Ein wenig Kulturpessimismus muss schon sein

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Nerdklatscher

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The Internet has delivered a powerful tool into the hands of many people who oughtn’t to have any such power. Can anything be done? I’ve no idea. But I do believe that this is a new kind of problem and that calming words about how we managed to domesticate print and TV are insufficient to the case.
http://www.britannica.com/blogs/2008/07/print-tv-and-the-internet/

Übrigens aus einer von mehreren Repliken aufs Essay von Nicolas Carr, der darin beschreibt wie das Netz das Lesen und damit Denken reduziert und der es auf den Punkt "Is Google Making us Stoopid?" bringt: http://www.theatlantic.com/doc/200807/google
Naja, die wenigsten von euch werden den Text lesen - er ist für Vollzeit-User schlicht zu lang.
 
Ich bewundere deinen Optimismus eine angeregte Diskussion zu einem interessanten Thema zu erwarten. Bin jetzt erst mal lesen :)
 
Also, ich habe jetzt eine Menge Zeit darauf verwendet, den Text zu lesen - obwohl ich ein schneller Leser bin und gewohnt, mit langen Texten umzugehen: Ein so langer Text gehört in eine Zeitung, respektive Zeitschrift. Am Bildschirm zu lesen, dafür ist er zu lang.

Und damit sind wir natürlich beim Thema: Natürlich verändert das Internet die Art, wie wir Informationen wahrnehmen, und tatsächlich zieht eine generelle "Zapping"-Kultur ein, wir werden schneller, oberflächlicher.

Ich erinnere mich, dass meine Eltern mir oft nahegelegt haben, mal etwas weniger zu lesen und kein Bücherwurm zu sein, sondern auch das wahre Leben wahrzunehmen. Heute sind Eltern froh, wenn ihre Kinder Bücher lesen, das erscheint sehr viel näher am "wahren Leben" als Online-Aktivitäten oder Computerspiele.

Das ist eine bedenkliche Entwicklung, die der Qualität unserer Kultur schadet. Wir haben eine Vulgarisierung von Geschriebenem, seit jeder sein eigener Autor sein kann, und so schön die allgemeine Verfügbarkeit von Informationen ist, ebenso wie die Möglichkeit für jeden, sich an der weltweiten Kommunikation zu beteiligen - es führt zu Überangebot und Verflachung.

Die positive Seite daran: Für Schwafler, die sich hinter intellektuell-verkünstelter Sprache im Elfenbeinturm versteckt haben und sich als kulturelle Elite verstanden (davon gibt es auch heute noch genug), wird die Luft dünn.

Generell hoffe ich auf eine Gegenbewegung. Je virtueller die Welt wird, je weniger echtes Erleben stattfindet, um so mehr wird es an Wert gewinnen. Die Haptik eines Buches ist dem Lesen am Bildschirm überlegen, die Ruhe umfassender Information, konzentriert und gelassen, wird vielen wieder wichtiger werden, und auch das Internet wird Methoden entwickeln, den bunten Trash von den wertvollen Themen zu trennen.

Und sicherlich werden letztere dann auch wieder kostenpflichtig werden.

Ich denke nicht, dass wir generell verdummen. Aber das Internet, die virtuellen Welten, Computerspiele und schreiendbunte Medien, all das ist gefährlich und birgt die Gefahr der Verflachung, der es entgegenzuwirken gilt.
 
Die positive Seite daran: Für Schwafler, die sich hinter intellektuell-verkünstelter Sprache im Elfenbeinturm versteckt haben und sich als kulturelle Elite verstanden (davon gibt es auch heute noch genug), wird die Luft dünn.

Was selbige nicht davon abhält gegen die "neue Idiotae" zurückzuschlagen. ;)
 
achja, jedes Medaille hat 2 Seiten. Da trauert er den alten Zeiten hinterher ("Kennen Sie Gopher noch?"). Nat. war das Internet da ein ganz anderer Dienst, das WWW noch in den Kinderschuhen und die Internetnutzung hatte durchaus noch etwas von der guten alten BBS-Nutzung.

Erst durch das Medium Web, und seine in der Tat verkürzende Wirkung, sind doch überhaupt erst Informationsdienste entstanden. Ist das schlecht? Ich selbst habe die ZEIT abbestellt, weil ich es im letzten Kalenderjahr vielleicht 5x geschafft habe eine der Zeitungen noch zu lesen. Die Freizeit und die Ruhe ist doch gar nicht mehr da das alles auch wirklich zu lesen.

Zeitungen wie der Focus haben es versucht diese Oberflächlichkeit auf das Printmedium zu bringen ("Fakten, Fakten, Fakten..."). Tatsächlich geht es mir bis heute so, daß ich beim Focus das Gefühl habe die Einleitung gelesen zu haben und dann feststelle das der Artikel offenbar damit zu Ende ist. Sprich jedes Medium hat eine andere Kommunikationsart, das Web ist dabei das erste das auditive Information mit visuellen Effekten und Textinformationen interaktiv mischt. Es mit Zeitungen zu vergleichen schlägt fehl. Wer Zeitung lesen will soll das tun, gerade darum gibt es ( obwohl längst totgesagt) die großen Tages- und Wochenzeitungen noch.

Das Web ist vergleichsweise neu und wie alles Neue ist es nat. schlecht, böse und macht dumm ( wie das Fernsehen in den 70ern). Im Web 3.0 wird man über uns schmunzeln oder in einer Ausgabe der Zeit im Jahre 2020. Übrigens hat man Büchern ganz früher auch mal realitätsferne Eigenschaften nachgesagt. So mancher Eierkopf galt als durch Bücher verdorben und fern der Realität :)



Edit: ich gebe dem Heero völlig recht Texte dieser Länge lese ich auch ungern am Bildschirm!
 
Im zweiten Artikel steht ja selbst:
His thinking, he said, has taken on a “staccato” quality, reflecting the way he quickly scans short passages of text from many sources online. “I can’t read War and Peace anymore,” he admitted. “I’ve lost the ability to do that. Even a blog post of more than three or four paragraphs is too much to absorb. I skim it.”
Und wie zum Beweis: Der eigene Artikel, o Wunder... :D

So traurig das auch ist - es ist unabwendbar.

Ich stimme Lunde zu - dieser Thread hat leider weder Religion, noch Autos, Armbanduhren, Kernenergie, CO2 oder abhebende Flugzeuge zum Thema - also die WIRKLICHEN Problemfragen dieser Welt. :cool:

:hehehe:
 
Was selbige nicht davon abhält gegen die "neue Idiotae" zurückzuschlagen. ;)

Naja, der Artikel sagt ja im Grundsatz ähnliches wie der vom Threadersteller verlinkte - nur mit anderer Wertung. :) Unter dem Strich geht es am Ende darum: "Ich bin schlauer als die Masse, und das SOLL jetzt mal unterstrichen werden."

Nerdklatscher hat ja in seinem Ausgangsposting schon gezeigt, wie solche Aussagen zum Polieren des eigenen Egos genutzt werden. :)
 
Erst durch das Medium Web, und seine in der Tat verkürzende Wirkung, sind doch überhaupt erst Informationsdienste entstanden. Ist das schlecht? Ich selbst habe die ZEIT abbestellt, weil ich es im letzten Kalenderjahr vielleicht 5x geschafft habe eine der Zeitungen noch zu lesen. Die Freizeit und die Ruhe ist doch gar nicht mehr da das alles auch wirklich zu lesen.

Dass das schlecht ist, sehen wir hier doch jeden Tag. Viele lesen nicht mehr richtig was andere schreiben, fühlen sich nicht mehr in Texte und Beiträge ein, interpretieren nicht mehr. Aber … nicht das Netz sondern die mangelnde Medienkompetenz ist der Knackpunkt. Und seitdem es das Netz gibt veröffentlicht jeder etwas. Da wird erstmal deutlich, wieviel Mist vorher unter der Oberfläche existierte, weil es zu teuer und/oder aufwenidig war, es der Welt mitzuteilen.
 
Joa, den Untergang der Kultur prophezeit man gern einmal. Das Internet macht in der Tat seltsame Kreaturen aus manchen Menschen. Andererseits: warum nicht? "Anders" muß nicht "schlechter" bedeuten. Es fehlt nur ein kleines Steinchen in diesem Puzzle und schon sollte die Welt wieder im Lot sein: der Mut des Einzelnen, sich im "Konsum" des Internets einzuschränken. Das wird meines Erachtens viel zu wenig angestrebt: entweder wirds verteufelt oder vergöttert, verurteilt und zur Imagepflege gebraucht.....aber das Einschränken der eigenen Aktivitäten kaum erwähnt, geschweige denn in Betracht gezogen.

Genau wie beim Fernsehen, da hört man auch immer "ach, das Programm ist doch scheiße". Dann kommt man zu Besuch und das erste, was einem auffällt, ist der der 60"-Fernseher im Wohnzimmer, der auch fast den ganzen Tag über läuft. Beim Internet wirds auf absehbare Zeit ähnlich verlaufen.

Irgendwann werden die Leute dann spüren, dass ihr Leben immer fader wird, dann werden Texte wie der vom TE zitierte auf fruchtbareren Boden fallen und vielleicht (aber auch nur vielleicht) werden die Leute erkennen, was sie tun müssen. Bis dahin ists aber noch lange (meiner Meinung zufolge jedenfalls) und das Internet wird dann auch schon ganz anders aussehen.....aktuell wird sich durch solche Texte eher wenig ändern.

Untergehen wird die Welt davon nicht....Unkraut vergeht nicht und der Homo Sapiens ist ein ziemlich zähes Solches. ;)
 
So still hier? Nur Volluser? :D
 
ab der n-ten Endzeitpredigt wird es halt langweilig :noplan:
Dir geben ja eher Bibelzitate den Thrill. Folgendes, und zwar abgeguckt:
Auf, steigen wir hinab, und verwirren wir dort ihre Sprache, so dass keiner mehr die Sprache des anderen versteht.
Genesis 11.7
Damit wäre auch deine individuelle Verknüpfung Sprach- und Geistesverfall und Endzeit hinreichend bedient.


The Internet is a machine designed for the efficient and automated collection, transmission, and manipulation of information, and its legions of programmers are intent on finding the “one best method”—the perfect algorithm—to carry out every mental movement of what we’ve come to describe as “knowledge work.”
 
Für die fünf - oder waren es nur vier? -, die sich für das Thema interessiert haben: Heute griff die SZ den Essay und die Internetdebatte darüber weniger tiefgreifend im Feuilleton der Printausgabe auf. Allerdings verwies man im Artikel darauf, dass immer mehr medizinisch-psychologische Studien die Stoopidisierung der User untermauern:
Es ist ein interessanter Streit um diesen Text im Netz entbrannt, für den hier kein Platz ist, der aber, sieht man sich den Scharfsinn der Debatte an, zwar nicht die Ablenkungs- aber doch die Verblödungstheorie in nuce widerlegt. Interessanter ist, dass Carrs subjektiver Befund von der immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne durch mehrere medizinisch-psychologische Studien belegt wird: So hat der Psychologe Joseph Ferrari von der DePaul University in Chicago 4000 Menschen nach ihren Arbeitsmustern befragt und kam zu dem Ergebnis, dass 20 Prozent von ihnen so stark an Zerstreuung, Zeitverschwendung und Aufschubtechniken leide, dass er darauf drängt, procrastination (chronisches Verschieben) als medizinischen Terminus einzuführen, schließlich würden darunter mehr Menschen leiden als an Depressionen. Oft werde das Verhalten als Marotte abgetan, so Ferrari. "Aber die sozialen und ökonomischen Folgen sind immens. Diese Leute brauchen eine Therapie." Procrastination verursache Depressionen, mindere das Selbstbewusstsein und könne zu Schlaflosigkeit führen. Der Psychologe David Meyer von der University of Michigan geht gar davon aus, dass Menschen, die in zerstreuungsförderlichen Berufen am Bildschirm arbeiten, ähnliche Burn-Out-Symptome entwickeln wie Fluglotsen.
http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/441120

Dazu zur Unterstütung noch folgender (älterer) Text:
http://faz-community.faz.net/blogs/...7/12/13/intensivleser-gehen-ins-internet.aspx
 
Ich denke die Verkürzung der Aufmerksamkeitsspanne und die Art des Medienkonsums gehen Hand in Hand.
Heutzutage MUSS man einfach keine ellenlangen Texte mehr lesen, um schnelle Informationen aufzunehmen. Selbst die ach so traditionellen Tageszeitungen wagen sich nicht mehr, alle relevanten Informationen zu einem Sachverhalt in einem einzigen Textriemen zu verbauen, sondern gliedern aus, portionieren, geben Orientierung. So gibt es dann einen Hauptartikel, einen Hintergrundartikel, ein Porträt, ein Foto und eine Grafik…
Deswegen ist es kein Wunder, wenn selbst gebildete Menschen nur noch wenig Motivation haben, lange Texte zu lesen, wenn es auch kompakter ginge.

Dass sich das auch auf Belletristik überträgt kann ich nicht bestätigen. Wenn man sich mal hinsetzt, dann weiß man auch worauf man sich einlässt. Dass die Bereitschaft (mal in Ruhe etwas zu lesen…) insgesamt geringer geworden ist: ja, möglich.
Schließlich kann man den ganzen Tag mit Ablenkungen zubringen: Emails checken, Zigi-Pause, Kaffee holen, Emails checken…
Das hat aber imho nichts mit der Internet zu tun.

Dies ist nur durch die Hypertextualität und Multimediafähigkeit besser für Portionierung von Informationen geeignet und durch das Starren auf den Bildschirm schlechter für große Textportionen geeignet.
 
Heutzutage MUSS man einfach keine ellenlangen Texte mehr lesen, um schnelle Informationen aufzunehmen. Selbst die ach so traditionellen Tageszeitungen wagen sich nicht mehr, alle relevanten Informationen zu einem Sachverhalt in einem einzigen Textriemen zu verbauen, sondern gliedern aus, portionieren, geben Orientierung. So gibt es dann einen Hauptartikel, einen Hintergrundartikel, ein Porträt, ein Foto und eine Grafik…
Deswegen ist es kein Wunder, wenn selbst gebildete Menschen nur noch wenig Motivation haben, lange Texte zu lesen, wenn es auch kompakter ginge.
Das Irre ist aber doch, dass diese Textaufbereitung alleinig dem Leser geschuldet ist (via Werbewirtschaft).

Dass sich das auch auf Belletristik überträgt kann ich nicht bestätigen. Wenn man sich mal hinsetzt, dann weiß man auch worauf man sich einlässt. Dass die Bereitschaft (mal in Ruhe etwas zu lesen…) insgesamt geringer geworden ist: ja, möglich.
Ein ans Internet akklimatisierter User setzt sich aber nicht mehr hin, um dem Geiste ein ellenlanges belletristisches Exemplar zuzufügen und schon gar nicht einen Klassiker. Darum geht es ja. Und genau dies beschreibt Carr mit diesem schönen, auch in der SZ aufgegriffenen Zitat:
Once I was a scuba diver in the sea of words. Now I zip along the surface like a guy on a Jet Ski.
 
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