Deutscher Papst?

Teil.II.

Und Pace auf Erden

Der Raum des Ästhetischen, des Symbolischen und Moralischen, der ist heute hell erleuchtet und viel besucht. Das eigentliche, ernste Geschäft der religiösen Praxis wird woanders betrieben, und da ist es leer, dunkel und still.

Der Papst, das Amt, der verstorbene wie der neue Amtsinhaber sind den Leuten aus verschiedenen Gründen sympathisch: Es ist ein altes Amt, das älteste der Welt, und das beeindruckt in einer Zeit, in der Sechsundzwanzigjährige stolz erklären, sie könnten sich "an die Zeit von Helmut Kohl noch gut erinnern". Der Papst ist, wie sein Vorgänger, das, was alle immer sein wollen: authentisch. Er ist gewaltfrei. Die früher von allen antiklerikalen Büttenrednern so gern angeprangerten "päpstlichen Prachtpaläste" wirken neben den saudischen Luxushotels und dem Lebensstil eines Enron-Chefs bescheiden. Auch die politischen Fronten sind aufgeweicht. Seit Johannes Paul II. in manchen Reden so klang wie Attac, seit der Opposition zum Irak-Krieg, als an vielen Häusern die Regenbogenfahnen mit der Aufschrift "Pace" wehten, gefällt der Papst auch vielen Linken und Liberalen.

Größtenteils harmlos

Aber für Katholiken ist das nur bedingt eine gute Nachricht. Paradoxerweise fällt es um so leichter, den Papst gut zu finden, je weniger er Einfluß nehmen kann auf die individuelle Lebensgestaltung, je mehr auch hierzulande katholische Milieus, wie sie noch Heinrich Böll beschrieben hat, erodieren: Selbst CDU-Spitzenpolitiker lassen sich scheiden, haben Freundinnen, leben in homosexuellen Partnerschaften. Vom Vatikan geht keine Gefahr mehr aus. Den Papst gut zu finden, weil er das Ende der Beliebigkeit ankündigt - das ist eine beliebte und beliebig revidierbare Haltung. Der unbefangene Jubel so vieler hat auch damit zu tun, daß die katholische Kirche für sie harmlos ist. Vereinzelt wird das natürlich anders gesehen.

Schon zwei Tage nach der Wahl Ratzingers hat der frühere Mitarbeiter Bill Clintons und Kolumnist der Zeitung "Guardian", Sidney Blumenthal, vor einem neuen Kulturkampf gewarnt; er versucht nachzuweisen, daß die Wahl George W. Bushs direkt auf Ratzingers Brief an die amerikanischen Bischöfe vom Sommer 2004 zurückgeht, in dem stand, daß katholischen Politikern, die für liberalere Abtreibungsgesetze stimmen, die Kommunion versagt bleiben muß. Mehr als sechs Prozent der katholischen Wähler habe Bush danach hinzugewonnen, schreibt Blumenthal, und die hätten ihm den Sieg gebracht.

Das zeigt, wie tückisch es sein kann, wie John Kerry den Katholizismus so zur ungefähren Sphäre des Höheren und Symbolischen zuzurechnen, aus der alle Differenzen winzig erscheinen: Man kann zwar für das mächtigste Amt der Welt kandidieren, als Katholik um die Stimmen von Katholiken werben und darauf hoffen, daß die eigene abtreibungsfreundliche Haltung von vielen gutgeheißen wird - auch wenn das nicht die beste Strategie sein mag. Aber man kann es nicht als unfaire Einmischung bezeichnen, wenn die Kirche dann darauf hinweist, daß das im Widerspruch zu ihrer Glaubenslehre steht.

Aber die andere Seite des politischen Spektrums hat auch nicht lange gebraucht, die Wahl Ratzingers als Signal für den großen Umschwung zu ihren Gunsten zu deuten. Im "Wall Street Journal" fragte die republikanische Kolumnistin Peggy Noonan, warum all die jungen Leute in Jeans und T-Shirt mit ihren Rucksäcken gerannt kamen, als die Glocken des Petersdoms die Wahl eines neuen Papstes anzeigten. Ihre Antwort: "Wir wissen, was wahr ist. Irgendwie wissen wir es." Und sie schreibt, daß "wir" eine Art inneren Kompaß hätten, der in den "Norden der Wahrheit" zeigt, egal was der Zeitgeist und die Moden sagen. Aber wer ist "wir"? Nach meinem inneren Kompaß liegt Rom nicht im Norden. Wieder dieser Defekt.

Solche Begriffe, die symbolische Autorität des Papstes, der innere Kompaß, die christlich-abendländische Wertegemeinschaft, das christliche Menschenbild, haben den doppelten Nachteil, daß sie Nicht katholiken einschließen wollen und dabei den Kern des Glaubens weiträumig umfahren. Die zentrale rhetorische Figur der Kommentare hierzulande, das "wir alle" - wie in: "müssen sparen", "tragen Mitschuld", "sind betroffen und gefährdet" -, verbietet sich hier. Wir alle sind nicht katholisch. Wie sollten wir dann Papst sein?

>>Quelle<<
 
ricky2000 schrieb:
Zynisch:

Ich habe eben Teile der Amtseinführungsmesse gesehen.

Wo steht eigentlich in der Bibel: "gründet eine Organisation, baut diese zum Machtinstrument aus, schafft verzweigte Strukturen, lauschet Knabengesängen, verkaufet Ablassbriefe, nehmt das Geld der Gläubigen und verprasst es für die Kirche, betet in melodischem Singsang - tut dies im Namen Gottes!" ?

Ablassbriefe ???
Heute noch??? Habe ich da was verpasst? ;)
 
Herr Chow schrieb:
Ich denke, wir sollten zum Thema zurückkehren. Ein neuer Papst aus Deutschland. :)
Dieser Thread wurde jetzt lange genug von Anti-CDU-Propaganda okkupiert.

tja, die süppchen hier bestehen meist aus roten inhaltsstoffen, da kann man auch nicht viel machen...
auch harmlose threads über den papst werden dazu genutzt um politische meinungen zu verbreiten ;)
 
Dom8 schrieb:
Ablassbriefe ???
Heute noch??? Habe ich da was verpasst? ;)

Nö, ich hab das einfach noch mit reingenommen, weil es so ein herrliches Beispiel für den Missbrauch der "Stellvertretung Gottes auf Erden" ist :).
 
ricky2000 schrieb:
Ich habe eben Teile der Amtseinführungsmesse gesehen.
Ich auch und fand sie sehr berührend.

ricky2000 schrieb:
Wo steht eigentlich in der Bibel: "gründet eine Organisation ...
Z.B. in der Apostelgeschichte.

ricky2000 schrieb:
... baut diese zum Machtinstrument aus, schafft verzweigte Strukturen ...
Abgesehen davon, daß jede Gemeinschaft Strukturen braucht, müßte Dir der neue Papst gut gefallen: Er beklagte die bürokratischen Strukturen, besonders in der deutschen Kirche.
ricky2000 schrieb:
... lauschet Knabengesängen ... betet in melodischem Singsang ...
Noch nie etwas von geistlicher Musik gehört? Sagt Dir der Name Johann Sebastian Bach etwas?

Zum Ablaßhandel sage ich jetzt besser nichts. :rolleyes:
 
ricky2000 schrieb:
Und das erklärt jetzt was?
Was willst Du denn erklärt haben, Ricky? Immerhin habe ich Dir ein paar sanfte Winke gegeben, in welche Richtung Du weiter recherchieren könntest. Wenn Du Dich für die Ursprünge der katholischen Kirche oder geistlicher Musik interessierst, empfehle ich Dir, einen Tag in einer guten Bibliothek zu verbringen. Von Google respektive Wikipedia rate ich ab.
 
heldausberlin schrieb:
Es gibt einen deutschen Papst!
Was haltet ihr davon?

Ich als Agnostiker stehe der Kirche fern. Jedoch ist die Katholische Kirche ein politischer Faktor im Weltgeschehen, der nicht zu unterschätzen ist.

Ich denke, Herr Ratzinger hat den Job verdient, da er seine Sache innerhalb seiner Kirche gut gemacht hat. Und er scheint für Überraschungen gut. Ich höre er beruft den liberalen Bischof Lehmann in die Kurie!
 
Lynhirr schrieb:
...Ich höre er beruft den liberalen Bischof Lehmann in die Kurie!

Sehr liberale Aktion... :rolleyes:
Aber es lassen sich mit Sicherheit gerne viele davon blenden, weil man ja doch immer eigentlich lieber an die Wendung zum Guten (oder was man dafür hält) glauben will...
(Weg-)Loben und befördern auf besser (kontrollierbare) Positionen ist seit eh und je ein sehr viel effektiveres Machtmittel als Mobbing oder Repression. Und mit Taktik kennt sich der neue Papst ja aus.

Grüße,
Flo
 
Herr Chow schrieb:
...ein kleines rhetorisches Missgeschick erlaubt...

Jaja...wie der Herr so des Gscheer...
Ist mir total egal wer das sagt. Wenn es ein anderer aus einer anderen Partei gesagt hätte wäre ich genauso empört gewesen. Aber manche (und ihre Sympathisanten) zeigen schon mit erstaunlicher Konsequenz wes Geistes Kind(er) sie sind...

Grüße,
Flo
 
lengsel schrieb:
Sehr liberale Aktion... :rolleyes:
Aber es lassen sich mit Sicherheit gerne viele davon blenden, weil man ja doch immer eigentlich lieber an die Wendung zum Guten (oder was man dafür hält) glauben will...
(Weg-)Loben und befördern auf besser (kontrollierbare) Positionen ist seit eh und je ein sehr viel effektiveres Machtmittel als Mobbing oder Repression. Und mit Taktik kennt sich der neue Papst ja aus.

Das wäre natürlich auch ganz geschickt. Lehmann in der Kurie unter Kontrolle und aus Deutschland weg. Ob Ratzinger Macciavelli gelesen hat? ;)
 
Hatten wir den schon?

Wie heißt die Amtstracht des neuen Papstes? - Ratzefummel! :D
(Ja, ja, ja habe ich von "7 Tage - 7 Köpfe")
 
Zuletzt bearbeitet:
Lynhirr schrieb:
Das wäre natürlich auch ganz geschickt. Lehmann in der Kurie unter Kontrolle und aus Deutschland weg. Ob Ratzinger Macciavelli gelesen hat? ;)

Davon würde ich ausgehen :D
 
Lynhirr schrieb:
Das wäre natürlich auch ganz geschickt. Lehmann in der Kurie unter Kontrolle und aus Deutschland weg. Ob Ratzinger Macciavelli gelesen hat? ;)

"a Hund is er scho", wie man in Bayern anerkennend sagen würde. :D
 
Habemus Papam ...

Auf die Gefahr, dass wir das schon hatten... und sicher gehört das in
die Schmunzelecke... trotzdem...

Von diesem Nachfolger sind wir verschont geblieben.

Finde das ganz interessant mit Ratzinger, vor allem weil ich
mit ihm verwandt bin. Und bin uuuunheimlich stolz drauf. ;)
 

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