Als ich Ende letzten Jahres den Kontakt zu Psychiatern aufgenommen habe, um etwas mehr Einblick ins Psychiatrie-System zu erhalten, wurde mir ganz exemplarisch vorgeführt, was hinsichtlich der forensichen Kriterien mit Blick auf 'Gemeingefährlichkeit' zu beachten wäre und worin der Missbrauch des Begriffs ersichtlich wird. Zwei Psychiater demonstrierten mir anhand eines Vergleichs, was auch bei Herrn Mollath die absolute Unverhältnismäßigkeit offensichtlich macht.
Mir wurde ein Mann gezeigt, der auf Grund seiner psychiatrischen Erkrankung völlig impulsdurchlässig ist. Er ist ein Gewaltverbrecher, der zig Frauen vergewaltigt hatte. Er sieht z.B. eine Frau und will sich auf sie stürzen. Er kann es nicht kontrollieren. Bei ihm brechen von einem Moment zum andere alle Barrieren. Er braucht auch keinen weiteren Anlass: allein der Sichtreiz kann genügen. Es helfen ihm keine Therapien, und auch Medikamente helfen nur kurzzeitig, da die Impulsdurchlässigkeit nicht durchgängig abgedämpft werden kann. Auf der Station, auf der er lebte, durften keine Frauen mit ihm arbeiten. Nur Pfleger und Ärzte haben mit ihm Kontakt. Er hat durchgängig eine 1:1-Betreuung eines männlichen Pflegers, da natürlich auch Besuch (weibl.) wie andere Patienten geschützt sein müssen. Vorfälle gibt es bald jeden Tag…
Dieser Mann stellt also eine durchgängige Gefahr dar und ist zu Recht in einer forensischen Klinik eingesperrt.
Dazu im Vergleich Herr Mollath…
Sollten die Vorwürfe seiner Ex-Frau stimmen, dann hätte es eindeutige, punktuelle Anlässe gegeben und aus den Situationen heraus deutlich abzuleitende, eskalierende Entwicklungen, die in klar abgegrenzten Einzelgegebenheiten zu Gewalt geführt hätten. Mit Blick auf einen (wie wir heute wissen) realen Bedrohungshintergrund wäre es zu mutmaßlichen anderen Straftaten gekommen (Reifenstechereien, vorgebliche Nachstellungen von Umfeldern der Hypo-Bank, von denen er sich bedroht fühlte).
Der Unterschied sollte klar sein: Herr Mollath hätte demgemäß immer anlassmäßig als Reaktion auf konkrete Ausnahmesituationen agiert (Ehestreit und/oder Angst/Verfolgungsangst vor sogar konkreten Anlässen, wie wir heute wissen, die er aber selbst seinerzeit nicht allgemein ausgeweitet hätte). Auch wenn die Frau (so ihre Situtionsschilderungen stimmten) dann ein vorrangiges Recht hätte, geschützt zu sein, wäre eine längerfristige Unterbringung in der forensischen Zwangspsychiatrie zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt gewesen. Allein die Straftaten, die ihm vorgeworfen wurden, hätten ansonsten gerade mal Geldstrafen und/oder Bewährungsstrafen nach sich gezogen. Kurzzeitige Unterbringungen sind beim Beleg von Fremd- oder Eigengefahr hinsichtlich psychischer Dekompensation Herrn Mollaths möglich gewesen. Kurioser Weise wurde aber von Anfang an auf ein langfristige Unterbringung in der Forensik hingearbeitet. Ordentliche Anamnesen/Gutachten wurden nie erstellt. Und jene, die fachlich korrekt erstellt wurden, attestierten ihm Gesundheit (wenngleich es damals noch Einschränkungen gab, weil man den Schwarzgeld-Komplex nicht übersehen konnte; wie wir heute wissen, fällt auch da alles weg, also Herr Mollath hatte Recht).
Der Umgang mit Herrn Mollath widerspricht jedenfalls vollständig Behandlungs- und Anamneserichtlinien. Er ist auch der auffälligste, wenn es darum geht, die von Frau Mollath angekündigte Wegschaffung ihres Mannes durch Psychiatriesierung zu vollenden. So oder so bleibt festzustellen: für eine forensiche Unterbringung, in dem Maße, wie es Herrn Mollath widerfahren ist, gab es nie eine Legitimation, egal ob er die ihm von seiner Frau vorgeworfene Bedrohung dargestellt hat oder nicht.
Um es aber noch einmal zu erwähnen: Selbst die Staatsanwaltschaft Regensburg zweifelt da mittlerweile dran, dass Herr Mollath überhaupt die ihm zur Last gelegten Straftaten begangen hat. Der Belastungseifer seiner Ex-Frau wie die Widersprüche, in die sie sich wie auch weitere Zeugen und Beteiligte verfangen haben, sind nie würdig beachtet worden, haben sich aber mittlerweile als drückend bestätigt (Zeugenaussagen vor der Staatsanwaltschaft Regensburg). Auch zeigte sich, dass Herr Mollath zu keinem Zeitpunkt seine Anschuldigungen 'allgemein' ausdehnte. Die von ihm beschuldigten Menschen waren auch tatsächlich allesamt dem Hypo-Bank-Umfeld zuzuordnen. Die Leute kennen sich, haben Geschäftskontakte und auch private Bindungen untereinander…
Wenn ich heute nach wie vor aber von einigen Leuten lese, dass Herr Mollath aber wohl def. mindestens einen 'an der Klatsche' habe, da frag ich mich doch, was das denn noch soll, worauf sich solche Äußerungen stichhaltig noch gründen können?
Was bestimmt gesagt werden kann, ist dass Herr Mollath (wenn man seine damaligen Schrifen beachtet) ganz bestimmt in einer Ausnahmesituation war. Bisher zeichnet sich aber ab, dass die Ausnahmesituation auf realen Bedrohungsszenarien fußte. Er durfte sich zu Recht bedroht fühlen! Und er hatte ebenso zu Recht allen Grund, sich förmlich umzingelt zu sehen und auch seines Lebens nicht mehr sicher zu sein. Denn wenn all die Möglichkeiten stimmen, die allein die Regensburger Staatsanwaltschaft ermittelt hat, dann ist er von einem lokalen Netzwerk, das sich von der Bank über Kunden, bis in Polizei und Justiz zog, aktiv bedroht worden. Es gab illegale Hausdurchsuchungen unter Waffengewalt… Wiederholte Inhaftierungen, deren Anlässe vollständig konstruiert waren… Letztlich Entmündigung… Alle ihm angekündigten Szenarien (bzw. Drohungen durch seine Frau) sind letztlich auch umgesetzt worden (Psychiatrisierung, Enteignung usw.). Es hätte sonstwas noch geschehen können… Wer da nicht psychisch kollabiert, ist wirklich mit einer unfassbaren Gelassenheit gesegnet. Aber: es ist gar nicht belegt, dass Herr Mollath psychisch kollabiert wäre.
Das einzige, was uns bisher bleibt, sind Anschuldigungen einer Frau, die ihren Belastungseifer nicht nur angekündigt hat, sondern auch noch zentral in Straftaten verwickelt war, die es zu vertuschen galt. Und dann sind da noch Briefe, die von einem Menschen zeugen, der anscheinend baff ist vom Unrecht in der Welt… Er hat doch tatsächlich die Dreistigkeit, dies auszuführen? Ist das bereits ein Wahn? Wehe denen, die noch sprachlos sind und darum ausufernd schildern, woher ihr Denken und Empfinden rührt, um sich womöglich darüber auch zu erklären? Ab mit diesen in die Psychiatrisierung, wenn sie keinen reinen Schreibstil pflegen und/oder sich in journalistisch eingrenzbaren Präzisierungen üben? Und Wahnsinn all jenen, die sich an den Bundespräsidenten oder (obendrein als Katholik) an ihr Glaubens-Oberhaupt wenden?
Das einzige, was man da wohl dann noch Herrn Mollath vorwerfen könnte, wäre wohl seine Naivität. Aber nicht einmal das. Tatsächlich wendet sich das Blatt doch gegen jene, die ihren blanken Zynismus als Grundlage für psychiatrische Ferndiagnostik heranziehen. Also angesichts eines Zynismusses der meint, ein Papst könne nicht angeschrieben, ein Bundespräsident könne von einem der Bürger, denen er zu dienen hat, nicht erreicht werden… Wenn dies so sein sollte, zeichnet es aber allenfalls ein finsteres Bild der Institutionen und einer schiefligenden Gesellschaft ab, nicht aber des Bürgers, der ein Recht in Anspruch nimmt (auch wenn es so viele bereits längst drangegeben haben).
Ich kann Bedenken angesichts von alten Vorwürfen, die gegen Herrn Mollath erhoben sind, absolut nachvollziehen. Aber die Aktenlage wie auch die Rechtslage (besonders hinsichtlich der forensischen Unterbringung) fordern doch mehr Differenziertheit. Wer da bei ollen Vorurteilen stehen bleibt, dem reicht potentiell vielleicht auch, wenn jemand auf der Straße ruft: "Haltet den DIEB!"; jemand, der vielleicht nur jemanden bezichtigen will oder zusehen will, wie eine Masse losrennt, während der Rufende selber nur Raum braucht, um selber ein Verbrechen zu begehen... Andererseits: so funktioniert ja auch die Legitimation des Überwachungsstaates. Auch das Konzept des Agent-Provokateur, das Polizei nachweislich lt. des Vereins kritischer Polizisten z.B. ST21 eingesetzt haben, funktioniert so. Und das funktioniert ja auch für die breite Öffentlichkeit ganz gut. Aber will man wirklich so leicht Opfer von Manipulation sein, hauptsache sie geht von offensichtlich missbrauchten staatlichen Institutionen aus?
Schlussendlich sehe ich den Fall Herrn Mollaths als bisher durchweg nicht geklärt an. Aber ich sehe des gleichen auch überhaupt keinen Grund, Herrn Mollath als potentiell irre abzustempeln. Was sowieso eindeutig ist: er hatte bisher keinen rechtsstaatlich akzeptablen Prozess. Seine Inhaftierung war illegal, darum ist sie aufgehoben worden. Aber der Weg dahin hatte nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Das allein ist nicht nur sehr erschütternd...