Jeder kann mitmachen: Fluch oder Segen / Konnte man das voraussehen?

carstenj

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Hi,

wir alle hier leben bereits seit sehr langer Zeit mit dem Internet und wir alle erleben täglich, dass es kaum ein Thema in irgendeinem Forum oder sozialen Medien gibt, was nicht totdiskutiert wird. Wenn jemand Geld spendet, gibt es Millionen Kommentare darüber, warum er das tut, wenn jemand einen Fehler macht, Milliarden Besserwisser, Häme, Spott usw. Man könnte über die Haltung von Wellensittichen diskutieren, am Ende hat erhält man Morddrohungen von Tierschützern, wenn man über Fußball diskutiert, wie sinnlos das ist wenn Millionäre hinter einem Ball herlaufen und sobald man über Filme/Serien diskutiert, wie man sich denn erdreisten kann, dies und das gut/schlecht zu finden.

Was mich interessiert, ob jemand sowas vorausgesehen hat. Gab es Bücher/Abhandlungen darüber, bevor das Internet erfunden wurde? Gab es bereits Vermutungen darüber, dass wenn jeder über alles diskutieren kann, sich quasi eine Diskussion totläuft und evtl. sogar schadet? Hat irgendein Philosoph mal darüber Vermutungen angestellt? Weil nüchtern betrachtet klingt es ja erstmal gut: Jeder KANN mitreden und seine Meinung äußern. Aber wenn es wirklich jeder tut, scheint das ja eher ein katastrophaler denn ein erstrebenswerter Zustand zu sein.

Letzten Endes ist das ja eine Erkenntnis, die ein erschreckendes Menschenbild abgibt, zumindest geht es mir so. Habe einen Teil meines Lebens ohne Internet verbracht, aber mehr als die Hälfte nun mit, und das Fazit würde vermutlich eher schlecht als gut ausfallen, obwohl es natürlich auch sehr viele positive Aspekte gibt. Z.B. solche (für mich) spannende Diskussion hätte ich früher so nicht führen können. :)
 
Digital Detox... Man muss den Scheiss ja nicht immer zwingend mitmachen.

Ich hab mir ein dickes Fell angewöhnt. Sehr praktisch sowas.
 
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Anders kann man es ja auch nicht ertragen. Noch schlimmer sind die Jammerlappen, die sich über Hass und Hetze aufregen. Sowas würde mir am A**** vorbeigehen. Erst jeden Mist im Netz posten und dann über Kommentare aufregen.
 
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Hi,

... Letzten Endes ist das ja eine Erkenntnis, die ein erschreckendes Menschenbild abgibt, zumindest geht es mir so...
Mir auch. Was interessiert mich das Geschwätz der ganzen Stumpfköpfe. Dient nur zur gelegentlichen Unterhaltung wenn im Büro nix los ist. Man erhält dann guten Einblick, wie die (Privat-) Leute und die Lohnschreiber so ticken. Grusel.
 
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Gab es bereits Vermutungen darüber, dass wenn jeder über alles diskutieren kann, sich quasi eine Diskussion totläuft und evtl. sogar schadet? Hat irgendein Philosoph mal darüber Vermutungen angestellt? Weil nüchtern betrachtet klingt es ja erstmal gut: Jeder KANN mitreden und seine Meinung äußern. Aber wenn es wirklich jeder tut, scheint das ja eher ein katastrophaler denn ein erstrebenswerter Zustand zu sein.
Am ehesten würde ich mich mit Matthias Horx dazu befassen: https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Horx#Fehlprognosen
 
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Mein Lieblingsbuch dazu: Neil Postman
  • Amusing Ourselves to Death, 1985
    • Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie, Fischer, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-10-062407-6
 
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Mein Lieblingsbuch dazu: Neil Postman
  • Amusing Ourselves to Death, 1985
    • Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie, Fischer, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-10-062407-6
Geiles Buch und fiel mir im Grund auch direkt ein. Daraus habe ich viele Anregungen mitgenommen. Sehr weitsichtig.
 
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Letzten Endes ist das ja eine Erkenntnis, die ein erschreckendes Menschenbild abgibt, zumindest geht es mir so. Habe einen Teil meines Lebens ohne Internet verbracht, aber mehr als die Hälfte nun mit, und das Fazit würde vermutlich eher schlecht als gut ausfallen, obwohl es natürlich auch sehr viele positive Aspekte gibt. Z.B. solche (für mich) spannende Diskussion hätte ich früher so nicht führen können. :)

Mein Menschenbild hat sich dadurch nicht verändert. Vorher gab es auch schon Stammtisch und brüllende Fankurven ...
Da mache ich mir keine Illusionen. Je größer die Masse, desto mehr einzelne extreme Meinungen gibt es, die dann
negativ herausstechen.

Ich konsumiere selbst keine unmoderierten Massen-Medien wie Twitter oder Facebook, sondern Foren
wie Macuser. :)
 
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Dito. Stammtisch, Vereine, Klowände, schwarze Bretter ... auch früher konnte jeder der wollte ungefragt seine Meinung raushauen.

Heute halt wie Onlinebanking, Shopping und Essenbestelling bequem vom Sofa aus. ;)

Achso, und zur Ausgangsfrage »Fluch oder Segen?« ganz klar Segen. Für mich ist selbst der schlimmste Meinungs-Rant und/oder Forenkloppereien pure Unterhaltung.

Schön dass wir darüber gesprochen haben. :D

.
 
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Zumindest in Foren habe ich das Gefühl, dass viele mittlerweile halbwegs gelernt haben, dass es sich oft lohnt, Dinge einfach zu Ignorieren und so stehen zu lassen anstatt ihnen die gewünschte Aufmerksamkeit zu schenken. Man merkt ja in der Regel relativ schnell ob jemand etwas "in gutem Glauben" schreibt oder bloß (meist negative) Emotionen wecken möchte.
 
Anders kann man es ja auch nicht ertragen. Noch schlimmer sind die Jammerlappen, die sich über Hass und Hetze aufregen. Sowas würde mir am A**** vorbeigehen. Erst jeden Mist im Netz posten und dann über Kommentare aufregen.
Wow, du hast offenbar noch kein Mobbing oder Cybermobbing erlebt.
Anstatt andere als Lappen zu beleidigen, einfach mal Empathie googeln.
 
Wow, du hast offenbar noch kein Mobbing oder Cybermobbing erlebt.
Ich würde es einfach nicht lesen. Oder darüber lachen. Und nein, bin ich nicht. Ich nutze weder Facebook, noch Instagram oder sonstigen Kram.
 
Ich würde es einfach nicht lesen. Oder darüber lachen. Und nein, bin ich nicht. Ich nutze weder Facebook, noch Instagram oder sonstigen Kram.

Wenn es um Empathie geht, sollte das Wort „ich“ vielleicht nicht ganz so häufig vorkommen :)
 
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Segen! Es war nie einfacher, Informationen zu jedem beliebigen Thema zu erhalten - jedenfalls für uns im freien Teil der Welt. Und auch daran, wie sehr diktatorische Regime versuchen, Teile des Internet zu zensieren, zu verbergen oder sogar eigene Falschinformationen in Umlauf zu bringen, zeigt, wie viel Segen in der Technik eigentlich steckt.
 
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Gab es bereits Vermutungen darüber, dass wenn jeder über alles diskutieren kann, sich quasi eine Diskussion totläuft und evtl. sogar schadet? Hat irgendein Philosoph mal darüber Vermutungen angestellt? Weil nüchtern betrachtet klingt es ja erstmal gut: Jeder KANN mitreden und seine Meinung äußern. Aber wenn es wirklich jeder tut, scheint das ja eher ein katastrophaler denn ein erstrebenswerter Zustand zu sein.
Du übersiehst dabei einen zentralen Punkt: Internet-Diskussionen finden ja nicht nur unter Menschen statt, die sich nicht kennen und auch nie kennenlernen werden, sondern auch ohne direktes Gegenübertreten. Das ist der eigentliche Grund dafür, dass Diskussionen im Internet so schnell aus dem Ruder laufen.
Letzten Endes ist das ja eine Erkenntnis, die ein erschreckendes Menschenbild abgibt, zumindest geht es mir so.
Zivilisierte Verkehrsformen sind antrainiert und gewissermaßen unnatürlich. Sie erfordern, dass man sich oftmals zurücknimmt, obwohl man am liebsten gerne mal... aber je öffentlicher man sich bewegt, desto mehr reißt man sich brav zusammen und wendet dafür eine beträchtliche Menge an Energie auf. Je anonymer und vor allen Dingen indirekter die soziale Interaktion, desto weniger ist zu erwarten, dass Menschen sich zivilisiert benehmen. Das kann man täglich im Straßenverkehr beobachten - und konnte es auch schon lange bevor es das Internet gab.

Sehr aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang das Milgram-Experiment. Da wurde die Versuchsanordnung variiert, u.a. in Bezug auf die Nähe zwischen "Lehrer" und "Schüler". Das sagt doch einiges aus, oder?
 
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Segen! Es war nie einfacher, Informationen zu jedem beliebigen Thema zu erhalten - jedenfalls für uns im freien Teil der Welt. Und auch daran, wie sehr diktatorische Regime versuchen, Teile des Internet zu zensieren, zu verbergen oder sogar eigene Falschinformationen in Umlauf zu bringen, zeigt, wie viel Segen in der Technik eigentlich steckt.
Falsch, würde ich sagen. Es steckt nicht pauschal Segen in der Technik, sondern Potenzial. Potenzial, das derzeit dazu genutzt wird, um Menschen zuverlässig gefügig zu machen (z.B. in China) und in demokratisch verfassten Rechtsstaaten die Demokratie zu demolieren. Denn Demokratie kann nur sein, wo es unkompromittierbare Orte der Privatheit gibt, und die kommen uns dank unregulierter Digitaltechnik gerade immer mehr abhanden.

Nun kann man ja sagen: Gut, das mit der Dauerüberwachung durch Konzerne und Behörden ist wirklich blöd, aber es gibt doch auch Chancen. Das ist aber zu kurz gedacht. Vollends bescheuert finde ich die immer wieder vorgebrachte Haltung, es käme doch auf jeden selbst an, wie er mit der Technik - die an sich weder gut noch böse sei, welch große Weisheit! - umgeht.

Denn auch in freien Gesellschaften leben wir innerhalb von sozialen Infrastrukturen, Normen, Traditionen, wechselseitigen Abhängigkeiten, rechtlichen Regulierungen. Die libertäre Ideologie, wie man sie von Neoliberalismus-Fans her kennt und die genau so auch aus dem Silicon Valley kommt, ignoriert jedoch all diese Vorbedingungen und tut so, als wären wir total autonom. Da hat jeder alles, aber auch wirklich alles selbst in der Hand, und es genügt, dem verlogenen Google-Motto "Don't be evil" zu folgen. Tatsächlich verzichten wir aber teilweise auf Autonomie, und zwar ganz bewusst und auch im Sinne der Freiheit, im Sinne von Handlungsspielräumen, wenn wir beispielsweise auf Selbstjustiz verzichten und das Gewaltmonopol des Staates anerkennen: Dann erst haben wir den Rücken frei, viele Dinge zu tun, die wir sonst nicht tun könnten. Diese Dialektik prägt unser Leben in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat: Regulierung: ja, aber so, dass sie die der Freiheit des Einzelnen dient. Im Falle der Digitalisierung wurde die Regulierung versäumt, mit der Konsequenz, dass der Schaden so groß ist, dass man über den Nutzen eigentlich nicht mehr reden muss.
 
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