu werden. Kranke Menschen mutieren manchmal zu Energievampiren. Sozialphobiker eher nicht.
Körperliche Krankheiten ändern an Freundschaften nicht viel, zumindest nicht bei guten Freunden.
Wenn die Freundschaft schon besteht, kann ich das so unterschreiben. Aber sei Du mal chronisch oder schwer krank und allein. Dann einen Freundeskreis aufzubauen ist sehr schwer. Da wird selbst ein Bekanntenkreis zur Herausforderung.
Und auch körperliche Erkrankungen sind wesensverändernd. Das kann man nicht pauschal abgrenzen. Es gibt z.B. die reaktive Depression bei chronisch oder akut schwer Erkrankten. Oder der Selbstwert bricht ein oder, oder …
Ichbezogenheit beschränkt sich nicht auf Phobiker, sondern ist ein Problem bei jeder Erkrankung, die sich existentiell auswirkt. Okay, das Thema ist hier ist die Sozialphobie, aber ich konnte nicht anders und musste ein wenig relativieren. Da wieder raus zu kommen, geht meistens nur mit einem Mix aus Medikamenten, Selbsthilfe, Therapie und Mut. Und natürlich braucht es ein offenes, vertrauenswürdiges Gegenüber.
Zum Üben ist die Anonymität eines Forums gar nicht schlecht.