Gesellschaft Holocaust - die Schuld der eigenen Vorfahren - Umgang in der Familie

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elbi

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Hallo zusammen,

Ich bin in der 10. Klasse auf einem Gymnasium. Wir haben ein Projekt wo wir verschiedene Themen im Zusammenhang mit dem Umgang mit dem Holocaust behandeln werden.

Ich möchte untersuchen:
- Das Wissen und Umgang der Nachkommengenerationen um die Taten der eigenen Vorfahren

Also eigentlich ist es so, dass wir glauben, dass viele Erwachsene nicht mit den Angehörigen ihrer Vor-Generation über deren NS-Zeit gesprochen haben. Und wir glauben, dass es vielleicht so ist, dass sich die Kinder nicht getraut haben zu fragen. In meiner Klasse wissen viele gar nicht, was ihre eigenen Vorfahren überhaupt damals gemacht haben und ob sie sich schuldig gemacht hatten oder nicht. Und die Zeitzeugen auch nicht gerne eigene Schuld zugeben möchten.

Ich möchte alles wissen, was Sie über das Leben der eigenen Eltern und Großeltern im NS-Staat wissen und wie Sie und ob es Schuld gab oder nicht und wie Sie damit persönlich umgegangen sind.

Und dann noch eine Frage dazu: Was hätten sie besser machen können. Also, wer schuldig ist, der muss ja wissen, was er besser hätte machen können, um nicht schuldig zu sein.

Ich bitte alle mitzumachen, weil es ja auch insgesamt ein spannendes Thema ist.

Vielen Dank
 
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Erst einmal viel Erfolg. Nur ein paar Überlegungen. Nach meinen Erfahrungen ist sich nicht trauen höchstens nur ein Teil. Erstmal hat man ja ein positives Verhältnis zu seinen Eltern, bei allen möglichen Konflikten. Es bedarf schon eines gedanklichen Sprungs, die "Kluft" auszuhalten. Dann noch noch der Kleister des Familienzusamenhalts. Familienangehörige werden erst einmal geschützt. Das merkt ja manchmal, wenn Leute Bücher über ihre "Naziverwandten" schreiben. Weiter, die Lage in der "alten" Bundesrepublik, in der ja zugespitzt Naziverbrechen ziemlich nachsichtig behandelt wurden. Deserteure, z.B. wurden ja geächtet. In der DDR umgekehrt, könnte ich mir vorstellen, wo man per Staatsdefinition Antifaschist war.

Und dann die Strukturen militärischen und staatlichen Handelns. Befehlsnotstand wäre hier ein Stichwort. Ob da ein Bewusstsein von Schuld entstehen kann auf gesellschaftlicher Grössenordnung? Das kann man in vielen Ländern und zu verschiedenen Zeiten beobachten. Ein Beispiel aus Deutschland. Die Fastausrottung der Hereros - übrigens eine Art Vorgabe für die Aktivitäten des Dritten Reichs, ist ja erst ca 80 Jahre nach den Ereignissen ein wenig aufgearbeitet worden. In Nordamerika die Fastausrottung der "Indianer", oder der Vietnamkrieg, die Franzosen in Nordafrika, usw. Die Akteure wurden und werden nie ethisch-moralisch befragt.

Nachtrag: Und wie man an dem inzwischen eingestellten Beitrag vor mir sieht, immer noch ein vermintes Gelände. Mit "Islamthehemen" und anderen Laberthemen haben die Leute weniger Probleme.
 
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Eine Gute Anlaufstelle findest du hier in Nürnberg:
Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände

Zum Allgemeinen:
Also geahnt und beteiligt haben sich irgendwie alle. Aus der ländlichen Gegend wo ich herkomme, gibt es keinen Ort aus dem Juden nicht vertrieben oder Abgeholt wurden. Der Pogrom fand ja nicht nur in den Städten statt. Inwieweit die Leute aber wussten was in den KZ abging, ist fraglich. Ausser Gerüchten war da wenig bekannt und wohl nur die direkt Beteiligten hatten da wirklich einen Überblick. Involviert waren aber wohl die Reichsbahn (die meisten Juden wurden ja mit Zügen deportiert), auf jeden fall die Polizei (denn die haben ja die Leute aus den Wohnungen geholt), die Totenkopf - SS sowieso und wohl auch ein Teil der regulären Kampftruppen. Doch auch in einigen europäischen Ländern die von der Wehrmacht bestzt wurden, hat sich die dort ansässige Bevölkerung rege an der Jagd auf Juden beteiligt und definitiv auch Lynchjustiz betrieben. Besonders auf dem Vormarsch nach Osten.
So weiss ich von meinem Vater und Grossvater, dass z.B. gerade in der Ukraine die Bevölkerung die Juden und andere Gruppen an die SS ausgeliefert wurde.
Dass die Bevölkerung in DEutschland aber etwas geahnt hat, erkennt man auch an den damailgen "Witzen": Der kommt auf die Aschenbahn, wird zu Seife oder Lampenschirm gemacht.
Antisemitismus ist auch heute noch gerade in Osteuropa ein Thema und wird dort auch offenkundig gezeigt.


Was die Aubereitung nach dem Krieg betrifft: Da dürfte noch einige im Dunkeln liegen. Denn die Verfolgung der eigentlichen Täter und Mithelfer wurde von deutscher Seite nie ernsthaft betrieben. Man hat bei Nürnberger Prozessen einige Highlights verurteilt und auch hingerichtet, die vielen "kleinen" Mörder liss man aber regelrecht ungeschoren.
das mag auch daran gelegen haben, dass viele Nazigrössen und auch Nazis in der Verwaltung, Polizeidienst auch nach dem Krieg wieder in Amtund Würden waren. Und das bis hinauf in Regierungskreise.
Auffällig hier auh, dass z.B. in Jahrbüchern von Polizeidienststellen die Jahre von 1933-1945 nahezu komplett ausgeklammert sind. Auch manche Firmen und Konzerne blenden diese Zeit aus. Obwohl gerade die Rüstungsbetriebe, Automobilhersteller und andere sich am Krieg dumm und dämlich verdient haben. Krupp, Thyssen, Porsche, Bosch, Daimler, Opel, Linde, BASF, Dynamit Nobel etc. haben Hitler bei seinem Aufstieg sogar forciert und auch finanziert.
Auch in der Schule wurde und wird da nicht richtig aufgearbeitet.
Im übrigen hat die Welt lange zugeschaut was in Deutschland passiert und niemand hat sich gerührt. Denn die Juden wurden nicht erst mit Kriegsausbruch 1939 deportiert, sondern das begann im grossen Stil schon Jahre vorher. Und selbst unsere damaligen Bildungseliten haben sich da kräftig beteiligt und auch öffentlich dazu bekannt.
 
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Um Beachtung. Kein Troll. Keine Hetze.
Es ist eine Bekannte von einem langjährigen Forenmitglied. Also bitte ernst nehmen.

Danke.
 
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meine Familie musste damals fliehen - aufgrund entarteter Kunst

Ich habe aber kein Interesse daran dies in der Öffentlichkeit zu diskutieren.
 
Hallo zusammen,

Ich bin in der 10. Klasse auf einem Gymnasium. Wir haben ein Projekt wo wir verschiedene Themen im Zusammenhang mit dem Umgang mit dem Holocaust behandeln werden.

Ich möchte untersuchen:
- Das Wissen und Umgang der Nachkommengenerationen um die Taten der eigenen Vorfahren

Also eigentlich ist es so, dass wir glauben, dass viele Erwachsene nicht mit den Angehörigen ihrer Vor-Generation über deren NS-Zeit gesprochen haben. Und wir glauben, dass es vielleicht so ist, dass sich die Kinder nicht getraut haben zu fragen. In meiner Klasse wissen viele gar nicht, was ihre eigenen Vorfahren überhaupt damals gemacht haben und ob sie sich schuldig gemacht hatten oder nicht. Und die Zeitzeugen auch nicht gerne eigene Schuld zugeben möchten.

Ich möchte alles wissen, was Sie über das Leben der eigenen Eltern und Großeltern im NS-Staat wissen und wie Sie und ob es Schuld gab oder nicht und wie Sie damit persönlich umgegangen sind.

Und dann noch eine Frage dazu: Was hätten sie besser machen können. Also, wer schuldig ist, der muss ja wissen, was er besser hätte machen können, um nicht schuldig zu sein.

Ich bitte alle mitzumachen, weil es ja auch insgesamt ein spannendes Thema ist.

Vielen Dank
Und was ist mit Deiner Familie, Elbi? Wer so fragt, so intime Sachen, der sollte in Vorleistung gehen, findest Du nicht?
 
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Spannendes Thema!
Aber wer würde dieses Thema an der Bar ansprechen? Du bist offensichtlich kein Troll und trotzdem fehl am Platze.
Mir fällt überhaupt kein Ort im WWW ein, an dem ich sowas besprechen würde. Aber vielleicht findet sich ja jemand, der Dir helfen kann.
 
Meine Familie wurde ins Reich geholt und dann zu Recht vertrieben. Schreib einfach "Der Hitler war ein Depp!" (Sollen sie dir erstmal das Gegenteil beweisen) ;)
 
Um Beachtung. Kein Troll. Keine Hetze.
Es ist eine Bekannte von einem langjährigen Forenmitglied. Also bitte ernst nehmen.

Danke.

Danke für den Hinweis. Man ist ja (leider) so einiges hier gewohnt.

Zur Sache: In meiner Familie wurde auch nicht großartig darüber gesprochen, und heute ist es auch nicht mehr möglich weil die Generation die es betrifft ausgestorben ist. Ich weiß nur dass der eine Opa Sani gewesen ist.

Ich denke dass man darber nicht gesprochen hat hat zum einen mit den Gräuel des Kriegs an sich zu run, das sind Bilder die jeder vergessen und nicht daran erinnert werden möchte. Zum anderen wird es auch und grade bei der Generation so gewesen sein dass da von oben der Deckel drauf kam. Wer dabei war war einfach schuldig, egal ob Sani oder KZ-Wärter, egal ob aus Überzeugung oder weil man dazu unter Waffengewalt gezwungen wurde. Deswegen wurde da auch gar nicht großartig diskutiert welche Rolle der Einzelne wirklich hatte.
 
das mag auch daran gelegen haben, dass viele Nazigrössen und auch Nazis in der Verwaltung, Polizeidienst auch nach dem Krieg wieder in Amtund Würden waren. Und das bis hinauf in Regierungskreise.
Vor allem die richter sind wieder in ihre ämter übernommen worden. Jetzt passt der spruch mit der krähe und dem auge. Beispielhaft führe ich mal die gescheiterten gerichtsverfahren gegen den so genannten „Schlächter von Genua“ an, SS-Obersturmbannführer Friedrich Engel, der bis zu seinem tod in meinem aktuellen stadtteil als inhaber einer florierenden holzhandlung lebte. Netter mensch, sagten seine nachbarn.

Zum thema empfehle ich sehr ein buch des vor allem beim stern tätig gewesenen investigativjournalisten Günther Schwarberg: Das vergess ich nie. Der mann hat maßgeblich das schicksal der in den letzten kriegstagen ermordeten kinder vom Bullenhuser Damm aufgeklärt.
 
Die Erwachsenen aus meiner Familie, die richtig lange im Krieg waren, wollten immer wieder über den Krieg erzählen, aber nur harmlose Sachen. Es ist mir nie gelungen etwas über Verbrechen zu erfahren.
Nachdem ich später als Wehrdienstleistender und in den Fabriken und Büros die Feigheit des normalen Mannes erlebt habe, mußte ich meine Meinung über die Möglichkeiten des Widerstandes im Krieg sehr ändern, wo doch fast alle feige Mitläufer waren.
Heute würde man doch genauso viele Mitläufer finden und es wäre ein leichtes, genügend williges Personal für KZs zu finden. Man muß nur bei den Managern nachfragen.
 
Ich habe mich mit meinem Vater (hat beide WK erlebt) oft über die Zeit damals unterhalten und bin zu der Überzeugung gekommen, dass er keine Schuld auf sich geladen hat. Das wolltest Du doch wissen, oder?
 
Zum Verständnis der damaligen Zeiten kann ich nur den Roman "Tadellöser & Wolff" von Walter Kemposki und/oder dessen gleichnamige geniale Fernsehverfilmung empfehlen. Mir fielen danach einige Schuppen von den Augen. Sollte nach meiner Meinung im Schulunterricht gezeigt werden, kostet aber bei Amazon unanständige 60€...
 
Der Roman kostet als Taschenbuch schlanke 10€. Was du meinst, ist die Deutsche Chronik und das sind sechs verschiedene Romane und drei Befragungsbücher.
Tadellöser und Wolf sollte man gelesen haben.
 
Hallo,

ich möchte auch eine Buchempfehlung abgeben, Warum folgten sie Hitler? von Stephan Marks ist ein spannendes Buch über die Psychologie des Nationalsozialismus. Ist nicht so trocken wie es im ersten Moment klingt.

Grüße
 
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Oder "Die Blechtrommel" ansehen.
 
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