Die Schweiz hat abgestimmt - wo bleibt die Empörung?

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Ich muß sagen, ich bin (einmal mehr) verblüfft darüber wie vorausschauend die EU-Politik ist: Die bilateralen Abkommen mit der Schweiz wurden mit einer sogenannten Guillotine-Klausel versehen, damit alle Abkommen mit einem Schlag automatisch nichtig sind, wenn die Schweiz gegen eines davon verstösst. Dieser Verstoß (nämlich gegen das Abkommen zur Arbeitnehmer-Freizügigkeit) ist jetzt erfolgt. Damit fallen alle Vergünstigungen für die Schweiz weg. Im Prinzip stehen damit der EU alle Wege offen, zu reagieren: Vom Wegfall des Zugangs zum europäischen Binnenmarkt (was Strafzölle für schweizer Produkte ermöglicht), bis hin zum Schengen-Abkommen (warum keine Visumpflicht für Schweizer bei Reisen in Länder des Schengen-Raumes?).
 
Laut Presseberichten haben die Schweizer in den dichtbesiedelten Gebieten gegen die Initiative abgestimmt. Probleme mit der "Überfüllung" scheinen eher die ländlichen Gegenden zu haben, wo man dem Referendum mehrheitlich zugestimmt hat..

Ausserdem war eine Hauptzielrichtung der SVP gegen Muslime gerichtet. Das hat offenbar gut gezogen. Die deutschen Rechtspopulisten von der AfD haben sich auch gleich an den Schweizer Erfolg gehängt. Das kann ein toller Europawahlkampf werden, wenn es denen gelingt, Fremdenfeinlichkeit auch hier salonfähig zu machen. Vielleicht macht Seehofer ja auch gleich mit, der hat eine feine Witterung für sowas.

Auf dem Land merkt man es einfach deutlich besser, wenn immer mehr kommen. Ausserdem sind in den städtischen Gebieten eh schon etwa 50% Einwanderer aus zweiter oder dritter Generation, die das natürlich ein wenig anders sehen als die "Urschweizer".

Und zu sagen, dass die Hauptzielrichtung der SVP gegen Muslime gerichtet war, ist schon sehr weit hergeholt. Irgendwo ist dazu mal ein Plakat aufgetaucht, aber davon lassen wir uns dann auch nicht so schnell beeinflussen. Ausserdem war das Plakat auch nicht von der SVP selbst, höchstens von radikalen Exponenten.

Irgendwann ist das Boot hier einfach voll. Ich möchte mir keine Schweiz vorstellen, die im Jahr 2080 doppelt so viele Einwohner hat wie noch vor 20 Jahren. Ausser, die Länder, von welchen die Einwanderer kommen, treten der Schweiz ein wenig Grund und Boden ab.
 
Ausserdem war eine Hauptzielrichtung der SVP gegen Muslime gerichtet. Das hat offenbar gut gezogen.

So einfach sehe ich das nicht, die SVP hat massiv über ihre Wählerbasis Stimmen geholt. Das Unbehagen war schon lange bei einem grossen Teil der Bevölkerung da, aber man hat die Auswüchse nicht gezielt bekämpft (bekämpfen wollen?), weil man nur so das Grosse Ganze angreifen kollte. Ob es klug war, deswegen den bilateralen Weg grundsätzlich zu riskieren - eher nein. Die Zeit wird's zeigen.
 
[...]

Fazit - man will Finanz- Forschungs- Wirtschaftszentrum sein, beginnt aber zu hyperventilieren, wenn man morgens um Halb acht keinen Sitzplatz in der S-Bahn mehr findet. Und als Lösung dieser "Probleme" setzt man die bilateralen Verträge aufs Spiel. Oder wie es gestern ein Politiker gesagt hat "schon dumm, wenn man einen Warnschuss abgeben will, und einen Volltreffer landet"
Einer meiner besten Freunde hat zehn Jahre lang an der ETH Zürich auf dem Hönger Berg promoviert und geforscht. Seine Profs waren ein Finne, ein Franzose und ein Niederländer, die Studentenschaft, Graduierte etc. auch bunte gemischt, mit einem von mir geschätzten Anteil von 60% Schweizer.

Von den ganzen deutschen Bekannten hatte genau einer eine schweizerische Freundin / mittlerweile Frau, mein Freund (promovierter Triathlet) hat es in der ganzen Zeit trotz andauerndem Kontakt und aktivem Privatleben nicht geschafft, eine Schweizerin kennen zu lernen. Seine Beziehungen waren durchweg mit Exil-Deutschen. Die hier so oft als "problemlos" oder "nahtlos" beschriebene Integration der Deutschen findet nach meinem Erleben zwar oberflächlich statt, das ist abe reher dem gemeinsamen mitteleuropäischen Kulturkreis geschuldet.

Aktiv, passiert da sehr wenig. In der S-Bahn bin ich zu zwei Gelegenheiten nicht gerade feundlich auf meine Herkunft angesprochen worden. Während des Sylvesterfeuerwerkes auf dem Zürichsee stand neben mir ein Schweizer mittleren Alters, der wohl mitbekommen hatte, daß ich Deutscher bin. Bei jedem etwas lauteren Knall sagte er deutlich hörbar in meine Richtung: "Das war Dresden.", "Das war Hamburg".... :hum: Ich habe mich beherrscht, vor mich hin gekocht und nichts gesagt. Zu gerne hätte ich ihn belehrt, daß die Wehrmacht das ach so uneinehmbare Sarganz nur deswegen nicht ausradiert hat, weil das Schweizer Finanzsystem den Monstren unserer nationalen Vergangenheit äußerst nützlich war.

Um das klar zu stellen: Sobald man aus den schweizer Grosstädten und den typischen Tourigebieten raus ist, ändert sich das Klima merklich und die Menschen sind so freundlich, tolerant, aufgeschlossen und umgänglich wie überall sonst auf der Welt. (An dieser Stelle nochmal ein herzlicher Dank an der Zürcher Familienvater, der mir sein Kind ausgeliehen hat, damit ich eine Familienkarte für den Zoo kaufen konnte! :augen:)
 
Irgendwann ist das Boot hier einfach voll. Ich möchte mir keine Schweiz vorstellen, die im Jahr 2080 doppelt so viele Einwohner hat wie noch vor 20 Jahren. Ausser, die Länder, von welchen die Einwanderer kommen, treten der Schweiz ein wenig Grund und Boden ab.

Sorry, aber das ist doch Käse. Solche Ängste sind es die immer geschürt werden wenn Nationalisten am Werk sind. Was ist denn schlecht an Einwanderen? Was macht den Schweizer an sich zu einem besseren/willkommeneren Menschen als den Engländer, Franzosen oder Pakistani?
 
Laut Presseberichten haben die Schweizer in den dichtbesiedelten Gebieten gegen die Initiative abgestimmt. Probleme mit der "Überfüllung" scheinen eher die ländlichen Gegenden zu haben, wo man dem Referendum mehrheitlich zugestimmt hat..

Ausserdem arbeitete die Stimmungsmache der SVP auch mit der Angst vor Muslimen. Das bewährte Rezept hat offenbar wieder gut gezogen. Die deutschen Rechtspopulisten von der AfD haben sich auch gleich an den Schweizer Erfolg gehängt. Das kann ein toller Europawahlkampf werden, wenn es denen gelingt, Fremdenfeinlichkeit auch hier salonfähig zu machen. Vielleicht macht Seehofer ja auch gleich mit, der hat eine feine Witterung für sowas.

Jo das wird ein toller Europawahlkampf. Ich fürchte langsam die Vision "Europa" geht den Bach runter...die Menschen scheinen schlicht zu schlicht zu sein und allzu gerne anfällig für rechte Angstmacher-Propaganda. Ich argumentiere wirklich sehr ungerne mit "rechts-links" aber hier passt es ja perfekt. Angst hat noch immer mehr gezogen als Verantwortung.
Auf den Seehofer warte ich auch. Seine französiche Schwester im Geiste (le Pen) scharrt auch schon mit den Hufen.

Ich hoffe die EU haut den Schweizern sämtlich Abkommen um die Ohren. Was die bzgl. Schwarzgeld abziehen geht schon nicht klar, jetzt sollte Schluss sein.
 
Kleinstaaterei, Abschottung und jede Form von Nationalismus finde ich immer schlecht.

Wo genau siehst du den Unterschied bzw. Nachteil einer Abschottung eines Landes und der Abschottung eines Staatenverbundes?

Laut Presseberichten haben die Schweizer in den dichtbesiedelten Gebieten gegen die Initiative abgestimmt. Probleme mit der "Überfüllung" scheinen eher die ländlichen Gegenden zu haben, wo man dem Referendum mehrheitlich zugestimmt hat..

Städte sind üblicherweise eher links (über die Gründe dafür könnte man einen eigenen Thread füllen). Auffällig ist, dass vor allem Kantone mit einem hohen Anteil an Ausländern aus dem "übrigen Europa" relativ klar für die Initiative waren (und der Tessin, welcher als Auffangbecken für Italien herhalten muss).

Eine Korrelation zwischen Bevölkerungsdichte und Ablehnung erkenne ich allerdings nur bedingt.

http://imgur.com/ylRf3Jb
http://imgur.com/EEMz5IX
 
Sorry, aber das ist doch Käse. Solche Ängste sind es die immer geschürt werden wenn Nationalisten am Werk sind. Was ist denn schlecht an Einwanderen? Was macht den Schweizer an sich zu einem besseren/willkommeneren Menschen als den Engländer, Franzosen oder Pakistani?

Nichts, aber darum geht es auch nicht. Wie gesagt liegt das Problem aus meiner Sicht darin, dass die Schweiz nicht 16 Mio. Menschen verträgt. Genau so wenig, wie die Erde nicht 50 Milliarden Menschen ertragen kann. Zumindest nicht, wenn es so schnell geht. Evtl. in 200 Jahren, wenn wir hier eine Lösung zur Zubetonierung der Schweiz haben.
 
Von den ganzen deutschen Bekannten hatte genau einer eine schweizerische Freundin / mittlerweile Frau, mein Freund (promovierter Triathlet) hat es in der ganzen Zeit trotz andauerndem Kontakt und aktivem Privatleben nicht geschafft, eine Schweizerin kennen zu lernen. Seine Beziehungen waren durchweg mit Exil-Deutschen. Die hier so oft als "problemlos" oder "nahtlos" beschriebene Integration der Deutschen findet nach meinem Erleben zwar oberflächlich statt, das ist abe reher dem gemeinsamen mitteleuropäischen Kulturkreis geschuldet.
das sind exakt die Erfahrungen, die alle meine Bekannten, die -teils viele Jahre- in der Schweiz gearbeitet und gelebt haben, so oder ähnlich wiedergeben. Da bleiben die Deutschen unter sich, das Verhältnis zu Schweizern ist ein professionell-distanziertes im Berufsalltag und annähern null im Privaten
 
Die hier so oft als "problemlos" oder "nahtlos" beschriebene Integration der Deutschen findet nach meinem Erleben zwar oberflächlich statt, das ist abe reher dem gemeinsamen mitteleuropäischen Kulturkreis geschuldet.

Aktiv, passiert da sehr wenig. In der S-Bahn bin ich zu zwei Gelegenheiten nicht gerade feundlich auf meine Herkunft angesprochen worden. Während des Sylvesterfeuerwerkes auf dem Zürichsee stand neben mir ein Schweizer mittleren Alters, der wohl mitbekommen hatte, daß ich Deutscher bin. Bei jedem etwas lauteren Knall sagte er deutlich hörbar in meine Richtung: "Das war Dresden.", "Das war Hamburg".... :hum: Ich habe mich beherrscht, vor mich hin gekocht und nichts gesagt. Zu gerne hätte ich ihn belehrt, daß die Wehrmacht das ach so uneinehmbare Sarganz nur deswegen nicht ausradiert hat, weil das Schweizer Finanzsystem den Monstren unserer nationalen Vergangenheit äußerst nützlich war.

Die Integration der Deutschen ist wirklich grösstenteils kein Problem - die älteren (wozu ich bald auch mich zähle) reden einfach nicht so gerne Hochdeutsch, da es bei uns einfach holprig tönt. Die aus Süddeutschland verstehen sogar unsere Mundart, so dass wir ihretwegen keine Fremdsprache reden müssen ;) Das mit der fehlenden Durchmischung ist mir auch schon aufgefallen - wir haben wegen unseres Kindes, das in den Kindergarten geht, mehr Kontakt zu anderen ausländischen Eltern als zu schweizer Eltern (meine Frau ist französischsprachig). Soziokulturell habe ich mit Norddeutschen bald weniger Mühe als mit einem Emmentaler oder Appenzeller.

Und gut, Schliessmuskeln gibt es überall, in jedem Land und Kulturkreis.
 
Nichts, aber darum geht es auch nicht. Wie gesagt liegt das Problem aus meiner Sicht darin, dass die Schweiz nicht 16 Mio. Menschen verträgt. Genau so wenig, wie die Erde nicht 50 Milliarden Menschen ertragen kann. Zumindest nicht, wenn es so schnell geht. Evtl. in 200 Jahren, wenn wir hier eine Lösung zur Zubetonierung der Schweiz haben.

Das ist ein wichtiger Punkt. Man darf nicht vergessen, dass in der Schweiz etwa ein Viertel der Fläche gar nicht bewohnbar ist.

So haben Deutschland und die Schweiz zwar nominell ähnliche Bevölkerungsdichten, praktisch sieht das allerdings jetzt schon anders aus. Und das Wachstum ist viel stärker (ca. 1.0% pro Jahr gegenüber 0.1%).

Also ich war regelmässig in Bern. Da fährst Du 15 Minuten und dann ist Beton Ende. :)

Dann bist du in den Alpen ;) Dort ist schon alles aus Stein.
 
Mein Erleben in der CH: Deutsche in Schlüsselpositionen wirken häufig hochnäsig.
Das ist wirklich so. Viele gehen in die CH um rasch Geld zu machen, danach zurück
nach Deutschland. Die sind nicht da, weil das Land schön ist. Das ist es im
Schwarzwald auch. Oder in Bayern. Ich glaube, diese Tatsache muss man anerkennen.

Deutsche in der Schweiz im Privatleben sind anders. Sehr nett.

Deutsche in Deutschland sind NICHT hochnäsig. Im Gegenteil.

Und nur zur Klarstellung: ich habe eine Frau aus Deutschland,
meine Kinder haben inzwischen 3 Pässe.
 
Schweiz.jpg
 
Das ist ein wichtiger Punkt. Man darf nicht vergessen, dass in der Schweiz etwa ein Viertel der Fläche gar nicht bewohnbar ist.

Richtig, aber auch hier gibt es noch Gebiete, wo man ausreichend Platz hat. Das Dorf, wo ich aufgewachsen bin, hat gleich viele Einwohner wie vor 40 Jahren - und das nicht irgendwo im Juhee, sondern 15 Minuten von Aarau. Die Probleme, die wir pauschal der "Masseneinwanderung" zuschreiben, hat jede x-beliebige Grossstadt auf dem Planeten. Und dass die Leute aus der Pampa gerne in die Stadtnähe ziehen, tut noch das weitere. Die Pendlerströme sind Hausgemacht, denn die Verkehrsdichte nimmt massiv stärker zu als nur die Einwohnerzahl. Ich habe in Erinnerung, dass die Verkehrsdichte ca. 4x schneller zugenommen hat als die Bevölkerung.
 
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