Europäer als IS-Kämpfer? - Kann mir das einer erklären?

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MmeBezier

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Dieser Artikel http://www.tagesschau.de/inland/internet-islamist-100.html und ähnliche Berichte über europäische Jugendliche, junge Männer, welche sich freiwillig den IS-Terroristen anschließen, warf bei mir die Frage auf, warum die das tun?
Zuerst glaubte ich, es handele sich dabei nur im junge Moslems mit Migrationshintergrund. Aber offenbar gehen auch ganz "normale", auch christlich erzogene Jugendliche zur IS. Einige werden auch Selbstmordattentäter, d. h. sie gehen freiwillig in den Tod.
Ich kann das nicht so ganz verstehen und nachvollziehen.
So schlecht ist das Leben in Europa denn nun wirklich auch wieder nicht, dass man lieber für eine eigentlich komplett fremde Sache und Kultur in den Tod geht!?
Was geht in deren Hirn vor?
Und wie sollte Europa mit Rückkehrern verfahren?
Ausschließen und nicht mehr reinlassen?
Gleich verhaften?
Normal einreisen lassen und hoffen, dass die wieder "brav" sind?

Was denkt Ihr darüber?
 
Es gab schon immer sinnvolle und sinnlose Möglichkeiten sein Leben zu gestalten. Sei es durch eine positive Lebensgestaltung und deren Möglichkeiten hilfreiches zu tun Cap Anamur, Ärzte ohne Grenzen, THW, sinnvolle Entwicklungshilfe und Dienste, heimische Feuerwehr etc., als auch in negativem Sinne durch einen Beitritt und tätliche Mitgestaltung von Kriegsparteien und deren sinnlosem Treiben. Hier seien zuletzt IS und das ganze sinnlose salafistische Gehabe, aber auch ideologisch verblendete Menschen die als Söldner z. B. für Kiew/Nato oder Moskau den Kopf hin halten, genannt.

Die Welt ohne Schranken für Wirtschaft, Bildung und Völkerverständigung bringt leider auch bedingt durch entstandene größere individuelle und grenzenlose Freiheiten negative Auswüchse mit, die von Heute auf Morgen nicht so leicht zu überwinden sind.
 
Ja, aber gleich so arg? Und mit wahrscheinlicher Todesfolge?
 
Es ist in der Tat erschreckend, was da momentan abgeht.

Ich versuche mir das folgendermaßen zu erklären: die angesprochenen Jugendlichen und jungen Männer finden den weg zum Islam vermutlich über Freunde oder durch gezielte Ansprachen in deutschen Fußgängerzonen. Vgl. hierzu auch die Seite "Die wahre Religion" bei Facebook und ihre Videos. Auch deutsche Gotteskrieger wurden durch die "wahre Religion" angesprochen. Unter anderem der 16-jährige Anis/Enis, der in Syrien seinen Tod fand.

Der Islam wird ihnen zunächst als etwas sehr positives verkauft*. Die jugendlichen finden zudem Anschluss in einer Gruppierung/Gruppe, die sich durch einen starken Zusammenhalt und eine Betonung des Kollektivismus auszeichnet. Man beginnt, sich gedanklich dieser Glaubensform zu unterwerfen und beginnt damit natürlich auch, den Predigern alles abzunehmen und es nach und nach für bare Münze zu nehmen, was diese Leute dann im verborgenen erzählen.

Wenn junge Männer an diesem Punkt angelangt sind, gibt es für viele kaum mehr ein zurück. Das ganze wird zu sektenähnlich und man unterliegt in diesem Moment einem großen Gruppenzwang. Auf sämtliche Zweifel haben die Prediger eine gute und schlüssig klingende Antwort und die Religion beginnt das Leben zu dominieren. Aus anfänglich ein bis zwei Treffen im Monat werden ein bis zwei pro Woche usw usf.

Hiernach werden junge Männer ausgewählt, die den Predigern usw. als hörig genug erscheinen, um sie als Gotteskrieger "auszibilden" und zu missbrauchen. Dies wird natürlich als absolutes Privileg verkauft und die jungen Männer werden fortan in dieser Gruppe von Nachkömmlingen bewundert und es wird ihnen nachgeeifert.

Im Grunde genommen funktioniert das Rekrutieren aus (küchen-)psychologischer Sicht wahrscheinlich ähnlich, wie auch am rechten politischen Rand. Labilen jugendlichen wird ein fester Rahmen und damit halt gegeben. Im Gegenzug fühlen sie sich ggü. der Gruppierung verplfichtet, etwas zurück zu geben.

*ich unterstelle dem Islam keineswegs einen schlechten Grundkern!
 

Das ist eine sehr gute Erklärung, also das sektenähnliche rekrutieren und der Halt in einer Gruppe.
Trotzdem haben sie ja im Zweifelsfall nicht lange was von der Gruppe, wenn sie sich selber in die Luft sprengen müssen ....

Und wie sollten die europäischen Länder auf Rückkehrer reagieren?
 
Bessere Antworten darauf können wohl nur Soziologen oder Psychologen geben. Denn die psychische Einflussnahme durch Medien, soziales Umfeld, soziale Kälte, fehlender gesellschaftlicher Halt, falsche Leitbilder und falsch entstandene Orientierung können wir als psychologische Laien nur lückenhaft darstellen.

Für mich liegt halt eine Erklärung in der steigenden Vielzahl der Möglichkeiten, die sich durch eine ständig wachsende gesellschaftliche Pluralität auch begründen lässt. Auch leicht und verständlich nachvollziehbar durch Generationsvergleiche.
 
...warf bei mir die Frage auf, warum die das tun?

Wie viele andere Fragen lässt sich auch diese mit einem schlichten "weil sie dumm sind" beantworten.
Was die möglichen Lösungen betrifft: you can't fix stupid. War schon immer so, wird auch noch eine Weile so bleiben.
 
Tatsache ist, dass die Jugendliche sowohl aus intakten wie auch aus Problemfamilien kommen. Sie sind sowohl relativ gebildet (Studenten) als auch ungebildet (Schulabbrecher). Die Radikalisierung kann langsam über Jahre oder auch innerhalb weniger Wochen stattfinden, das ist ein neues Muster und z.B. nicht mit der RAF zu vergleichen.
Ich denke, das ist auch ein hormonelles Problem von männlichen Jugendlichen zwischen 15 und 25. Ich selbst kann mich noch erinnern, wie ich mit 16,17 von Eliteeinheiten wie GSG 9, Fremdenlegion etc fasziniert war. Nach ein paar Wochen Bundeswehr war ich kuriert.

Meiner Meinung nach gehören die Salafisten als verfassungsfeindliche Organisation verboten, Imame sollten nur nach 6 jährigem Studium an einer deutschen Hochschule predigen dürfen (wie die Pfarrer auch) - generell volles Programm mit Moscheesteuer (analog zur Kirchensteuer).
Ausserdem sollten die radikalen Gruppen stärker überwacht werden und wer zum Völkermord oder Terrortourismus aufruft, sollte 2-3 Jahre zeit haben das im Knast nochmal zu überdenken bevor er in ein islamisches Land seiner Wahl ausgeflogen wird.

Was man mit den Jugendlichen macht die zurück wollen? Schwer zu sagen, ich denke, dass viele die Entscheidung bereuen, aber man müßte von vorneherein klar machen, dass diese Entscheidung zum Verlust der Staatsangehörigkeit bzw Aufenthaltsrechtes führt.

Ich darf als deutscher ja noch nicht mal für einen befreundeten Nachrichtendienst arbeiten, warum sollten die dann für die IS Köpfe abhacken dürfen?
 
Für mich liegt halt eine Erklärung in der steigenden Vielzahl der Möglichkeiten, die sich durch eine ständig wachsende gesellschaftliche Pluralität auch begründen lässt. Auch leicht und verständlich nachvollziehbar durch Generationsvergleiche.

Sicher ein wichtiger Punkt. Nicht alle kommen mit der komplexen Pluralität und den vielen möglichen Lebensentwürfen zurecht und erstreben ein enges Korsett, eine Richtlinie, und wenden sich dann nicht mitunter totalitären Entwürfen zu. Manche wünschen nicht mehr, sondern weniger Freiheit. Das erinnert mich an ein Gespräch mit einem Vater, der in den Westen zog und seinen Sohn fragte, warum dieser zu den Fundamentalisten ging: "Ich verstehe dich nicht, du hast hier doch alle Freiheiten, alle Möglichkeiten." Die Antwort war entsprechend: "genau das ist das Problem."

Soviel zu einem Aspekt dieser Küchenpsychologie. :)
 
Aber offenbar gehen auch (...) christlich erzogene Jugendliche zur IS. Einige werden auch Selbstmordattentäter, d. h. sie gehen freiwillig in den Tod.
Ich kann das nicht so ganz verstehen und nachvollziehen.

Konvertiten (hier zum Islam) zeichnen sich ja oft durch besonders hervortuendes Eifern aus. Richtig getriggert sind das dann nicht selten die strengsten und radikalsten.
 
Tatsache ist, dass die Jugendliche sowohl aus intakten wie auch aus Problemfamilien kommen. Sie sind sowohl relativ gebildet (Studenten) als auch ungebildet (Schulabbrecher). Die Radikalisierung kann langsam über Jahre oder auch innerhalb weniger Wochen stattfinden, das ist ein neues Muster und z.B. nicht mit der RAF zu vergleichen.
Ich denke, das ist auch ein hormonelles Problem von männlichen Jugendlichen zwischen 15 und 25. Ich selbst kann mich noch erinnern, wie ich mit 16,17 von Eliteeinheiten wie GSG 9, Fremdenlegion etc fasziniert war. Nach ein paar Wochen Bundeswehr war ich kuriert.

Meiner Meinung nach gehören die Salafisten als verfassungsfeindliche Organisation verboten, Imame sollten nur nach 6 jährigem Studium an einer deutschen Hochschule predigen dürfen (wie die Pfarrer auch) - generell volles Programm mit Moscheesteuer (analog zur Kirchensteuer).
Ausserdem sollten die radikalen Gruppen stärker überwacht werden und wer zum Völkermord oder Terrortourismus aufruft, sollte 2-3 Jahre zeit haben das im Knast nochmal zu überdenken bevor er in ein islamisches Land seiner Wahl ausgeflogen wird.

Was man mit den Jugendlichen macht die zurück wollen? Schwer zu sagen, ich denke, dass viele die Entscheidung bereuen, aber man müßte von vorneherein klar machen, dass diese Entscheidung zum Verlust der Staatsangehörigkeit bzw Aufenthaltsrechtes führt.

Ich darf als deutscher ja noch nicht mal für einen befreundeten Nachrichtendienst arbeiten, warum sollten die dann für die IS Köpfe abhacken dürfen?

Danke Dir. Interessant zu lesen, wie männliche Jugendliche unter Hormoneinfluss so ticken. (Ich war ja ein Mädchen und daher anderen hormonellen Spinnereien ausgesetzt).
Ja, nur mit "dumm, schlecht gebildet, Unterschicht, keine Zukunftsperspektiven" kann man dieses Phänomen nicht erklären. Das macht es ja so unverständlich.

Deine Lösungsansätze kamen mir auch so in den Sinn.
Allerdings weiß ich nicht, ob die abschreckend genug wirken.
Und kann man einem in der BRD Geborenen die dt. Staatsangehörigkeit entziehen?
 
Moin,

Die Welt ohne Schranken für Wirtschaft, Bildung und Völkerverständigung bringt leider auch bedingt durch entstandene größere individuelle und grenzenlose Freiheiten negative Auswüchse mit, die von Heute auf Morgen nicht so leicht zu überwinden sind.

Willst du mir ernsthaft erzählen, dass das vo 1000 oder 2000 Jahren anders war? Ich sage nur: Kinderkreuzzüge...
 
dass das vo 1000 oder 2000 Jahren anders war? Ich sage nur: Kinderkreuzzüge...

Ob das ein gutes Beispiel ist für negative Auswüchse "bedingt durch entstandene größere individuelle und grenzenlose Freiheiten"? Wenn du aber nur darauf hinweisen willst, dass es das alles schon gab, einmal unabhängig von der Erklärung und Motivation sowie den Gründen der Schwierigkeiten gesellschaftlicher Einordnung - wohl unbestritten.
 
Moin,

Ob das ein gutes Beispiel ist für negative Auswüchse "bedingt durch entstandene größere individuelle und grenzenlose Freiheiten"?

War eher als Beispiel gemeint, dass dies Freiheiten nicht viel damit zu tun haben.
 
Tatsache ist, dass die Jugendliche sowohl aus intakten wie auch aus Problemfamilien kommen. Sie sind sowohl relativ gebildet (Studenten) als auch ungebildet (Schulabbrecher). Die Radikalisierung kann langsam über Jahre oder auch innerhalb weniger Wochen stattfinden, das ist ein neues Muster und z.B. nicht mit der RAF zu vergleichen.
Ich denke, das ist auch ein hormonelles Problem von männlichen Jugendlichen zwischen 15 und 25. Ich selbst kann mich noch erinnern, wie ich mit 16,17 von Eliteeinheiten wie GSG 9, Fremdenlegion etc fasziniert war. Nach ein paar Wochen Bundeswehr war ich kuriert.

Das ist auch eine Erklärung. Junge Menschen sind halt ansprechbar und formbar. Wird das noch ideologisch rethorisch begleitet, noch dazu durch entstandenen Gruppenzwang und eine Gruppenzugehörigkeit, gibts kein Halten mehr. Ich sehe dies allerdings nicht nur begrenzt auf die IS. Einen so erzeugten Fanatismus machen sich nicht nur islamistische Gruppen zu Nutzen. Das sind auch rechtsradikale Gruppen, oder wie auch die RAF in der Vergangenheit. Prinzipiell lässt sich jugendlicher Enthusiasmus für vieles, bis hin zum Fanatismus entfachen. In der Wahrnehmung hat meistens nur das spektakuläre Platz.

Sicher ein wichtiger Punkt. Nicht alle kommen mit der komplexen Pluralität und den vielen möglichen Lebensentwürfen zurecht und erstreben ein enges Korsett, eine Richtlinie, und wenden sich dann nicht mitunter totalitären Entwürfen zu. Manche wünschen nicht mehr, sondern weniger Freiheit. Das erinnert mich an ein Gespräch mit einem Vater, der in den Westen zog und seinen Sohn fragte, warum dieser zu den Fundamentalisten ging: "Ich verstehe dich nicht, du hast hier doch alle Freiheiten, alle Möglichkeiten." Die Antwort war entsprechend: "genau das ist das Problem."

Soviel zu einem Aspekt dieser Küchenpsychologie. :)

Genau MACombat:

Bessere Antworten darauf können wohl nur Soziologen oder Psychologen geben. Denn die psychische Einflussnahme durch Medien, soziales Umfeld, soziale Kälte, fehlender gesellschaftlicher Halt, falsche Leitbilder und falsch entstandene Orientierung können wir als psychologische Laien nur lückenhaft darstellen.
 
Moin,



Willst du mir ernsthaft erzählen, dass das vo 1000 oder 2000 Jahren anders war? Ich sage nur: Kinderkreuzzüge...

Ja, denn die Vielfalt ideologisch verblendet zum Opfer zu werden ist gegenwärtig weitaus größer als in der Vergangenheit. Außer IS und brauner Soße gibts noch mehr auf der Welt, um fanatisierte Ansichten einem falschen Leitbild unter zu ordnen. Sorry, ist meine Meinung.
 
Diese radikaliesierung gibts in jeder Glaubensrichtung. Ich habe das am eigenen Leib miterlebt. In unsicheren Zeiten bekommen radikale Glaubensrichtungen immer mehr Zulauf, das betrifft nicht nur den Islam sondern auch sog. Evangelikale. Weil dies Christen sind, rufen sie nicht zur Gewalt auf. Das nur sie den rechten Glauben haben und alle andere "Unglaeubige" sind unterscheidet sie nicht von den Salafisten. Auch dort wird versucht moeglichst das Umfeld zu bekehren. Der missionarische Eifer ist sehr gross. So ziemlich alles ist Suende. Ich sehe da durchaus ein paar Parallelen.
 
Diese radikaliesierung gibts in jeder Glaubensrichtung. Ich habe das am eigenen Leib miterlebt. In unsicheren Zeiten bekommen radikale Glaubensrichtungen immer mehr Zulauf, das betrifft nicht nur den Islam sondern auch sog. Evangelikale. Weil dies Christen sind, rufen sie nicht zur Gewalt auf. Das nur sie den rechten Glauben haben und alle andere "Unglaeubige" sind unterscheidet sie nicht von den Salafisten. Auch dort wird versucht moeglichst das Umfeld zu bekehren. Der missionarische Eifer ist sehr gross. So ziemlich alles ist Suende. Ich sehe da durchaus ein paar Parallelen.

Natürlich. Diese Religionen sind ja auch eng verwandt.
 
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